Ägypten vor den Wahlen
Christen beobachten Veränderungen mit Sorge
Ab Montag, 28. November, sollen in Ägypten die Wahlen beginnen. Die Christen befürchten, noch mehr an den Rand gedrängt zu werden, wenn Muslimbrüder die Wahlen gewinnen sollten. Die Evangelische Allianz hat zur Fürbitte aufgerufen.Die Übergangsregierung schlug Leitlinien für die neue Verfassung vor. Festgehalten würde darin, dass die Christen vor Diskriminierung geschützt werden. Dagegen protestierten laut der «dpa» nicht nur Muslimbrüder sondern auch die radikalen Salafisten sowie die al-Dschama’a al-islamiyya; die einen islamischen Gottesstaat fordert und sich unter anderem zum Anschlag von 1997 in Luxor bekennt.
Auch Liberale demonstrierten, sie wollen verhindern, dass die Armee nach den Wahlen insgeheim an der Macht bleibt. «Viele Kopten haben eine Gefahr gewittert, die von den Muslimbrüdern ausgehen könnte. In den Monaten nach dem Sturz Mubaraks hat sich unsere Situation nicht zum Besseren gewendet: Es ist ein Sicherheitsvakuum entstanden», bilanziert der Kopte Philip Hanna, der in Kairo für das Goethe-Institut arbeitet, in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Und der schweizerisch-ägyptische Autor und Menschenrechtler Medhat Klada erklärt gegenüber «livenet.ch»: «Früher wurde alle paar Wochen ein koptisches Mädchen entführt. Heute geschieht dies jeden Tag.»
Muslimbrüder wollen Scharia behalten
Die «Partei für Freiheit und Gerechtigkeit» der Muslimbrüder gehört zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Unter anderem hält sie am 2. Artikel der Verfassung fest, der die Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung festlegt. Medhat Klada: «Weiter hinten in der Verfassung folgen zwar Passagen, die freiheitlich sind, aber sie werden durch den 2. Artikel aufgehoben.» Dies musste gerade die koptische Minderheit in zahlreichen Gerichtsfällen feststellen.
Zwar sagen hochrangige Muslimbrüder, dass für die Christen keine Probleme entstehen würden, die Kopten halten das aber für reine Taktik, schliesslich wurden sie in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr an den Rand gedrängt, im Parlament und öffentlichen Ämtern ist die Minderheit massiv untervertreten.
Für sie steht bei den kommenden Wahlen am meisten auf dem Spiel. Nach all den Übergriffen und brennenden Kirchen sind die Christen vorsichtig geworden. Letzte Woche wurde beispielsweise ein Schlägertrupp auf christliche Demonstranten gehetzt, knapp 30 Kopten wurden verletzt.
Muslimschwester für Frauen-Beschneidung
Die Muslimbrüder schicken laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) rund 70 Kandidatinnen ins Rennen. Auch das Programm der Schwestern richtet sich gegen den Fortschritt der Frauen- und Kinderrechte.
Azza al-Garf, eine der Kandidatinnen, erklärte in der Tageszeitung «al-Masry al-Youm», sie werde sich im Falle ihres Sieges für die Rücknahme von Gesetzen einsetzen, die «unter Mubarak beschlossen wurden und gegen die Scharia und die menschliche Natur sind». Es geht um ein Gesetz, das Frauen das Recht einräumt, sich unter bestimmten Umständen scheiden zu lassen, das gesetzliche Verbot der Genitalbeschneidung von Frauen und ein Gesetz, das Frauen ermöglicht, ihre Kinder registrieren zu lassen, ohne deren Vater angeben zu müssen.
Eine andere Kandidatin befürwortet die Einführung von islamischen Kleidervorschriften für weibliche Angestellte am Arbeitsplatz – die Koptinnen und liberale Muslime hätten sich also danach zu richten.
«Unvorstellbar brutal»
Laut der Evangelischen Nachrichtenagentur «idea» richten sich die aktuellen Proteste gegen den Obersten Militärrat, der auch im Angriff auf die Kopten am 9. Oktober eine zwielichtige Rolle spielte. Damals wurden knapp 30 Kopten brutal ermordet, manche waren von Panzerfahrzeugen überrollt worden. Pfarrer Axel Matyba von der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Kairo sagte gegenüber «idea»: «Die Brutalität, mit der die Soldaten vorgehen, ist unvorstellbar. So kann man nicht mit Menschen umgehen, die protestieren und andere Meinungen vertreten.»
Weltallianz besorgt
Auch die Weltweite Evangelische Allianz (WEF) ist laut «idea» in grosser Sorge. Die Kopten seien als grösste religiöse Minderheit besonders bedroht. Die WEF ruft zur Fürbitte für den Nilstaat auf: «Betet, dass der Herr diese Nation führt und leitet. Bittet ihn, dass er Führer erwählt, die mit Integrität und Gottesfurcht regieren.»
Webseite:
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch
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