Journalismus im Kreuzfeuer
Warum schlechte Nachrichten so beliebt sind
Das Verhältnis der Menschen zu schlechten Nachrichten scheint widersprüchlich: Oft werden sie uns zu viel; wenn sie aber fehlen, vermissen wir sie. Gedanken dazu vom neuen IDEA-Chefredaktor Daniel Rehfeld.
Zwei Drittel meines bisherigen Arbeitslebens habe ich im Journalismus verbracht. Aus meiner Sicht der spannendste Beruf neben dem, den ich erlernt habe. Aber wenn ich ehrlich bin, wurden die Weichen für die Zukunft sprichwörtlich schon während meiner elfjährigen Karriere als Betriebsdisponent bei den SBB gestellt. Einige interessante Begegnungen ereigneten sich nämlich am Bahnschalter und gipfelten schliesslich in einem Interview für eine Zeitung oder Zeitschrift. Hier waren die Menschen bereit, über ihr Leben zu sprechen.
Hat der Journalismus ein Imageproblem?
Trotz meiner Begeisterung, als Journalist zur Meinungsbildung, Aufklärung, Einordnung oder einfach nur Berichterstattung beitragen zu dürfen, werde ich auch immer wieder mit den Schattenseiten dieses Berufs konfrontiert. Einerseits dann, wenn ich auf das Ranking der beliebtesten Berufe blicke und erstaunt feststelle, dass sich Journalisten im hinteren Drittel tummeln – zusammen mit Steuerberatern, Politikerinnen oder Versicherungsvertretern.
Oder, wenn ich erkennen muss, dass sich das Vertrauen in Journalisten in Europa stark unter dem globalen Niveau befindet. Dabei wäre die Glaubwürdigkeit gerade die Währung, um Menschen fair in ihrem Prozess der Meinungsfindung zu unterstützen.
Umso mehr hat mich das Ergebnis der jährlichen Studie «Reuters Institute Digital News Report» beschäftigt, die vor allem zu zwei Schlüssen kam: Erstens werden weniger Nachrichten konsumiert. Und zweitens driften die Interessen von Journalisten und Konsumenten immer mehr auseinander. Studienleiter Nic Newman von der Universität Oxford brachte dieses Ergebnis in kernigen Sätzen auf den Punkt: «Die Themen, die Journalisten für die wichtigsten halten – politische Krisen, internationale Konflikte oder Pandemien – scheinen genau diejenigen zu sein, die auf manche Menschen abstossend wirken.» Das führt dazu, dass die Menschen medienmüde werden, weil sie sich die wiederholten und schlechten Nachrichten nicht mehr antun mögen.
Was wir wissen wollen
Das leuchtet ein. Zumindest was die Nachrichten zu Corona und zum Ukraine-Konflikt betrifft. Es scheint aber nur die halbe Wahrheit zu sein. Wenn ich mir nämlich die verfügbaren Ranglisten der meistgeklickten Artikel bei gewissen Medienhäusern zu Gemüte führe, zeigt sich ein anderes Bild. Dort scheinen alle sehen zu wollen, wie drei Hirtenhunde einen hilflosen Yorkshire Terrier zerbeissen, wie eine österreichische Touristin am ägyptischen Strand nach einer Hai-Attacke verblutet oder weshalb eine ehemalige Miss Schweiz nach der Geburt in eine Depression fällt.
Es liegt offenbar in der Natur des Menschen, dass er zwar keine schlechten Nachrichten mag – und sich dann aber trotzdem daran ergötzt. Wie sonst ist es zu erklären, dass man sich über die Paparazzis ärgert, die Lady Di in den Tod getrieben haben sollen, während man nicht genug über die Einzelheiten des Ereignisses erfahren kann? Oder dass man die Privatsphäre einer ehemaligen Bundesrätin schützen möchte und dennoch detailliert darüber informiert werden will, was ihr Ehemann mit einer häuslichen Attacke zu tun hat. Dies unter dem Vorwand, dass die Bundesrätin schliesslich eine öffentliche Person sei.
Ich möchte mich und meine Zunft gewiss nicht reinwaschen. Vieles wird in Artikeln zugespitzt formuliert und gewisse Details würden gescheiter verschwiegen. Aber solange es ein grosses Bedürfnis für negative oder provokative Nachrichten gibt, werden diese auch nicht verschwinden. Es stellt sich daher sowohl seitens Anbieter wie auch Konsumenten die Frage, wie viele solcher Meldungen nötig sind.
Was ist anders im christlich motivierten Journalismus?
Als Medienschaffender, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten bewusst in christlichen Medienhäusern engagiert hat, orientiere ich mich bewusst an einem konstruktiven Ansatz der Berichterstattung. Mal gelingt mir das besser, mal weniger. Konstruktiv heisst dabei nicht zwangsläufig, unangenehme Tatsachen oder Fakten auszublenden. Missbräuche im Raum der Kirche müssen aufgeklärt werden, heisse ethische Fragen sollen erörtert und theologische Differenzen zur Sprache gebracht werden.
Es stellt sich dabei allerdings die Frage nach dem Motiv und nach dem Mehrwert. Wenn das Aufarbeiten der dunklen Vergangenheit einer christlichen Institution dazu führt, dass solche Fälle in Zukunft entweder verhindert oder zumindest ernst genommen werden, dann sollte dieses Bestreben auch gewürdigt werden. Und wenn eine ehrliche Diskussion unterschiedlicher Positionen in christlichen Fragen nicht gescheut, sondern fair ausgetragen wird, kann dies massgeblich zur Meinungsbildung und dem gegenseitigen Verständnis beitragen.
Meine soeben realisierte Reportage über ein Jungscharlager im Zürcher Unterland hat übrigens so ziemlich alles, was eine spektakuläre Story braucht: eine 10 Meter hohe Arche auf dem Lagergelände, ein anonymer Spender, der das ermöglicht hat – es geht immerhin um 45'000 Franken – und die wachsende Jungschi-Begeisterung, welche die Teilnehmerzahl innert drei Jahren von 12 auf 100 Kinder gesteigert hat. Das beweist: Auch gute Nachrichten können Interesse hervorrufen. Ganz zu schweigen natürlich von der besten Nachricht, die wir als christliches Medienunternehmen verbreiten dürfen.
Zum Originalartikel beim Forum Integriertes Christsein
Zum Thema:
Anti-Freikirchenkampagne: Schweizer Medienmagazin über guten und schlechten Journalismus
Lügenpresse?: Auswege aus der ethischen Krise des Journalismus
Die Debatte: Braucht es einen unabhängigen christlichen Journalismus?
Autor: Daniel Rehfeld
Quelle: Forum Integriertes Christsein
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