Michaela Schneeberger
«Ein Geschenk, dass ich leben darf»
Starke Schmerzen und Unwohlsein prägen über Jahre hinweg den Alltag der Emmentalerin Michaela Schneeberger. Gegenüber Livenet berichtet die dreifache Mutter, wie sie ihr Leben meisterte, bis sie endlich eine Diagnose erhielt.
In all den Jahren war ich bei unzähligen Ärzten und versuchte unzählige Therapien. Niemand konnte mir eine Diagnose für die verschiedenen Symptome stellen. Niemand konnte mir helfen. Niemand konnte mir ein Medikament verschreiben, das mir meine unangenehmen Symptome nahm und mir dadurch den Alltag auch nur ein bisschen erleichterte. Nichts half mir. Oft wusste ich nicht mehr weiter. Oft fühlte es sich so an, als würde ich über meine Grenzen hinaus leben. Immer wieder sagte ich zu mir: «Ich muss wahrscheinlich damit leben lernen und das ist mein Schicksal.»
Schwanger!
Trotz all dieser Umstände entschieden wir uns für Kinder. Es war unser grösster Wunsch, Kinder zu bekommen. Ich war Gott extrem dankbar, dass ich mit meinem «angeschlagenen» Körper schwanger werden konnte und alles funktionierte. Ich ging von folgendem Grundsatz aus: Wenn mein Körper schwanger werden kann, dann werden wir dies als Ehepaar und als Familie auch schaffen. Dann wird uns Gott die nötige Kraft schenken.
Im Jahr 2016, als unser Sohn Elia sechs Monate alt war, hatte ich einen Unfall, bei dem ich mir einen Rückenwirbel brach. Ich musste operiert werden und wir waren einige Wochen auf Unterstützung angewiesen. Dieses Ereignis raubte wieder enorm Kräfte, jedoch kam alles sehr gut. Kurz darauf wurde ich mit unserem zweiten Kind schwanger. Die Symptome blieben. Als Janna knapp zwei Jahre alt war, hatten wir den Wunsch nach einem dritten Kind. In dieser Situation an ein drittes Kind zu denken, das traute ich mich kaum. Ich musste an unser Umfeld denken, was die wohl über uns denken würden, wenn wir uns in unserer schwierigen Situation für ein drittes Kind entscheiden. Matthias und ich hatten im Gebet jedoch beide den Eindruck, dass unsere Familie noch nicht komplett war.
Verzweifelt
Als ich mit dem dritten Kind schwanger war, starb mein Schwiegervater völlig unerwartet mit 66 Jahren. Wir litten alle sehr unter diesem Schmerz und Verlust. Nochmals ein kräfteraubendes und schwieriges Ereignis. Dann kam Simea, das dritte Kind, zur Welt. Es war trotz allem ein freudiges Ereignis. Ich war aber immer noch krank; Jahre des Durchhaltens, der Schmerzen und Verzweiflung lagen hinter mir, an ein «normales Leben» war nicht zu denken.
Für mich gab es in dieser ganzen Zeit immer nur den Weg mit Gott, nichts anderes. Dies gab mir die Kraft, weiterzugehen. Auch hoffte ich jeden Tag, dass Gott mich heilen würde. Dieser Glaube half mir, nahe bei Gott zu sein und zu bleiben. Als Simea ein Jahr alt wurde, entschied ich mich, ambulant in ein Schmerzzentrum zu gehen. Die Ärzte dort behandeln Schmerzpatienten, ohne den Ursprung der Schmerzen zu kennen. Nach so vielen Jahren hatte ich keine Energie mehr für weitere Abklärungen. Ich wollte einfach nur, dass die Symptome gelindert werden können.
Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als die Ärztin zu mir ins Zimmer kam und sagte, dass sie gerne noch ein MRI von meinem Kopf machen wolle. Sie sehe, dass in all diesen Jahren kein einziges MRI gemacht worden sei. Ich dachte: Jetzt, da ich mich entschieden habe, nichts mehr abzuklären, soll ein MRI gemacht werden? Wieder eine Abklärung, die nicht weiterhilft, wieder keine Linderung meiner Symptome…»
Nächste Hiobsbotschaft
Dennoch ging ich zum MRI, welches im September 2021 stattfand. Anstatt nach dem MRI sofort nach Hause zu gehen und die Kinder von der Spielgruppe und aus dem Kindergarten abzuholen, hatte ich sogleich die Besprechung bei der Ärztin. Die Ärztin zeigte mir und meinem Mann, der notfallmässig zu mir ins Spital kam, auf dem Bild meines Kopfes einen ca. sieben Zentimeter langen und vier Zentimeter breiten Tumor. Der Tumor war so gross, dass man die «Beule» am Hinterkopf bereits seit längerer Zeit ertasten konnte.
