Geschieden und Wiederheirat

«Mit einem Wunder muss man leben lernen»

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Matthias Wenk (Bild: zVg)
Als seine Eltern sich scheiden liessen, brach für den damals 6-jährigen Matthias Wenk eine Welt zusammen. Doch dadurch fand die ganze Familie zu Jesus und tatsächlich passierte das Wunder der Wiederheirat. Damit war aber noch lange nicht alles gut.

«Als ich sechs Jahre alt war, brach für mich eine Welt zusammen: Meine Eltern haben sich getrennt», schreibt Matthias Wenk in einem Blogbeitrag der BewegungPlus Burgdorf.

Durch diese Krise fand zuerst seine Mutter zu Gott, und einige Zeit später auch die drei Brüder: «Uns beeindruckte, wie sie mit der Situation umgegangen ist, und dass sie durch den Glauben eine versöhnliche Haltung gegenüber unserem Vater einnehmen konnte.» Damals schlossen sie sich der ETG Gemeinde in Horgen an, die sich jeweils in einem Bauernhof direkt hinter ihrem Haus traf. «Die Gottesdienste waren langweilig, als Elfjähriger verstand ich so gut wie nichts, aber ich liebte es, dort zu sein.»

«Die Gemeinde wurde zu meiner Familie»

«Jeden Sonntag ass man gemeinsam, dann am Nachmittag, nach einem weiteren Gottesdienst (diesmal mit Kinderstunde), gab es immer ein Zvieri, und später wurden wir sicher von jemandem eingeladen.»

Auf die Frage, wie diese Gemeinschaft ihn geprägt habe, meint er: «Seit diesen Tagen leitet mich das Bild der Gemeinde als Familie, und wie in jeder Familie sucht man sich die Angehörigen nicht aus, sondern wird in sie hineingeboren. Und wie in jeder anderen Familie gibt es ganz unterschiedliche Familienmitglieder: inspirierende, schrullige, alte, junge, nervige, unbekümmerte etc. Man rümpft zuweilen mal die Nase über dieses oder jenes Mitglied, und wie in jeder anderen Familie sind die meisten hier ganz normale Menschen – genau wie ich auch.» Aussergewöhnlich an der Gemeinde fand er schon damals, dass Gott von ihr sagt: Diese Gemeinde (und zwar die reale, nicht die ideale) ist meine Familie!

Das grosse Fest

Nach etwa acht Jahren geschah etwas Unglaubliches: Sein Vater wurde von einem Geschäftsfreund an ein Treffen der christlichen Geschäftsleute eingeladen – und seine zweite Frau, Hildy, bekehrte sich! Kurz danach auch der Vater. «Nie werde ich vergessen, als die beiden an einem Abend anriefen und sich zuerst bei unserer Mutter, und dann bei jedem von uns Söhnen entschuldigten. Es kam zu einer Versöhnung, und von da an feierten wir jedes Jahr zusammen Weihnachten.» Dann starb Hildy an Krebs; Matthias und seine Mutter waren bis zur letzten Sekunde bei ihr am Krankenbett.

Nach zwölf Jahren passierte schliesslich das nächste Wunder: Die Eltern heirateten wieder! «Dieser Tag war für alle ein Tag des Glücks und der grossen Freude. Auch die Gemeinde freute sich mit der wiedervereinten Familie. Danach wurden meine Eltern oft eingeladen, um unsere Familiengeschichte zu erzählen.»

Jedoch sei mit einem Wunder nicht alles getan, gibt Matthias Wenk in einem Video der Gemeinde zu bedenken, denn der Familienalltag fing mit dem Wunder erst an. «Manchmal, wie im Fall meiner Eltern, muss man lernen, mit einem Wunder zu leben.» Nach zwölf Jahren der Trennung gebe es einiges aufzuarbeiten, um wieder in einer gesunden Beziehung leben zu können. Seine Eltern mussten viel in ihrem Leben anpassen und Kompromisse eingehen. Sie mussten den anderen loslassen und sich dann wieder auf ihn einlassen. Dies sei über eine sehr lange Zeitspanne geschehen, nicht einfach über Nacht.

Was folgt auf ein Wunder?

Für die Gemeinde sei dieser Prozess dann allerdings nicht mehr so interessant gewesen. Mit den neuen Fragen der Anpassung und des Wiederaufbaus habe sich die Familie oft allein gefühlt. Für die Aussenwelt sei vor allem das Spektakuläre im Vordergrund. Er ist sehr dankbar, wie Gott in seine Familie eingegriffen hat, aber «ich weiss, dass mit dem Wunder noch lange nicht alles geklärt ist. Man muss damit leben lernen. Ich wünsche mir eine Kultur, in der wir Menschen begleiten, die ein Wunder erlebt haben und ihnen dann helfen, im Alltag zurecht zu kommen.»

Zudem wünscht sich Matthias Wenk, dass in Gemeinden spektakuläre Ereignisse nicht überbewertet und gegen das Stetige und Prozesshafte ausgespielt werden. «Wunder sind keine Marketingstrategie Gottes, sondern Zeichen seines Reiches unter uns. Ein weiteres Anliegen von mir ist, dass der Mythos, dass mit einem Wunder alles gut sei, aufgelöst wird. Oft beginnt der Alltag erst – und den müssen wir dann ganz normal leben. Und als Drittes: Im Gottesdienst und in den christlichen Medien nicht nur Erfolgsstorys erzählen, sondern auch das Scheitern, das Gebrochene würdigen und zur Sprache bringen. Wie Menschen mit ihrer Gebrochenheit umgehen, ist oft mindestens so beeindruckend, wie irgendeine Erfolgsgeschichte.»

Als aktives Gemeindemitglied könne man zudem auch immer wieder nachfragen, wie es den Betroffenen geht und solle verstehen, dass auch nach einem Wunder nicht immer alles gut ist.

Zur Webseite:
Blog Bewegungplus Burgdorf

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Datum: 25.02.2022
Autor: Hanna Krückels / Matthias Wenk
Quelle: Livenet

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