Keine Rache geplant
Ägyptische Christen wollen Hass keinen Raum geben
Die Kopten trauern um die 21 getöteten Mitchristen. Auch mitten in ihrem Leid wollen sie dennoch keine Rache. Einer der Ermordeten war während der Zeit in Gefangenschaft Vater geworden. Er hat seine Tochter nie gesehen.
Wenige Tage vor der Bluttat hatten die Geiselnehmer die Personalausweise der Gefangenen überprüft, um sicherzugehen, dass es sich um Christen handelte.
Vater sah Tochter nie
Mindestens 13 der ermordeten Kopten stammen aus Samalout (auch Samalut). Estafanous Shehata, Priester der Mar-Marcos-Gemeinde in Samalout, erzählte «Open Doors»: «Unser einziger Trost ist, dass unsere 21 Märtyrer jetzt bei unserem Herrn Jesus Christus sind. Wir bitten um Trost für ihre Familien und unsere Lieben.»
Einer der Männer, Lucas Nagaty Anis (27), bekam seine Tochter nie zu sehen, die geboren wurde, als er in Libyen war. Sein Bruder sprach mit «Open Doors» darüber, wie schockiert sie waren, als sie die Nachricht erfuhren: «Meine Mutter wurde ohnmächtig und im ganzen Haus wurde geweint.»
Ein Einwohner des Dorfes Al-Our hat zwei Brüder verloren. «Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass ich sie nie mehr wiedersehen werde. Sie wurden getötet, weil sie Christen waren ... Sie sprachen den Namen von Jesus Christus aus, bevor sie hingerichtet wurden.»
Schlaglicht auf Al-Azhar
Die Hinrichtungen entfachen nun heftige Debatten innerhalb der Zivilgesellschaft, welche begonnen hat, die extremistische wahabitische und salafistische Theologie offen zu verurteilen. Diese wird auch in Ägyptens führendem islamischen Lehrinstitut, der Al-Azhar-Universität, gelehrt. Wenige Stunden nach Ausstrahlung des IS-Videos erklärte der ägyptische Journalist Ibrahim Eissa in seiner Talk-Show: «Die Tötung von Kopten in Libyen ist eine Ernte der Dornen, die vor 40 Jahren mit den Ideen des politischen Islams gepflanzt wurden.» Eissa sagte, das IS-Massaker basiere unleugbar auf der religiösen Ideologie, die in den Schulen Ägyptens und in der Al-Azhar-Universität gelehrt werde.
Al-Azhar bezeichnete die Morde in Libyen schnell als «barbarisch», doch Kritiker weisen darauf hin, dass sich die Vertreter der Lehranstalt im Dezember auf einer internationalen Konferenz zu Extremismus und Terrorismus geweigert hatten, IS-Kämpfer als «Ungläubige» zu bezeichnen.
Präsident al-Sisi zeigt Solidarität
Präsident Abd al-Fattah al-Sisi verhängte eine siebentägige Staatstrauer. Die damit verbundene Botschaft ist für Ägypten alles andere als selbstverständlich: Christen sind vollwertige ägyptische Bürger. Die Saat des Hasses und der Spaltung der ägyptischen Gesellschaft zwischen Muslimen und Christen soll nicht aufgehen.
Er hatte bereits am 6. Januar 2015 durch den Besuch eines Weihnachtsgottesdienstes der koptischen Kirche in Kairo eine ungewöhnlich deutliche Solidarität zu den Christen im Land gezeigt (Livenet berichtete).
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / Open Doors
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