Christen bei Ehescheidung gespalten
Ägypten vor «Herrschaft Allahs»
In Ägypten vollzieht sich mit Ausarbeitung der neuen Verfassung der zweite und entscheidende Schritt des Wandels zu einem vom Islam geprägten Staat. Religion und Recht sowie die Stellung der 15 Millionen Christen wird ausgemacht.
Jetzt wird dazu eine neue Verfassung ausgearbeitet. In den letzten Tagen sind die wichtigsten Entscheidungen über die neue Stellung von islamischer Religion und Recht sowie zur Stellung der etwa 15 Millionen Christen Ägyptens im künftigen Staat gefallen.
Toleranz nur Schein?
Die Muslimbrüder stellen es dabei als Zeichen ihrer Offenheit und Toleranz heraus, dass sie in der Verfassunggebenden Versammlung den Antrag noch radikalerer Gruppierungen, wie der salafistischen «Partei des Lichts», zurückgewiesen haben, welche die totale Einführung des religiösen Islamrechts für alle Staatsbürger forderten, gleich welchen Glaubens. Allerdings wird diese Einschränkung durch die Präambel der neuen Verfassung so gut wie aufgehoben, die besagt, dass «alle Staatsgewalt und alles Recht von Allah ausgehen».
Ägyptens grosse christliche Konfessionen – Kopten, Evangelische und Katholiken – haben sofort gemeinsam gegen diese Grundsatzerklärung protestiert, leider erfolglos.
Offen bleibt vorläufig die Frage nach Anwendung des kirchlichen oder des islamischen Rechtes in den Familien- und vor allem Ehe-Angelegenheiten der ägyptischen Christen. Bisher galt dafür die Praxis, dass kirchlich geschlossene Ehen nur von den Instanzen der jeweiligen Konfession geschieden und aufgelöst werden konnten. Bei den Kopten gibt es so gut wie keine Möglichkeit für eine kirchliche Ehescheidung.
Umstrittener Sonderfall
Eine koptische Laienorganisation «Gruppe 38» fordert daher jetzt im Alleingang die Einführung der Ehe- und Scheidungsbestimmungen des Islams für alle ägyptischen Christen. «Nur so kann das Drama hunderttausender gescheiterter, nur mehr vom kirchlichen Zwang zusammengehaltener Familien beendet werden», erklärte 38-Sprecher Rafik Faruk vor der Verfassunggebenden Versammlung. Der für diese Frage zuständige Muslimbruder Muhammad el-Beltagi hat sich Bedenkzeit erbeten.
In der Zwischenzeit wird der «Gruppe 38» von der koptischen Kirche vorgeworfen, die gemeinsame Front aller Christen gegen ihre Unterwerfung unter das islamische Scharia-Recht verraten zu haben.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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