Opfer der Muslimbrüder
Ägyptens neue Ordnung lässt zu wünschen übrig
In Ägypten beglückwünschten sich schon den zweiten Sonntag die koptischen Kirchgängerinnen und Kirchgänger zur Absetzung des Muslimbrüderpräsidenten Mursi vom 3. Juli mit dem traditionellen Segenswunsch «Mabruk, mabruk!» Doch die Racheakte der entmachteten Muslimbrüder gegen Christen häufen sich.
Es sind in erster Linie die Kopten, die für ihre Beteiligung an der Tamarud-Rebellion von Ende Juni und die Einbindung des Patriarchen Tawadros II. in den frischen Demokratisierungsanlauf zu bezahlen haben. Die Racheakte von Muslimbrüdern und anderen Islamisten richten sich – noch vor dem Militär – gegen die orthodoxen Christen des Landes. Dabei werden die kleineren evangelischen und katholischen Gemeinschaften aber auch nicht geschont. Am schlimmsten ist die Lage im Sinai, wo schon ein Pfarrer erschossen und ein Christ enthauptet wurde. Das berühmte Katharinenkloster am Moses-Berg mit seinen einzigartigen Ikonen- und Handschriftenschriftenschätzen ist seit zwei Wochen belagert. Nur seine festungsartigen Mauern bewahren es – noch – vor der Plünderung und einem Massaker an Mönchen und Touristen.Die «Ägyptische Initiative für Bürgerrechte» (EIPR) bezeichnet den Schutz, den Militär und Polizei den ägyptischen Christen gewähren, als «zu langsam und unwirksam». Im Dorf Dalaga in Mittelägypten wurde die katholische Kirche angegriffen. Als sich dieser Steinbau nicht erobern liess, wandte sich der Islamistenmob gegen das protestantische Gemeindezentrum des Ortes. Es wurde gestürmt und niedergebrannt, ein Gemeindehelfer ermordet und zahlreiche evangelische Christen verwundet. In Port Said am Suezkanal gab es einen Angriff mit automatischen Waffen auf die Mar-Mina-Kirche, zwei Kopten wurden verletzt. Im mediterranen Küstenort Marsa Matruh, nahe der Grenze zu Libyen, wurden der Adhra-Kirche die Fassade demoliert und Fenster eingeschlagen. Eine Liste der Gewalttaten, die sich noch lang fortsetzen liesse.
Aber auch strukturell scheint die neue Ordnung am Nil noch nicht das für die Christen Optimale zu sein. In dem Entwurf einer künftigen Verfassung, den Interimspräsident Adli Mansur vorgelegt hat, wird das islamische Religionsrecht Scharia als Quelle der gesamten Gesetzgebung festgeschrieben. Das war zwar schon seit Präsident Sadat vor 40 Jahren so, doch blieb gleichzeitig Christen und Juden ein Sonderstatus zugesichert. Wie das «Zentrum für die Erforschung des arabischen Christentums» (CEDRAC) weiter berichtet, sind für einen solchen jetzt keinerlei Garantien vorhanden. Entscheidend dürfte im Lauf dieser Woche werden, ob in der bevorstehenden neuen ägyptischen Regierung auch Christen und besonders Christinnen als Minister vertreten sind.
Link:
Meldung auf Tagesanzeiger online: Tödliche Hetzjagd auf Christen in Ägypten
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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