Jeremias Frust heute relevant
Eidgenössischer Preisüberwacher predigte in der Berner Petruskirche
Normalerweise redet Stefan Meierhans als Preisüberwacher des Bundes den Wirtschaftsverantwortlichen ins Gewissen, wenn sie sich mit unlauteren Mitteln bereichern wollen. Am letzten Sonntag, anlässlich des traditionellen Kirchensonntags, hielt er für einmal die Predigt in einer Kirche.
Persönliche Nähe zur Berner Petruskirche
Stefan Meierhans, der Eidgenössische Preisüberwacher, wurde von einer der Pfarrerinnen der reformierten Kirche angefragt, ob er am Kirchensonntag zum Thema «Vernetzung» predigen möchte. Die Anfrage habe ihn sehr gefreut, sagte er bereits im Vorfeld seines Auftritts gegenüber Radio Life Channel. Er wohne in diesem Quartier und habe seine beiden Töchter in der Petruskirche taufen lassen. Deshalb habe er auch gerne zugesagt.
Als Predigttext wählte der 47-Jährige zwei Bibelverse aus dem biblischen Buch Jeremia. Er habe einfach die Bibelstelle genommen, die in den Losungen vom 31. Januar stand. Dass sie so gut zum Thema und zu seinem Amt als Preisüberwacher passt, bezeichnete Meierhans im Radiointerview als «reinen Zufall».
Der Frust von Jeremia
Basis für seine Predigt war die Bibelstelle aus Jeremia, Kapitel 6, Verse 13-14: «Denn von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Grössten machen sie alle unrechten Gewinn. Und vom Propheten bis zum Priester üben alle Falschheit, und sie heilen den Bruch der Tochter meines Volkes oberflächlich und sagen: Friede, Friede! – und da ist doch kein Friede.» (Elberfelder Bibel)Meierhans versuchte mit seiner Predigt, die Brücke zu schlagen zwischen dem Frust, der den Propheten Jeremia vor einigen Tausend Jahren plagte, und dem Frust der heutigen Zeit. Hier ein paar Auszüge seiner Predigt:
«Was prangert Jeremia an? Jeder denkt nur an sich. Besonders die Würden- und Amtsträger oben in Jerusalem. Egoisten, die nur an sich denken. Die mit falschen Verlockungen und wilden Versprechungen Menschen ködern wie einst der Rattenfänger von Hameln die Kinder. Und sein grösster Frust? Offenkundig fallen die Menschen darauf herein! Jeremia kann es kaum glauben: Wie kann man nur? Wie kann man nur diesen Lügnern und Betrügern auf den Leim kriechen. Wie kann jemand mit gesundem Menschenverstand glauben, was die denen erzählen!»
Mit einem Rückblick auf den Holocaust im Zweiten Weltkrieg, bei dem «aus einer gefährlichen Idee eine Massenbewegung wurde, die Hass verbreitete», leitete Laienprediger Stefan Meierhans in die heutige Zeit über:
«Wer die Zeitung liest, der weiss es: Auch heute gibt es Geistliche, die Gotteskriegern – diesmal im Namen Allahs – für die Tötung von Heiden – also uns – das Paradies in Aussicht stellen. So haben sich die Zeiten eben nicht geändert. Und auch heute gibt es politische Führer, die Massen aufrufen und Hass schüren. Der Frust von Jeremia vor sechstausend Jahren – er wäre vermutlich in allen Epochen der Geschichte ähnlich ausgefallen.»
Brückenschlag zur modernen Zeit
«Was machen wir nun mit dieser Feststellung?», fragte Meierhans die Gemeinde in der Petruskirche in Bern und gab selbst Antwort:
«Hände in den Schoss – es ist halt so. Da kann man nichts machen? Endlos wiederholt sich die Geschichte – wir sind machtlos? Nein, das ist nicht die Botschaft des Evangeliums! Das ist auch nicht die Botschaft Jeremias. Trotz allem Frust: Auch Jeremia gibt nie auf. Er hält fest an seiner guten Nachricht – und an der Botschaft zur Umkehr. Unablässig.»
«Was Jeremia sagt, gilt im Grossen, wie im Kleinen. Ich bin auf sozialen Medien aktiv. Zum Beispiel auf Facebook. Und ich habe ein privates E-Mail-Konto. An beiden Orten stolpere ich hin und wieder auf Nachrichten, die mir bei wenig Geldeinsatz ein Vermögen versprechen. Multimillionär in einem Augenschlag, ohne Mühe und Anstrengung. Das stellen mir diese Nachrichten in Aussicht. Mittlerweile wissen wir: Das sind sogenannte Spam-Mails – Massenmails, die in betrügerischer Absicht versandt werden. Wir haben gelernt, sie zu ignorieren. Mein E-Mail-Anbieter kann diese Meldungen sogar bereits maschinell aussortieren und verschiebt sie automatisch in den Junk-Mail-Ordner – also in einen Ordner, der speziell für solche Betrugs- und Werbemails geschaffen worden ist –, wo man sie ohne weiteres ungelesen löschen kann.»
Das Leben kennt keinen «Unsinn-Filter»
Im täglichen, normalen Leben, gebe es keinen automatischen Spam-Filter, führte Meierhans sein E-Mail-Bild weiter aus. Niemand nehme uns Menschen die Aufgabe ab, angebliche Wahrheiten und Versprechungen kritisch zu prüfen. Sei es nun, zu beurteilen, ob uns diese oder jene Crème 20 Jahre jünger, die Pille 10 Kilo leichter – oder dieser oder jener Beamte, Würdenträger oder Politiker ein besseres Leben in Aussicht stellt.
«Jeder und jede von uns sind selbst verantwortlich, wem wir glauben, wem wir vertrauen. Jeremia ruft uns zu: 'Seid vorsichtig, glaubt nicht alles – prüft. Hört auf Euren inneren Kompass! Richtet Euer Handeln und tun danach aus, was Euch Eure Grundwerte, unsere Grundwerte sagen.' Meine Damen und Herren: Jeremia ruft uns dazu auf, kritisch zu sein – und kritisch zu bleiben. Im Kleinen, und im Grossen. Das ist die Botschaft von Jeremia.»
Stefan Meierhans schloss seine Predigt in der Berner Petruskirche mit einem Aufruf zur Wachsamkeit:
«Lassen wir uns kein X für ein U vormachen. Weder als Konsument noch als Konsumentin, als Bürger, als Bürgerin – und auch nicht als Mensch. Lasst uns gemeinsam ans Werk treten und unsere Werte – wie die 10 Gebote und die Bergpredigt – verteidigen!»
Zum Video:
Interview Radio Life Channel zu Meierhans' Predigt
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet
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