Christliche Tattoos
Wenn der Glaube unter die Haut geht
Auch unter Christen werden Tattoos gesellschaftsfähig. Die Motive reichen dabei von einem schlichten Kreuz bis hin zur komplexen Darstellung der Heilsgeschichte. Was lässt sich zu diesem Trend sagen?
Fast niemand kommt ohne Tattoos aus dem Gefängnis. Dort gehören sie auf besondere Weise dazu, illustrieren die eigene Stärke – und zeigen unter Umständen Hinweise auf begangene Verbrechen. Auch Seeleute sind bekannt für ihre Tätowierungen. Die ersten Weltumsegler brachten die Idee der Körperbilder aus dem Pazifik nach Hause und selbstverständlich auch Beispiele auf der eigenen Haut. Vom Anker über nackte Frauen bis hin zu Schutzsymbolen etablierten sie sich. Dass sich Christen einen Rosenkranz, den «Löwen von Juda» oder ihr Bekehrungsdatum stechen lassen, scheint ein neuer Trend zu sein, doch tatsächlich ist der Brauch bereits sehr alt.
Pilgertätowierungen
Tattoos haben eine lange Geschichte, das wissen wir spätestens seit «Ötzi». Die 5'300 Jahre alte Gletschermumie besitzt über 60 tätowierte Punkte und Muster. Christen begannen schon früh damit, sich christliche Symbole stechen zu lassen. Das hatte mehrere Gründe: In Bosnien wurden Mädchen und Frauen so tätowiert, um ihren Übertritt zum Islam zu verhindern. Bereits lange vorher liessen sich Pilger, die nach Jerusalem reisten, dort ein christliches Symbol als Tattoo stechen. Es diente zum einen als Beweis, dass sie tatsächlich in der Heiligen Stadt waren, zum anderen sollte es als Ausweis und Schutz vor Räubern dienen. Beides war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich.
Tatsächlich ist bis heute ein kleines tätowiertes Symbol wie zum Beispiel eine Menora oder ein Kreuz auf der Hand in vielen Regionen weltweit so etwas wie ein Nachweis, dass man zur christlichen Glaubensgemeinschaft gehört.
Christliche Ächtung
Schon früh gab es Bestrebungen zu «Bilderverboten», die oft auch auf Tattoos ausgedehnt wurden – die meisten liessen sich nicht durchsetzen. Während die orthodoxen Kirchen zum Teil bis heute an christlichen Tätowierungen festhalten, lehnten die westlichen Kirchen sie mehr und mehr ab. Grundlage dafür war unter anderem das Gebot aus 3. Mose, Kapitel 19, Vers 28: «Ihr sollt keine Einschnitte an eurem Leib machen für eine [abgeschiedene] Seele, und ihr sollt euch keine Zeichen einätzen! Ich bin der Herr.» Obwohl hier eindeutig Bezüge zu einer Art Totenverehrung genannt werden, wurde und wird dieser Vers oft so verstanden, dass die Bibel jegliche Hautbemalung ablehnt.
Im Neuen Testament steht nichts zur Praxis des Tätowierens. Manche zitieren in diesem Zusammenhang 1. Korinther, Kapitel 6, Vers 19: «Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des in euch wohnenden Heiligen Geistes ist, den ihr von Gott empfangen habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?» Eigentlich geht es im Zusammenhang des Verses jedoch um Unzucht und während die einen durch Tattoos um diesen Tempel fürchten, sehen andere ihn besonders geschmückt.
Neue Akzeptanz
Damit ist eine biblisch fundierte Ablehnung von Tattoos praktisch nicht vorhanden. Und im Zuge einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz von Tätowierungen – laut Statistiken ist inzwischen jeder vierte Deutsche tätowiert – fanden auch Christen wieder Gefallen an den Körperbildern. Manche tragen inzwischen ein unauffälliges Kreuz an der Hand, haben sich ihren «Ehering» tätowieren lassen oder zeigen ihren Glauben mit einer Vielzahl von christlich geprägten Bildern.
Bekanntere Christen, die dies offensiv vertreten, werden hierbei zu Vorbildern. Die US-Lutheranerin Nadja Bolz-Weber ist sicher ebenso stilbildend wie der Theologe und Blogger Dave Jäggi. Letzterer erklärt: «In Verbundenheit mit der christlichen Tradition sind Tattoos für mich persönlicher Ausdruck meiner Spiritualität. Im Akt der Entstehung wandere ich von der Erwartung durch den Schmerz hin zur Freude. Im Ergebnis sehe ich Erinnerung, Begleitung und Bekenntnis.»
Mode und «Armenbibel»
Wofür stehen Tattoos heute? Offensichtlich haben sich die Symbole von Gefängnisinsassen und Seeleuten längst hin zu einem völlig akzeptierten modischen Trend entwickelt. Das Problem ist: Mode wandelt sich – Tattoos bleiben. Davon kann manch eine ein Lied singen, die sich zu Beginn des Tätowierungsbooms ein Tattoo auf dem Steissbein stechen liess, das schnell unschöne Beinamen erhielt. Auch christliche Symbolik verkommt im Rahmen mancher Prominenter zu Nachrichten wie: «Er hat jetzt auch ein christliches Tattoo» (wie zum Beispiel der Fussballer Neymar, Livenet berichtete).
Gleichzeitig sorgen viele Christen durch Tattoos, die ihren Glauben illustrieren, für eine Art Renaissance von Tätowierungen mit einer echten Bedeutung. Für sie sind die biblischen Bilder so etwas wie die «biblia pauperum», die Bibel der Armen, die es früher in vielen Kirchen gab. Dort erzählten Bilder die Geschichte von Jesus Christus und seiner grossen Liebe zu den Menschen.
Unsere Haut als Tempel des Geistes? Als Kathedrale? Genau diesen Gedanken nahm Paul-Henri Campbell mit seinem Buch «Tattoo & Religion: Die bunten Kathedralen des Selbst» auf. Und viele Christen werden Menschen, denen sie begegnen, lächelnd ihren bebilderten Arm entgegenhalten und ihnen von Jesus erzählen. Viele andere tun dasselbe, obwohl sie kein einziges Tattoo tragen oder je tragen werden.
Damit zeigt sich, dass christliche Tätowierungen auf der einen Seite reine Geschmackssache sind – auf der anderen Seite können sie ein ernstgemeintes und ernstgenommenes Statement für den eigenen Glauben sein.
Zum Thema:
Hamiltons viele Facetten: Mit Kreuz auf dem Rücken und Gott am Hals
Berufen und ausgerüstet: Zehn Lügen, die Christen von sich glauben
Allianzgottesdienst: Gemeinsam unterwegs als Pilger und Fremde
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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