«Kalifat» ausgerufen

Nigeria: Boko Haram ändert Taktik

Soldaten der Terrorgruppe Boko Haram haben die Stadt Michika im Nordosten von Nigeria besetzt. Zehntausende von Christen sind auf der Flucht. Boko Haram hat ein «Islamisches Kalifat» im bevölkerungsreichsten Land Afrikas ausgerufen.

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Ausschnitt aus einem Propaganda-Video der nigerianischen Islamisten Boko Haram
«Mehrere Kirchen sind in Trümmern und zehntausende Christen und auch Muslims sind auf der Flucht vor Boko Haram», teilte Fr. Patrick Tor Alumuku, der Kommunikationsverantwortliche der Erzdiözese von Abuja, mit. «Letzte Woche haben sie in einem Dorf in der Nähe von Maiduguri die Kirche zu ihrem Hauptquartier gemacht.»

Auch BBC bestätigte, dass die Terrorgruppe ihre Taktik geändert hat und statt sporadischer Überfälle nun versucht, Städte zu erobern und zu halten. Bereits im August hatten die Kämpfer die christliche Stadt Gwoza eingenommen, über 100 Zivilisten umgebracht und ein «Islamisches Kalifat» ausgerufen. Die Terrorgruppe ISIS hatte Boko Haram Beratung angeboten, wie man ein solches Kalifat aufbauen könne.

Beerdigung von Toten verboten

In Nigeria scheint Boko Haram es nun auf die Millionenstadt Maiduguri im Nordosten des Landes abgesehen zu haben. Die Strasse zwischen Maiduguri und der westlich gelegenen Hauptstadt des Yobe-Staats, Damaturu, der einzigen noch sicheren Verkehrsader aus der Stadt, ist von Flüchtlingen überflutet. Bereits Mitte letzter Woche hatten die extremistischen Kämpfer die knapp 70 Kilometer von Maiduguri entfernte Stadt Bama eingenommen. «Unzählige Leichen liegen auf den Strassen, Boko Haram hat den Menschen verboten, die Toten zu begraben», berichtete der Abgeordnete Ahmed Zanna der BBC. Fast 30'000 Menschen sollen in Bama ihr Zuhause verloren haben.

Humanitäre Katastrophe befürchtet

Die überraschenden Gebietsgewinne von Boko Haram lösen nicht nur in Nigeria selbst Alarm aus. Die Entwicklungen seien «zunehmend gefährlich» und «zutiefst beunruhigend», sagte die US-Staatssekretärin für Afrika, Linda Thomas-Greenfield, bei einem Sicherheitstreffen in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Ein Angriff auf Maiduguri würde zu einem «fürchterlichen Blutzoll» unter der Bevölkerung führen. Neben Bama sollen die islamistischen Extremisten auch zahlreiche Ortschaften und Siedlungen beherrschen, die weiter im Norden, Osten und Süden der Provinzhauptstadt liegen. Würde Maiduguri eingenommen, hätte die Sekte faktisch den gesamten Borno-Staat unter ihre Kontrolle gebracht.

Armee machtlos

Die Armeen von Nigeria und neu auch von Kamerun haben etwa 150 Boko Haram-Kämpfer getötet, nachdem diese ein Dorf in Kamerun angegriffen hatten. Die nigerianische Armee steht den Gebietsgewinnen der Terrororganisation als Ganzes aber weitgehend machtlos gegenüber. Obwohl Präsident Goodluck kürzlich erst den Streitkräften eine Milliarde Dollar zusprach, verschwinden diese Mittel regelmässig, bevor sie die an der Front kämpfenden Soldaten erreichen. Schlecht ausgerüstet und unbezahlt, desertieren Soldaten in grosser Anzahl, sogar ins Ausland. In Maiduguri ist eine ganze Division stationiert. Es ist aber fraglich, ob sie die gut bewaffneten und unerschrocken auftretenden Boko Haram-Kämpfer abwehren kann.

Ganzer Nordosten in Gefahr

Experten wie das unabhängige Nigeria Security Network (NSN) warnen inzwischen, dass die «blitzartigen» Geländegewinne Boko Harams zum Fall des gesamten Borno-Staats, einschliesslich grösserer Regionen zweier benachbarter Bundesstaaten sowie von Teilen des Nachbarlands Kamerun führen könne. Die Regierung müsse sofort «drastische Massnahmen» ergreifen, um die Stadt Maiduguri vor den Boko-Haram-Kämpfern zu schützen. Ansonsten sei eine nationale Katastrophe und humanitäre Krise nicht mehr abzuwenden.

«Sich auch um das andere Kalifat kümmern»

Auch Pastor Laolu Akande, Direktor der Nigerianisch-Amerikanischen Gesellschaft, rief die internationale Gemeinschaft und die USA auf, Nigeria nicht zu vergessen. «Wenn Präsident Obama eine Strategie entwirft, die ISIS zu zerstören, bitten wir ihn eindringlich, Boko Haram nicht zu vergessen. Jeden Moment, in dem wir sie in Ruhe lassen, werden die Terroristen grausamer und teuflischer. Die Welt muss sich auch um das andere Kalifat kümmern»

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Datum: 12.09.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch / Christian Today / Frankfurter Allgemeine

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