Ein «Ja» zu sich finden
Stephan Schneider: «Gott ist meine Kraft»
Während der Schwangerschaft erkrankte seine Mutter an Röteln. Abtreiben wollte sie nicht. Mit Gottes Hilfe wurde für Stephan Schneider eine Beeinträchtigung zum wertvollen Erfahrungsschatz.«Sie haben doch schon vier gesunde Kinder! Wollen Sie sich da wirklich mit einem vielleicht schwer behinderten fünften belasten?» Für den Gynäkologen war eine Rötelninfektion die Indikation zur Abtreibung. Das Ungeborene könnte mehrfach behindert, blind und taub sein, warnte er. Doch Stephans Eltern weigerten sich, ihr Kind töten zu lassen. «Natürlich hatten meine Eltern Angst, trotz Gottvertrauen und vielen Gebeten», erklärt Stephan Schneider. Diese Angst hat ihn geprägt. Noch heute hat er ein grosses Bedürfnis nach Sicherheit.
Wegen der vorgeburtlichen Rötelninfektion ist er körperlich beeinträchtigt. Sein linkes Auge wechselt unverhofft die Richtung und das Augenlid hing sehr tief. Nach zweimaliger operativer Lid-Korrektur erkennt man das aber kaum noch. Stephan Schneiders Sehvermögen ist nicht beeinträchtigt, dafür sein Gehör. Gewisse Frequenzen vermag er nicht zu hören. So versteht er nichts, wenn ein Gespräch etwas entfernt von ihm stattfindet. Auch seinen Kindertraum, Lokführer zu werden, musste er begraben.
«Kinder machen mich glücklich»
Trotz dem «Ja» seiner Eltern musste er auch selber immer wieder ein «Ja» zu sich finden. «Es ist eine Entscheidung, sich auf den Heilungs- und Veränderungsprozess unserer Persönlichkeit einzulassen.» Erfahrungen mit dem Anderssein führten dazu, dass er bei Kindern oft hinter die Fassade blicken und erkennen kann, was sie durch ihr Verhalten ausdrücken. Bereits als Jugendlicher widmete er ihnen viel Zeit – in der Jungschar, in Lagern oder als Sonntagsschullehrer.
«Kinder sprechen mich auch heute noch auf mein 'komisches Auge' an. Dann kann ich ihnen dank meiner Geschichte erzählen, dass Gott Menschen liebt, auch die, welche etwas anders sind als der Durchschnitt.» Stephan Schneider stellte fest, dass Kinder ihn glücklich machen. So heirateten er und seine Frau Marianne schon sehr jung und wurden Eltern von vier Kindern.
Gott führt
Obwohl ihm als Handwerker eine entsprechende Ausbildung noch fehlte, bekam Schneider 1999 eine Stelle als Verantwortlicher für Kinderarbeit bei der Heilsarmee. «Gott hatte hier seine Hand im Spiel!», ist Schneider überzeugt. Denn als er klopfenden Herzens den ersten Familiengottesdienst durchführte, streckte ein zweijähriges Kind seine Ärmchen nach ihm aus und wollte hochgenommen werden. «Es herrschte absolute Stille in der Kirche, als die Leute das sahen.» Im Nachhinein erfuhr er, dass dieses autistische Kind normalerweise jeden Körperkontakt vermied. «Für mich war das eine klare Bestätigung Gottes. Ich bin sein Werkzeug, das Eigentliche bewirkt sein Geist.»
Bei IGNIS studierte Stephan Schneider berufsbegleitend Psychologie und übernahm die Leitung der Fachstelle für Lebensschutz, Sexualethik und Beziehungsfragen des Weissen Kreuzes in Dürrenäsch AG. Seit sechs Jahren arbeitet er beim christlichen Hilfswerk Diaconia Internationale Hilfe und ist seit einem Jahr Geschäftsführer. Er hat erlebt: «Ich muss nicht bleiben, wie ich bin. Gott ist meine Stärke, er führt über Grenzen hinaus.»
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: idea Spektrum
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