Leben mit Tourette-Syndrom
Dave Pittman – vom Gemobbten zum Ermutiger
Weil er wegen seines Tourette-Syndroms in der Schule derart gemobbt wurde, wollte sich Dave Pittman das Leben nehmen. Dann fand er seine Identität und machte bei Auftritten in Schulen vielen anderen jungen Menschen Mut.
«Ich bin in einer kleinen Stadt namens Gassville, Arkansas aufgewachsen», erinnert sich Dave Pittman. Sein Vater war Musikpastor und Mutter half, die Band zu leiten. «Ich bin in einer fünfköpfigen Familie aufgewachsen, ich habe noch zwei weitere Geschwister.»
Im Alter von neun Jahren wurde bei ihm das Tourette-Syndrom diagnostiziert. «Ich hatte viele 'Warum ich?'-Fragen, etwa: 'Gott, warum hast du das erlaubt? Warum bin ich es?' Ich verstand mit meinem neunjährigen Gehirn nicht, wie ich damit umgehen und leben sollte.»
Es war extrem schwierig für ihn. «Es machte mich zur Zielscheibe von Mobbing durch Gleichaltrige in der Schule und wirkte sich so negativ auf mich aus, dass wir am Ende der vierten Klasse im Sommer – es waren noch etwa zwei Wochen Sommerferien übrig – als Familie am Frühstückstisch sassen und meine Mutter fragte: 'Seid ihr bereit, wieder zur Schule zu gehen?' Und sie sagt, sie erinnere sich an den Schrecken, der mir ins Gesicht geschrieben stand, und ich erinnere mich auch daran, dass ich mir einfach nicht vorstellen konnte, noch ein weiteres Jahr so etwas durchzustehen.»
«Ich werde euch vermissen»
Später an diesem Nachmittag verliessen seine Eltern das Haus, um eine Besorgung zu machen. Dave ging zurück in sein Zimmer, holte ein Stück Papier und einen Stift und schrieb auf: «Mama und Papa, ich liebe euch. Ich werde euch vermissen.» Und er zeichnete ein stirnrunzelndes Gesicht, an dem Tränen herunterliefen.
«Dann ging ich in das Zimmer von Mama und Papa und schloss die Tür ab. Meine anderen Geschwister waren in einem anderen Teil des Hauses. Ich hielt den Zettel hoch, holte die Pistole meines Vaters und war buchstäblich zwei Sekunden davon entfernt abzudrücken, als ich hörte, wie sich die Haustür öffnete und Mama und Papa nach Hause kamen. Es war etwas früher, als ich erwartet hatte. Sie gingen den Flur entlang und klopften an die Tür. In der Zwischenzeit wuselte ich herum, um alle Sachen wieder zusammenzusuchen. Ich drehe den Zettel nach unten. Schliesslich liess ich sie herein, und sie fragten mich: 'Dave, was hast du hier drin gemacht, während die Tür verschlossen war?' Und ich war still...»
Tränen und Gebet
Seine Mutter fand das Stück Papier auf dem Boden und drehte es um. Und zu ihrem Entsetzen sah sie, was auf der anderen Seite geschrieben stand. All seine Gefühle kamen wieder hoch, Dinge, die er nicht offen ausgesprochen hatte. «Wir haben einfach geweint und zusammen gebetet.» Dave wurde sofort aus der Schule genommen und per Homeschooling unterrichtet.
Sie brachten ihm bei, wie wichtig es ist, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist, und welche Identität man in Jesus Christus hat. «Und sie benutzten das Beispiel von Paulus und dem Dorn in seinem Fleisch in der Bibel. Als Paulus Gott dreimal darum bat, ihn zu entfernen, lautete Gottes Antwort jedes Mal: 'Meine Gnade reicht für dich aus. Meine Kraft wird durch deine Schwachheit offenbar.' Und aus irgendeinem Grund blieb das bei mir hängen.»
Zuflucht in Musik
Wenn er singt, sind die Tics und das Tourette-Syndrom wie nicht vorhanden. «Für mich war es eine Art Zufluchtsort, ein Trost, einfach singen zu können, ohne dass es mich beeinträchtigt. Da ich das ohnehin gerne tue, war es umso besser. Ich war in der Schulband, in der Junior High und High School, und auch im Chor. Und die Leute haben gut darauf reagiert, und es war grossartig.»
Aufs College wollte er nicht gehen. «Also bin ich zweieinhalb Stunden von meiner Heimatstadt weggezogen und habe drei Jobs gehabt, um über die Runden zu kommen. Die Dinge liefen nicht gut.» Dann aber erhielt er ein Vollstipendium für ein Gesangsstudium, «um im College in einem Männer-Trio zu singen. Ich war vier Jahre lang Teil dieser Gruppe und machte 2004 meinen Abschluss in Religion.»