Gut eineinhalb Jahre davor hatte ich wegen der «Beule» ärztlichen Rat gesucht und wurde mit dem Befund, dass es sich nur um eine gutartige Fettgeschwulst handle, nach Hause geschickt. Die Welt stand still und brach bei uns zusammen. Die Ärztin, die das MRI angeordnet hatte, sagte zu uns, dass sie dieses MRI einfach hatte machen wollen, obschon sie ziemlich sicher gewesen sei, dass uns das nicht weiterbringen würde. Sie könne sich ihren Entschluss zum MRI auch nicht genau erklären, sie sprach von Intuition. Doch für mich war es eindeutig Führung, Gottes Führung. Wir wurden im Wissen, dass der Tumor mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 80 bis 90 Prozent gutartig ist, nach Hause geschickt. Nach einer weiteren Besprechung bei den Neurochirurgen stand fest, dass der Tumor operiert werden muss.
Abschied
Mitte Oktober 2021 wurde ich operiert. Die Tage vor der Operation waren furchtbar. Werde ich wieder erwachen? Werde ich mein Gedächtnis noch haben? Werde ich mit Matthias weiterleben dürfen? Werde ich meine Kinder aufwachsen sehen oder wird Matthias die drei allein grossziehen müssen? Fragen über Fragen quälten mich.
Der Tag des Spitaleintritts war für mich der schlimmste Tag meines Lebens. Ich musste mich von meinen Kindern und von meinem Mann verabschieden. Mein Mann und ich öffneten die Türe des Aufzugs etwa fünf Mal wieder, wir konnten uns nicht voneinander lösen und wollten nicht Abschied nehmen. Die Vorstellung, dass es nicht gut gehen würde, war nicht zu ertragen. Vor der Operation hatte ich unser Familienlied im Kopf: «No other Name» von Hillsong. Dieses Lied begleitete mich in den Operationssaal.
Die OP dauerte ganze sieben Stunden. Danach wachte ich auf und mein Mann stand kurz danach neben mir. Total vollgepumpt mit Medikamenten und verwirrt im Kopf, war ich doch bei klarem Bewusstsein. Ich fragte meinen Mann, ob er unserem Sohn den Cervelat für den morgigen Waldausflug im Kindergarten eingepackt habe. Matthias kamen vor Freude die Tränen, da er sofort bemerkt hatte, dass mein Gedächtnis noch voll funktionsfähig war. Ich war von Dankbarkeit überflutet. Doch bald merkte ich, dass es mir doch noch nicht so gut ging. Mir war extrem übel und schwindelig. Ich hatte Sensibilitätsausfälle auf meiner linken Seite. Mehrmals am Tag schlief sie mir ein, zudem hatte ich Taubheitsgefühle. Ich konnte teilweise kaum gehen, brauchte viel Unterstützung. Die Fachärzte schickten mich in die Reha nach Riggisberg. Dort musste ich insgesamt sechs Wochen bleiben, was für uns als Familie eine riesige Belastung war. Doch auch das haben wir irgendwie überstanden.
Dankbar
Für mich ist es ein riesiges Geschenk, dass uns viele unserer Freunde, die Familie wie auch die Kirche bei der Kinderbetreuung, im Alltag und mental durch Ermutigungen, kleine Aufmerksamkeiten und Gebete unterstützt haben. Diese grosse Hilfe berührt mich bis heute! Mit der Zeit verschwanden die Übelkeit und der Schwindel. Ich konnte endlich wieder selbständig gehen und die Reha verlassen. Es ist noch nicht alles gut, ich habe neben einem geschwächten Immunsystem und Nebenwirkungen durch die Medikamente auch immer noch schlechte Tage. Diese sind jedoch deutlich weniger geworden, kein Vergleich mehr mit den vorangegangenen Jahren.
Gott gibt mir jeden Tag genau die Kraft, die ich brauche. Ich bin unendlich dankbar, bei meiner Familie zu sein und den Alltag mit den drei Kindern selbst zu managen. Vor einigen Monaten konnte ich meine Teilzeitarbeit wieder aufnehmen und an meinen Arbeitsplatz zurückkehren. Es ist ein unglaubliches Geschenk, dass ich leben darf! Mein Kopf fühlt sich nach Jahren das erste Mal anders, viel besser an. Ich lebe, und dies trotz nach wie vor grossen Herausforderungen, besser als jemals zuvor. Das Wunder ist gross, aber Gott ist noch nicht fertig!
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Hope Zeitungen
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