Young Leaders to Israel #2
Wenn die Raketen kommen
Den Gazastreifen kennen die Schweizer Pastoren und Leiter, die momentan in Israel unterwegs sind, nur aus den News. Doch nun standen sie plötzlich selbst in einer Distanz von ein paar Hundert Metern zu diesem umkämpften und komplett abgeriegelten Gebiet am östlichen Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten – einer von ihnen war Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich.
Ganz in der Nähe des Ortes, wo Mitte Woche noch Raketen einschlugen, traf die Reisegruppe aus der Schweiz Zion, den Sicherheitsverantwortlichen der Region. Er berichtete von der jüngsten Eskalation. Nachdem militante Palästinenser Raketen auf israelische Grenzorte gefeuert hatten, reagierte Israel mit einigen Attacken auf Hamas-Einrichtungen. «Im Vordergrund steht für uns immer die Frage, wie wir uns schützen können, aber manchmal müssen wir auch antworten», berichtet Zion Ben-Hanan. Er selbst habe mal erlebt, wie eine Rakete zehn Meter neben ihm eingeschlagen habe. Nur dank eines Baumes, der zwischen ihm und dem Ort der Explosion stand, sei er nicht getroffen worden. Das Leben hier sei schwierig. «Wir versuchen, einfach stark zu bleiben.»Studentenleben in ständiger Alarmbereitschaft
Bereits kleine Kinder ab fünf Jahren kennen im Grenzgebiet des Gazastreifens die strikte Regel, bei einem roten Alarm innerhalb von 15 Sekunden einen Schutzbunker aufzusuchen oder sich – wenn kein Gebäude in der Nähe ist – flach hinzulegen. Der 23-jährige Jurastudent Yoav Bowman bestätigt dies kurz darauf. «Die meisten Tage bei uns sind wie bei euch in der Schweiz. Wir haben Vorlesung, sitzen zusammen wie jetzt im Gras und plaudern über Gott und die Welt – aber alles ändert sich schlagartig, wenn die Raketen kommen.» Auf dem Areal des Sapir Colleges sind sowohl Studenten als auch Schüler der untersten Stufen anzutreffen. Auf die Kleinsten richte er im Moment des Alarms natürlich das Hauptaugenmerk, so der Sohn eines jüdischen Rabbis: «Bei einem Alarm sagen wir Älteren uns jeweils einfach ‘sei stark und schau zu den Kindern!’ Das ist nicht einfach, da man selbst auch Panik hat.» Viele Kinder seien daher auch in psychischer Behandlung. Einige machen noch als Teenager ins Bett.«Es trifft uns alle»
Dieses enge Zusammenstehen, ds Zusammenhalten sei vielleicht etwas Gutes, das dieses Leben in ständiger Gefahr mit sich bringe. «Es trifft uns alle», sagt Yoavs Mitstudent Matahya dazu, und führt den Gedanken noch weiter aus: «In den Sozialen Medien werden oft blöde Witze gemacht, manchmal ist man auch fies gegen einzelne vom Campus. Aber wenn die Raketen fallen, dann umarmen wir einander, egal ob Jude, Araber, Beduine oder was auch immer – es trifft uns alle.»
Auch für Lita Leon, eine 24-jährige Studentin, die ebenfalls Rechtsanwältin werden möchte, ist diese Bedrohung eine grosse Belastung. «Ich habe diese Uni gewählt, weil sie gut ist und weil ich sie mir leisten konnte. Aber ganz ehrlich: Meine Kinder möchte ich hier nicht aufwachsen sehen.» Sie wollten doch eigentlich alle nur ein normales, friedliches Leben führen, sagt Lita.
Perfide Kampfführung mit Drohnen und Kuscheltieren
Eine Verbesserung der Situation im Gazastreifen ist leider nicht absehbar. Dies zeigen die Fakten, die der Sicherheitschef Zion Ben-Hanan präsentiert hat, ganz klar. Allein in den letzten zwei Wochen seien rund 400 kleine Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden, welche meist vom israelischen Abwehrsystem «Iron Dome» (Eisenkuppel) abgefangen werden konnten.Hinzu kämen neue, perfide Attacken mit Drohnen, die Kuscheltiere über den Grenzzaun transportieren, in denen Bomben versteckt sind. Auch hier seien Kinder besonders gefährdet. Eine neue Taktik sei auch, Felder in Brand zu stecken, um so ganze Ernten zu zerstören, so Ben-Hanan. Die terroristischen Organisationen suchen immer wieder neue Wege, Israel zu schaden, sodass der Sicherheitsverantwortliche wohl noch lange nicht ruhig schlafen kann – ebenso wie der Rest der Bevölkerung im Grenzgebiet zum Gazastreifen.
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet
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