Ethiker John Wyatt
«Eine kleine Anzahl Christen kann grossen Einfluss haben»
Themen wie Euthanasie, Abtreibung und künstliche Intelligenz beschäftigen den Arzt Dr. John Wyatt aus Grossbritannien. Doch gerade im Bereich der Euthanasie sieht er auch einen positiven Aspekt – und ermutigt Christen, Salz und Licht zu sein.
Über 25 Jahre lang arbeitete der Kinderarzt Dr. John Wyatt auf einer Intensivstation für Neugeborene. Heute konzentriert er sich auf ethische Themen wie Künstliche Intelligenz, Abtreibung, Euthanasie und den Schutz der Schöpfung. Es sei notwendig, dass Christen «eine Brücke zwischen der Welt des historisch-biblischen Glaubens und diesen neuen und herausfordernden Themen» bauen.
Die «Kunst des Sterbens»
Im Interview mit dem Nachrichtenportal Evangelical Focus erklärt der Arzt, Professor und Autor aus Grossbritannien, dass er durchaus einen positiven Aspekt in der Diskussion um Euthanasie in ganz Europa sieht: «…es hilft den Menschen dabei, stärker darüber nachzudenken, was es bedeutet, 'gut' zu sterben.» Er sei überzeugt, dass Christen eine eigene Antwort auf diese Frage haben, die er in seinem Buch «Dying well» anspricht.
Darin geht es auch um die «Kunst des Sterbens»: «Ich habe immer wieder erlebt, dass diese letzten Stunden, Tage und Wochen eine unglaublich reichhaltige Zeit waren, in welcher Sinn gefunden wurde, Bedeutung, Vergebung in Beziehungen, Erfüllung von Träumen, ein Erbe weitergegeben wurde…» Doch gleichzeitig gebe es die Ängste und Sorgen vor dem Tod sowie Bedeutungsverlust – diese beschreibt Wyatt als «Gefahren und Versuchungen des Sterbens».
Das grösste Problem in der Euthanasie sieht er im Druck auf ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen. «Was so schlimm daran ist, ist der Fakt, dass es beinahe als Art Altruismus dargestellt wird. Da werden ältere Menschen angesprochen und gesagt: 'Vielleicht ist es das liebevollste, was du für deine Verwandten, Kinder und geliebte Menschen tun kannst, wenn du erlaubst, dass du umgebracht wirst.' Das ist so eine Zerstörung der Wahrheit und der christlichen Art, das Leben als Geschenk von Gott zu verstehen.» Dieser Druck, insbesondere auf Menschen, die einsam sind und deren Leben an Bedeutung verloren hat, beunruhige ihn zutiefst.
Die schlimmsten Schmerzen
Auf das Argument angesprochen, dass Christen leidenden Menschen verbieten wollen, ihren Schmerzen ein Ende zu setzen und somit als Masochisten dargestellt werden, betont Wyatt, dass es am Lebensende um viel mehr geht als «nur» physische Schmerzen. Die christliche Ärztin Cicely Saunders habe herausgefunden, dass es neben den körperlichen Schmerzen auch Schmerz in Beziehungen, psychischen Schmerz sowie geistlichen Schmerz gebe – und die körperlichen Schmerzen seien dabei am leichtesten zu behandeln. «Die problematischen Schmerzen sind anderer Art: psychologischer Schmerz (wenn die Person unter Angst, Depressionen oder krankhaftem Denken leidet), Schmerzen in Beziehungen (etwa durch zerbrochene Beziehungen, es besteht Schuld oder Feindseligkeit) und geistliche Schmerzen (viele Menschen haben am Lebensende Gefühle von Schuld, Versagen, Bedeutungs- oder Sinnlosigkeit). Und wir haben festgestellt, dass es viel besser ist, die Wurzeln der Schmerzen anzugehen, anstatt die Person durch Euthanasie zu töten, um so die Schmerzen loszuwerden.» Wichtig seien in diesem Fall Unterstützung, Begleitung und Therapien, die Möglichkeit zur Versöhnung, Gebet, Lobpreis, Abendmahl etc.
Abtreibung: «Es gibt keine neutrale Sprache»
Auch im Bezug zur Abtreibung vertritt Wyatt eine klare Meinung: Es gibt keine neutrale Sprache. Je nachdem, wie sich eine Person auf Ungeborene beziehe, zeige sofort ihren Standpunkt zum Thema. Dies zeige sich auch in den Kliniken: «Wenn ein Ultraschallbild gemacht wird, ist es das Wichtigste für den behandelnden Arzt, herauszufinden, ob das Baby erwünscht ist oder nicht.» Ist das Kind erwünscht, gebrauche der Arzt oder die Ärztin eine Babysprache und hebe gewisse Qualitäten vom Ungeborenen hervor. «Die Sprache ist persönlich, mitfühlend und umsorgend. Doch wenn die Schwangerschaft ungewollt ist, ist die Haltung ganz anders: Der Monitor wird von der Mutter weggedreht und der Arzt gebraucht eine technische, neutrale und wissenschaftliche Sprache. Und trotzdem ist das Wesen im Bauch genau dasselbe.»
Die Gesellschaft durchdringen
Inmitten dieser schwierigen Themen sei es wichtig, dass Christen sich auf die Aufforderung von Jesus besinnen, Salz und Licht zu sein. «Eine kleine Anzahl an Christen, die Christus treu ist, kann einen ausserordentlichen Einfluss auf die Gesellschaft haben. (…) Die biblischen Metaphern zu Salz und Licht sind sehr positiv und ermutigend. Aber natürlich ist es unsere Herausforderung: Sind wir wirklich salzig? Behalten wir unsere christlichen Merkmale bei? Erlauben wir, wie Jesus sagte, dass unsere guten Werke die Welt durchdringen und erleuchten, und Licht in diese dunklen Bereiche zu bringen, welche die Menschen versteckt halten wollen?»
Zum kompletten Interview (auf Englisch)
Zur Website:
johnwyatt.com
Zum Thema:
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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Evangelical Focus
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