Kopten unterrepräsentiert
Politischer Islam bleibt in Ägypten bestimmend
In der ägyptischen Übergangsregierung ist die Beteiligung der Kopten kleiner als erwartet und die Präsenz von Islamisten grösser als angenommen.
«Gut Ding braucht Weile» bzw. auf Arabisch «As-Sabr taijib» kommentiert die Kairoer Donnerstag-Zeitung Achbar Al-Jom (Neues vom Tage) die Zusammensetzung der neuen ägyptischen Regierung. Seit Tagen bemühte sich der designierte Ministerpräsident Hazem al-Beblawi um die Bildung eines Kabinetts, das möglichst alle politischen Strömungen repräsentiert und nach den zweieinhalbjährigen Wirren des so genannten Arabischen Frühlings und der reaktionären Herrschaft der Muslimbrüder in eine wirklich demokratische Zukunft zu führen vermag.Kopten müssten fünf Sitze erhalten
In Beblawis Regierung sitzen Vertreter fast aller politischen Richtungen, die 2011 gemeinsam das autoritäre Regiment von Präsident Mubarak gestürzt hatten, dann aber selbst wieder von der Muslimbruderschaft ausgeschaltet worden waren. Allerdings klagen Ägyptens koptische Christen doch darüber, dass sie bei der Regierungsbildung zu wenig berücksichtigt wurden. Zunächst liegt die Zahl der Kopten als Minister mit drei von 35 unter ihrem Anteil an der ägyptischen Bevölkerung: Es würden ihnen wenigstens fünf Regierungsposten zustehen.
Nur ein wichtiges Ministerium
Davon abgesehen hat nur ein prominenter Kopte ein halbwegs bedeutendes Ministerium erhalten: Industrieminister ist jetzt Munir Fachri Abdel-Nur. Der 68-jährige Unternehmer gehört dem Nationalen Menschenrechtsrat an. Er war Generalsekretär der Wafd-Partei, die sich um christlich-islamische Annäherung und Zusammenarbeit bemüht. Der andere Minister koptischer Herkunft, Ramzi George, hat nur das nebensächliche Ressorts für wissenschaftliche Forschung erhalten. Er war, abgesehen von seinem Taufschein, weder im kirchlichen Leben noch als Verteidiger der ägyptischen Christen hervorgetreten.
Mit der Koptin Laila Rasched Iskandar ist immerhin eine christliche Frau in die Regierung gekommen. Sie hat sich in der Vergangenheit durch ihren Einsatz für die Kairoer «Müllmenschen» ausgezeichnet: Arme Christen aus Oberägypten, die mit Eselskarren die Abfälle der Zehn-Millionenstadt zu Müllhalden transportieren. In deren stinkendem, bakterienüberfluteten Grauen müssen sie auch leben; es sei denn, sie treten zum Islam über und bekommen sofort bessere Arbeit und Wohnung. Ihre «Mutter» Laila Iskandar erhielt jetzt allerdings «nur» das Umweltressort. Das hat in Ägypten kaum mehr als eine Alibi-Funktion.
Islamisten stark vertreten
Hingegen wird diese «Regierung des demokratischen Übergangs» weitgehend von politislamischen Kräften dominiert. Zwar hält die geistliche Führung der Muslimbruderschaft weiter ihrem am 3. Juli gestürzten und seither inhaftierten Präsidenten Muhammad Mursi die Stange. Während aber ihre Anhänger jetzt Tag für Tag gegen die neue «Putsch-Regierung» demonstrieren, haben sich ein halbes Dutzend von Mursis Ministern in die neue Regierung hinübergerettet!
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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