Trump und die Evangelikalen
Wird «evangelikal» zum Unwort des Jahres?
Der Begriff «evangelikal» ist als Selbstbezeichnung innerhalb der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) und bei Freikirchen schon lange umstritten. Nach der Wahl Trumps ist er mega-out.
Trump im Regen – Zeichen des göttlichen Segens
Nehemia und der Mauerbau
Trump hatte noch vor der Amtseinführung eine private Andacht in der episkopalen «Präsidentenkirche» St. John arrangiert, in der Robert Jeffress, Pastor der Megakirche «First Baptist Church» in Dallas, predigte. Dieser hatte im Vorfeld angekündigt, dass er in seiner Predigt Trump mit einem anderen «grossen Führer» – Nehemia – vergleichen werde. Diesen habe Gott vor 2500 Jahren aufgetragen, eine gewaltige Mauer um Jerusalem zu bauen, um die Bewohner zu schützen. Jeffress unterstützt die Pläne Trumps, die Grenze zu Mexiko stärker zu sichern.
Hoffnung auf gottgemässe Agenda
Nach der Wahl von Trump erklärte Tobias Faix, Professor an der CVJM-Hochschule in Kassel, in einem Beitrag auf «Zeit-online» die Motive der evangelikalen Trump-Wähler. Er erwähnte dazu Äusserungen Franklin Grahams, der den Wahlsieg von Trump mit einem «Gott-Faktor» erklärt habe, «der die aktuelle gottlose Agenda überwinden wird». Allerdings hätten immerhin 19 Prozent der weissen Evangelikalen und die meisten schwarzen und lateinamerikanischen Evangelikalen dennoch für Clinton gestimmt, wie es die meisten Christen in Deutschland wohl auch getan hätten.
Braucht das Evangelium die Macht?
Faix stellt aber fest: «Auch wenn hier vieles anders ist und es Evangelikale amerikanischer Prägung kaum gibt, so spaltet die Angst und Sorge um unser Land zunehmend auch hier evangelikale Kreise.» Faix dürfte dabei an die Sympathie auch in evangelikalen Kreisen für die «Alternative für Deutschland» AfD gedacht haben. Denn: «Den Wunsch nach einer 'moralischen Wende' gibt es auch bei konservativen Evangelikalen in Deutschland. Das ist gefährlich.» Und er fragt an die Adresse der deutschen Evangelikalen: «Welche Werte sind wir bereit, für die Macht zu opfern? Was bedeutet uns das Evangelium, und welche Rolle soll es in unserer Gesellschaft spielen?»Der Trump-Faktor als neues Stereotyp gegen Freikirchen?
Es darf uns nicht wundern, wenn den «Evangelikalen» in der Schweiz, worunter besonders die Freikirchen subsummiert werden, in Zukunft neben den bestehenden Stereotypen auch die Trump-Wahl um die Ohren geschlagen wird. Statt nur dagegen zu protestieren, müssen die Hausaufgaben gemacht werden. Die Diskussion um den gesellschaftlichen und politischen Auftrag der Christen wird wieder geführt werden müssen, und es wäre zu hoffen, dass dabei bestehende Mauern zwischen Parteien, die sich als christlich verstehen, abgebrochen werden können. Der Freikirchenverband hat dazu vor zehn Jahren das Positionspapier «Suchet das Wohl des Landes» publiziert, das nun wieder aktueller geworden ist.
Zum Thema:
Generation Y und ihr Glaube: Tobias Faix: «Das Wie ist entscheidend»
Der Christ und die Politik
Dossier Freikirchen-Positionspapier
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet
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