Corona und Ukraine-Krieg

Dauerbelastung: Wie Menschen auf Krisen reagieren

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Stephan Grünewald (Bild: zVg)
Krisen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern sie werden zu einem Normal- und Dauerzustand. Zu diesem Thema sprach der Diplom-Psychologe Stephan Grünewald beim christlichen Medienkongress «Moveo».

Diese «Krisenpermanenz» belastet Menschen und ist mit starken Ängsten verbunden. Dabei lässt sich erkennen, wie verschieden die Corona-Krise und der Krieg Russlands gegen die Ukraine Menschen psychisch und emotional beansprucht und strapaziert. Darauf wies der Kölner Diplom-Psychologe Stephan Grünewald hin, Referent auf dem christlichen Medienkongress «Moveo» vom 1. bis 2. September in Frankfurt am Main.

Verschiedene Krisentypen – unterschiedliche Ängste

Mit Corona verbinde sich eine «exponentielle Krisenlogik»; sie steige und falle, je nach Stand der Infektionen. Das beeinflusse auch die Angst der Menschen. Demgegenüber herrsche beim Umgang mit dem Ukrainekrieg eine «Eskalationslogik». Gemeint ist, dass sich die Angst vieler Menschen auf die mögliche Eskalation des Krieges über die beiden beteiligten Staaten hinaus fokussiert. Damit gehen Ängste einher, die viel schwerer auszuhalten seien.

Der erste Schock nach dem Kriegsausbruch, so Grünewald, sei mit einem Gefühl der Ohnmacht und grosser Fassungslosigkeit verbunden. Angesichts dieser bedrückenden Aussichten hätten viele Menschen nach einigen Wochen angefangen, sich nur noch begrenzt oder sehr wenig mit dem Thema zu befassen. Zu den unmittelbaren Reaktionen auf den Kriegsausbruch gehörten Hamsterkäufe (Speiseöl) sowie die Hoffnung, andere Akteure könnten den Konflikt verringern oder lösen helfen (die Kriegsopposition in Russland, die Völkergemeinschaft oder China). Viele Menschen hätten auch mit Hilfsbereitschaft (Spenden oder Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen) reagiert.

Arbeitsweise des Rheingold-Instituts

Grünewald stellte den Medienschaffenden des Moveo-Kongresses Ergebnisse verschiedener Studien des von ihm mitgegründeten Kölner Rheingold-Instituts vor. Eine Besonderheit dieser Studien ist, dass mit einer Auswahl von Befragten (meist zwischen 40 und 60 Personen) zweistündige sogenannte Tiefeninterviews geführt werden, die die Grundlage für die Stimmungserfassung bilden. Im Jahr werden an die 5'000 solcher Interviews geführt. Das Institut hat sich mit seinen rund 45 festen Mitarbeitern und 55 freien Auftragnehmern auf tiefenpsychologische Kultur-, Markt- und Medienforschung spezialisiert.

Krisen schaffen Positives

Grünewald wies auch auf positive Tendenzen hin, die sich mit den Krisen verbinden. Corona habe dazu geführt, dass sich viele Menschen wieder auf die wichtigen und echten (im Gegensatz zu virtuellen) Beziehungen besonnen hätten; also auf Familie, Partner und Freunde. Viele hätten zudem wieder stärker «ihre Begrenztheit» wahrgenommen. Das Bewusstsein sei gewachsen, dass vieles nur gemeinsam zu schaffen sei.

Stimmungswende steht bevor

Die Ausführungen von Stephan Grünewald machten deutlich, dass sich Stimmungen sehr schnell verändern. Zurzeit befinde sich die deutsche Gesellschaft in einer «neuralgischen Übergangsphase», so Grünewald, bei der noch nicht erkennbar sei, in welche Richtung sich die Stimmung im Herbst entwickle. Noch würden die Menschen die letzten Sommertage geniessen und seien noch in einem entspannten Zustand, doch schon bald würden Inflation, Energieverteuerung und finanzielle Probleme sowie Sparmassmahmen ins Blickfeld rücken und die Stimmung eintrüben.

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Datum: 04.09.2022
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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