Als er 2008 mit dem Studium fertig war, wollte er die Musik zu seinem Beruf machen, was zunächst nicht gelang.
«Hast du schon an 'American Idol' gedacht?»
Zu dieser Zeit fragte ihn sein Vater: «Hast du schon mal daran gedacht, bei 'American Idol' mitzumachen?» Das hatte er schon, doch nun darauf angesprochen, schickte er sich an, dies auszuprobieren.«Ich bin allein siebeneinhalb Stunden nach Dallas, Texas gefahren und habe dort in der Schlange geschlafen, um vorzusprechen. Es war ein verrückter Casting-Prozess. Das erste Vorsingen erfolgte im Juni und die nächste Runde war dann im Juli.» Im August erfuhr er, dass er mit dabei ist.
«Wir waren 180 Kandidaten und ich schaffte es unter die besten siebzig, wurde dann aber aus der Gruppenrunde ausgeschlossen. Aber es war eine tolle Erfahrung. Bei einer Show dieses Kalibers dabei zu sein, macht einen demütig. So viele Leute, mit denen ich vorgesungen habe, waren genauso gut oder besser als ich. Es war also wirklich nur Gottes Gunst, dass ich bei einer solchen Show mitmachen konnte. Ich war also sehr, sehr dankbar.»
«Du bist mutig»
Während er in der Show war, war Neil Patrick Harris einer der Gastjuroren. «Er sagte zu mir, er fände es 'enorm mutig, vor dreissig bis vierzig Millionen Menschen mit Tourette aufzutreten'. Und so beschloss ich nach der Show 2010, meine Karriere voranzutreiben und zog nach Nashville, Tennessee. Ich setzte mich mit Steven Dow zusammen und schrieb einen Song namens 'Crazy Brave', welcher der Titelsong meines Albums 'Crazy Brave' wurde. Damit waren wir etwa dreieinhalb Jahre lang auf Tournee, und es war erstaunlich, welche Möglichkeiten Gott mir zu diesem Zeitpunkt eröffnete.»
Dave Pittman nahm viele Termine in Schulen wahr. «Viele Schulen im ganzen Land baten mich, zu ihnen zu kommen und meine Geschichte zu erzählen, wie ich Hindernisse überwunden hatte.»
Er erinnert sich an einen Schüler der Junior High, «einen Jungen, der auf mich zukam, nachdem ich meine Geschichte in seiner Schule erzählt hatte. Und er sagte: 'Weisst du, zwei Tage bevor du kamst, wollte ich mir auch das Leben nehmen. Und meine Freundin hat mich ermutigt, das nicht zu tun, sondern einfach noch ein bisschen durchzuhalten.'» Und dann kam Dave und erzählte seine Geschichte. Das hatte dem Jungen geholfen.
Dave wurde zur Hilfe für viele
«Ich kann nicht an den Händen abzählen, wie viele Menschen selbstmordgefährdet waren. Aber weil ich gekommen bin, hat sich ihre Sichtweise geändert.» Rund dreieinhalb Jahren arbeitete er vierzehn, achtzehn Stunden pro Tag, er war erschöpft und ausgebrannt, «also beschloss ich, eine lange Pause einzulegen».
Das war im Jahr 2013. «Ich vertiefte mich in Gottes Wort, wie ich es nie zuvor getan hatte. Ich begann einfach zu lesen und Gott noch besser kennenzulernen. Irgendwann während dieser Pause habe ich meine wunderschöne Frau Chelsea geheiratet. Und nachdem wir verheiratet waren, fingen wir an, über Album Nummer zwei zu reden.»
Fragen dürfen gestellt werden
Dave Pittman hält fest: «Ich denke, es ist in Ordnung, nach dem Warum zu fragen, denn Hiob tat es. Wenn wir uns Hiob in der Bibel ansehen, fragt er Gott auch: 'Warum? Warum passiert mir das?'»
Es gehe darum, die Fragen zu stellen und gleichzeitig darauf zu vertrauen, dass Gott einen Plan hat – einer seiner Lieblingsverse ist Römer Kapitel 8, Vers 28, wo steht: «Das eine aber wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum Guten. Dies gilt für alle, die Gott nach seinem Plan und Willen zum neuen Leben erwählt hat.»
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Autor: Jesus Calling / Daniel Gerber
Quelle: Jesus Calling / gekürzte Übersetzung: Livenet
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