Der Christ und die Politik
"Politik ist ein schmutziges Geschäft", heisst es. Und von schmutzigen Geschäften hält sich ein Christ natürlich fern. Warum auch sollte er sich auf sie einlassen? Heisst es beim Apostel Paulus nicht von den Christen, ihre "Heimat" sei "im Himmel" (Phil. 3,20)? Das hier mit "Heimat" übersetzte Wort heisst genauer "Gemeinwesen, Staat". Der "Staat" der Christen also ist nicht auf der Erde zu finden, sondern im Himmel - da ist unser "Vaterland"! Auf der Erde aber sind wir, so der Apostel Petrus, nichts als "Gäste und Fremdlinge" (1. Petrus 1,1; 2,11) - Ausländer also, wie man heute sagt. Also haben Christen mit den Staatswesen dieser Welt nichts zu tun?
"Politiker" in der Bibel
Nun, ganz so einfach sind die Dinge in der Bibel offenbar doch nicht. Denn von Anfang an hat es Christen gegeben, die in politischer Verantwortung standen. Und nirgends ist angedeutet, dass dies etwas Problematisches sei. Da ist Nikodemus, Mitglied des Hohen Rates (Johannes 3,1; 19,39). Da sind der Minister der äthiopischen Königin (Apostelgeschichte 8,26ff), der römische Befehlshaber Cornelius (Apostelgeschichte 10), der Statthalter von Cypern Sergius Paulus (Apostelgeschichte 13,6ff) oder der athenische Ratsherr Dionysios (Apostelgeschichte 17,34). Sie wurden Christen - und blieben doch in ihren zum Teil wichtigen staatlichen Ämtern. Wie ist das möglich?
Gottes Auftrag
Wir müssen jene biblischen Worte von der Fremdlingschaft des Christen in der Welt sehr ernst nehmen - gerade weil das heute offenbar alles andere als populär und zeitgemäss ist. Wir sollen als Jünger Jesu uns tatsächlich nicht in der Welt so heimisch machen, dass unser Herz an sie mehr gebunden ist als an Jesus und sein Reich (Matthäus 6,24.33; 1. Korinther 7,29-31; 1. Johannes 2,15-17). Und doch dürfen wir darüber nicht vergessen: Die Welt ist Gottes Welt, von ihm gewollt und geschaffen. Sie steht zwar seit dem Sündenfall unter dem Zeichen des Todes und der Vergänglichkeit. Die alte Schöpfung wird einst abgelöst durch die neue (Offenbarung 21,1). Aber noch trägt Gott die Schöpfung durch sein allmächtiges Wort (Hebräer 1,3) und erhält sie. Und so gilt auch und gerade uns Christen nach wie vor der Auftrag, die Erde "zu bebauen und zu bewahren" (1. Mose 2,15) und unseres Mitmenschen "Hüter" zu sein (1. Mose 4,9).
Gebot der Nächstenliebe
Sicher ist richtig: Im Blick auf unseren Mitmenschen, der Jesus nicht kennt und ohne ihn ewig verloren ist, muss unser höchstes und letztes Ziel sein, dass er gerettet wird und zur Erkenntnis der Wahrheit kommt (1. Timotheus 2,4; 2. Petrus 3,8). Aber das kann ja nicht bedeuten, dass uns sein Leben jetzt gleichgültig sein dürfte. Die Liebe zum Nächsten muss vorbehaltlos ihn selbst meinen. Sie darf in ihm nicht nur den möglichen Adressaten des Evangeliums sehen. Ganz unabhängig von der Frage, wie er sich zum Evangelium verhält, habe ich mich ihm ganz, in allen seinen Lebensbezügen, zuzuwenden.
Im schlichten Gebot der Nächstenliebe ist es begründet, dass das Leben unseres Mitmenschen, auch des ungläubigen, uns interessieren muss, auch sein irdisches Wohlergehen. Darin ist aber selbstverständlich auch das gemeinschaftliche Wohl der Menschen eingeschlossen, in deren Mitte ich lebe (und die in vieler Hinsicht auch für mein Leben sorgen!). Deshalb muss die "res publica", deshalb müssen die "öffentlichen Angelegenheiten" auch meine sein.
Engagement der Christen
In welchem Masse sich ein Christ im öffentlichen Leben engagiert, das ist eine andere Frage: eine Frage der Begabung wie der persönlichen Führung. Nur, dass der Christ sich engagieren sollte, und sei es auch nur so, dass er den einfachsten staatsbürgerlichen Pflichten wie dem Zahlen der Steuer oder der Beteiligung an Wahlen und Volksabstimmungen nachkommt, das sollte ausser Frage stehen.
Ebenso klar ist, dass der Christ, je mehr er sich in die Politik hineinwagt, in umso grössere Spannungen hineingerät zwischen den ethischen Massstäben, die für ihn persönlich gelten, und denen, die sonst im politischen Leben üblich sein mögen. "Die Fürsten halten ihre Völker nieder, und die Mächtigen tun ihnen Gewalt" (Matthäus 20,25) - so etwas gibt es natürlich auch in demokratischen Staatsformen. Politik ist wirklich nicht selten ein "schmutziges Geschäft", in dem egoistische Interessen mit fragwürdigen Mitteln durchgesetzt werden. Gerade deshalb sollten Christen dazu beitragen, dies zu ändern. Indem sie auch in der Politik die guten Massstäbe der Gebote Gottes ernst nehmen, können sie als "Salz der Erde" in den politischen Bereich hineinwirken.
Wer aber als Christ für sich selbst keine aktive Aufgabe in der Politik sehen kann, hat zumindest die Pflicht, im Gebet für die einzutreten, die sich in dieses Spannungsfeld hineinwagen: für die Gläubigen unter ihnen natürlich besonders - aber für die anderen kaum weniger (1. Timotheus 2,1-2).
Autor: Helmut Burkhardt
Quelle: Chrischona Magazin
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