Gebet verändert
Bolivien: Umstrittenes Gesetz zurückgenommen
In den letzten Wochen war die Situation in Bolivien aufgeheizt: ein neues verschärftes Strafrecht brachte die Menschen zu Tausenden auf die Strasse. Am 21. Januar fand ein landesweiter Gebetstag statt – und bereits am Morgen kündigte Präsident Evo Morales an, das Gesetz zurückzunehmen.
Seit Anfang des Jahres waren in Bolivien die Menschen auf die Strassen gegangen. Es kam zu Generalstreiks und Strassenblockaden. Worum ging es? Thomas Litz, Jurist und Mitarbeiter der DMG (Deutsche Missionsgemeinschaft) in Brasilien, erklärt: «Es handelt sich um das Gesetz 1005, das am 15. Dezember 2017 verabschiedet wurde und ein neues Strafgesetzbuch in Bolivien einsetzt. (…) Es sind nicht nur die Christen, sondern ganze Teile der Bevölkerung, die sich grosse Sorgen machen, weil das Gesetz in manchen Fällen Folter rechtfertigt. Es gibt Strafen für Leute, die sich gegen die Regierung aussprechen, Strafen für Demonstrationen gegen die Regierung; konservative Teile der Bevölkerung sind bestürzt, dass Abtreibung, Mehrehe, Drogenkonsum und aktive Sterbehilfe entkriminalisiert werden.»Die Ärzte gingen zuerst auf die Strassen und reagierten mit einem Ärztestreik, weil ärztliche Fehler mit drakonischen Gefängnisstrafen belegt werden sollten.
Einschränkungen für Christen
Christen waren besonders erschrocken über den Paragrafen 88, der besagt: «Es wird mit Freiheitsstrafen von 7 bis 12 Jahren und mit Geldstrafen die Person bestraft, die selbst oder durch Dritte andere Personen mit einem der folgenden Zwecke aufnimmt, empfängt, transportiert, vermittelt usw: Personen für die Teilnahme an bewaffneten Konflikten oder in religiösen Organisationen zu rekrutieren.» Mit den gleichen Strafen werden diejenigen bedroht, die zum oben genannten Zweck «Häuser, Gebäude oder Einrichtungen finanzieren, fördern, vermieten … worin diese Aktivitäten stattfinden.» Unter der Überschrift «Trata de Personas» soll jede Beeinflussung von Menschen gegen ihren Willen verhindert werden. Die offene Formulierung und die Tatsache, dass religiöse Gruppen mit bewaffneten Banden gleichgestellt werden, erregte Besorgnis und Ärger unter den Kirchen. Der Artikel enthält die Möglichkeit dramatischer Einschränkungen der Religionsfreiheit.
Protest, Gebet – und Erhörung
Christen gingen in den grossen Städten zu Zehntausenden auf die Strasse; die Evangelische Allianz Südamerikas drückte in einem offenen Brief an Präsident Morales ihre Besorgnis aus, und für das Land wurde für den 21. Januar ein nationaler Gebetstag ausgerufen. Die Gebetsinitiative war durch die DMG auch in Deutschland aufgenommen und verbreitet worden.
Noch am Sonntag kippte Präsident Evo Morales das neue umstrittene Strafgesetzbuch mit den Worten: «Wir haben beschlossen, das neue Strafgesetzbuch aufzuheben, um Verwirrungen zu vermeiden, damit die Verschwörungstheorien enden, die das Land destabilisieren wollen.» So Evo Morales in einer Twitter-Nachricht vom 21. Januar. Das neue Strafgesetzbuch sollte das bisherige aus der Zeit des Diktators Banzer ersetzten. Laut Morales war das bisherige Strafgesetzbuch lediglich eine Kopie aus Europa und den USA. Er twitterte: «Wir bedauern, (…) dass die Normen zugunsten der Menschen nicht angenommen wurde.» Evo Morales, der indigener Abstammung ist, verfolgt seit Amtsantritt eine Politik, die auf indigener Tradition und Weltanschauungen, vor allem auf der Religion der «Mutter Erde» beruht. Trotz des Desasters in Venezuela ist das Land (zusammen mit Kuba) ein Vorbild für Morales.Wiederwahl?
Präsident Morales hat nach neuesten Erhebungen nur noch 39% Rückhalt in der Bevölkerung, 59% sind gegen ihn. Obwohl das Volk eine weitere Amtszeit als Präsident per Abstimmung ausgeschlossen hat, will er im nächsten Jahr wieder zur Wahl antreten. Es ist noch unklar, ob die Rücknahme des umstrittenen Gesetzbuches eine Niederlage für Morales ist, die sein politisches Ende einleitet – oder aber ein Schachzug, um sich Popularität zu sichern. Sicher ist eins: Bolivien, mit seinen 11 Millionen Einwohnern, bleibt ein Gebetsanliegen.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Deutsche Missionsgemeinschaft
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