Schweinerei
Wunder oder Satire? Die Heilung eines Besessenen
«Was können denn die Tiere dafür», mag man denken, als Jesus Dämonen austreibt und sie in Schweine hineinfahren lässt. Doch vieles spricht dafür, dass der Evangelist Markus damit auch eine Satire auf die Römischen Besatzer geschrieben hat.
Manche Erzählungen in der Bibel lassen uns nach dem Lesen mit einem erstaunten «echt jetzt?» zurück – jedenfalls wenn wir sie das erste Mal hören. Dazu gehört auch diejenige vom Besessenen aus Gerasa, den Jesus heilt. In der Gegend von Gerasa, auf der von Israel abgewandten Seite des Sees Genezareth, hielt sich ein Besessener in leeren Grabhöhlen auf. Regelmässig verletzte er sich selbst und andere. Als er Jesus begegnete, schrie er auf und bat ihn: «Quäle mich nicht!» Der Mann war von vielen unreinen Geistern besessen, die sich «Legion» nannten. Jesus befahl ihnen zu gehen, erlaubte ihnen aber, in eine riesige Schweineherde zu fahren, die sich daraufhin in den See stürzte und ertrank. Der betroffene Mann wurde frei und war anschliessend wieder «bekleidet und vernünftig». Die gesamte Geschichte findet sich bei Markus, Kapitel 5, Vers 1-20.
Dahinter steckt mehr
Viele Theologen tun sich schwer mit dem Inhalt der Erzählung. So bezeichnete Hermann Gunkel sie 1926 als ein «nicht ohne Humor erdichtetes Zaubermärchen». Doch die biblischen Wunderberichte werden nicht als phantastische Geschichten vorgestellt, sondern sollten die Macht von Jesus untermauern, und genau das taten sie von Anfang an. Wenn gerade Markus in den ersten Kapiteln seines Evangeliums ein Wunder nach dem anderen erzählt, dann geht es ihm nicht nur darum zu zeigen, dass Menschen gesund wurden, sondern besonders darum, dass Jesus Autorität über Krankheit, Not und böse Mächte hatte.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Geschichten nicht auch noch eine zusätzliche Ebene enthalten können. Und gerade die vom besessenen Gerasener enthält einige Elemente, die auffällig sind: dass die genannten Geister nicht nur in der Anzahl einer normalen römischen Legion auftraten, sondern sich auch noch so nannten – es ist übrigens die einzige Erwähnung dieses Begriffs in der Bibel. Könnte er sich auch auf tatsächliche römische Soldaten beziehen?
Versteckte Kritik
Eine direkte Kritik an den Machthabern oder der römischen Besatzung kostete oft das Leben, doch Markus scheint hier anzudeuten, dass die römischen Besatzer («Legion») wie eine «Besessenheit» sind. Sie verletzen, versklaven, treiben Menschen in den Untergrund («Grabhöhlen»), töten sie oder zwingen sie zur Kollaboration. Andere machen durchaus ihre Geschäfte mit der Situation und beteiligen sich dadurch an der Unterdrückung («Schweinehirten»). Sicher lässt sich hier nicht alles übertragen – es geht mehr darum, dass Markus ein Bild zeichnet, das die Menschen damals bereits aus ihrer Lebenswirklichkeit heraus verstanden.
Und sie verstanden die Hinweise auf die Römer durchaus. Interessanterweise war die Legion, die damals im Land stationiert war, die 10. Legion, die «Legio Decima Fretensis», und das Feldzeichen dieser Soldaten war ein Eber. 2'000 Schweine, in die eine «Legion» an Geistern fährt, und die daraufhin aus dem Land verschwinden, sind also eine verständliche Botschaft, die über die persönliche Befreiung eines Einzelnen weit hinausgeht.
Jesus ist stärker
In der Kombination von persönlicher und politischer Ebene liegt eine besondere Dynamik. Markus unterstreicht, dass Jesus fähig ist, jedem Einzelnen aus seiner prekären Situation herauszuhelfen. Sein Ziel ist es, dass Menschen frei werden und dabei zu sich selbst und zu Gott finden. Durch den Glauben erleben Menschen innere Freiheit, finden heraus aus selbstzerstörerischen Prozessen, werden heil, finden ihre eigentliche Identität und ein neues Zuhause – frei von jeder Besessenheit.
Gleichzeitig antwortet Markus mit seiner Geschichte auf die Frage, ob so etwas auch für Zeiten gilt, in denen ganze Völker versklavt und in Kriege hereingezogen werden – seien es Juden damals oder Ukrainer heute. Seine Antwort, ob Gott dazu fähig ist, hier Freiheit zu ermöglichen und Frieden zu schaffen, auch ohne Krieg oder gewalttätigen Widerstand, ist eindeutig: Er kann ganze Legionen ins Wasser werfen – und seien es römische Eliteeinheiten im Zeichen des Schweines.
Wie alle Wunder von Jesus lässt sich auch dieses nicht in dem Sinne instrumentalisieren, dass er unter bestimmten Voraussetzungen einfach handeln muss. Diese Spannung bleibt erhalten. Schon damals hat ein Blinder das Augenlicht zurückerhalten und ein anderer nicht. Und bis heute wächst in der einen Situation auf wunderbare Weise Frieden und Freiheit und in der anderen nicht. Dies können wir aus unserer Perspektive nicht abschliessend klären, aber wir können auf den Gott vertrauen, der Frieden und Freiheit will – der sie letztlich umsetzen wird und sie auch durchsetzen kann. Dafür ist eine bösartige «Legion», die über die Klippe ins Wasser springt, ein eindrückliches Bild.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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