Vom Saulus zum Paulus
Vom Skinhead zum Pastor
Als Skinhead, Nazi und Gewalttäter kam er einst ins Jugendgefängnis. Doch Johannes Kneifel änderte sich radikal. Kürzlich veröffentlichte er seine Biografie «Vom Saulus zum Paulus», in der er seine radikale Verwandlung in Worte fasst.
Johannes Kneifel hatte, wie er selbst sagt, eine «bescheidene Kindheit». Einsamkeit prägte sein Leben. Er fand in der Schule keinen Anschluss, hatte keine Freunde, und ein wirkliches Zuhause fand er nie, weder in seiner Heimat in Eschede noch bei seiner eigenen Familie.
Seine Mutter hatte Multiple Sklerose, eine schwere Nervenkrankheit, und war seit seiner Kindheit an den Rollstuhl gefesselt. Sein Vater war seit einem Fahrradunfall fast blind. Kneifel erinnert sich: «Ich fühlte mich in meiner eigenen Familie unglaublich fremd.»
Schon an seinem vierzehnten Geburtstag war er das erste mal richtig betrunken. Ausgerechnet in der rechten Szene fand der junge Kneifel alles, was er in seinem bisherigen Leben so vermisst hatte: Kameradschaft, Rückhalt, Vertrauen, Gemeinschaftsgefühl. Auch ein Internatsbesuch und räumliche Distanz zu seinen rechten Freunden konnten nichts mehr an seiner Einstellung ändern. Er wurde Skinhead und gewaltbereiter Neonazi.
Denkzettel führt in Tod
«Ich stehe vor einem riesigen Scherbenhaufen, und ich bin der, der alles zerschlagen hat», erinnert sich Kneifel. Es ist der 9. August 1999, der im Leben des damals 17-Jährigen alles verändert hat. Er traf sich mit seinem besten Freund Marco S., um Peter Deutschmann aufzusuchen. Dieser hatte zuvor die rechte Gesinnung von Marco S. kritisiert.
«Wir wollten ihm einen Denkzettel verpassen», schreibt Kneifel. Die beiden Skinheads suchten stark alkoholisiert ihr einsam lebendes Opfer auf. Sie schlugen ihn brutal zusammen, sodass der 44-jährige kurze Zeit später im Krankenhaus stirbt. Einen Tag später wurden beide Jugendliche verhaftet. Im folgenden Prozess wurde Kneifel wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren Jugendhaft verurteilt.
Im Jugendgefängnis im Hameln legte Kneifel zwar seine rechtsextremistische Einstellung ab, aber Gewaltbereitschaft und Aggressivität blieben vorerst seine Markenzeichen. Im Gefängnis trieb der Jugendliche viel Sport und machte Fitnesstraining, sodass sein muskulöser Körperbau seine Gewaltbereitschaft auch von aussen sichtbar wurde. Er verschaffte sich mit Gewalt und Sprüchen schnell Respekt unter den Mitgefangenen, was sein Leben unter den Mitgefangenen zwar erleichterte, ihm aber besonders unter den Beamten und der Gefängnisleitung nur Schwierigkeiten brachte. Oft wurde er für sein Verhalten mit Einzelhaft bestraft.
Orientierungssuche im Knast
Doch mit der Zeit änderte sich der junge Gefangene. Im Gefängnis fand er keinen guten Draht zu den rechten Inhaftierten und kam mit den Ausländern deutlich besser klar. Sein Weltbild fing an zu bröckeln. Er begann eine Ausbildung zum Zerspannungsmechaniker und nahm sich vor, nicht mehr nur durch Schlägereien und Gewalt aufzufallen.
Nach und nach trennte sich Kneifel vom Alkohol und versuchte, möglichst auf Gewalt zu verzichten. Eine andere Frage, mit der er sich verstärkt auseinandersetzte, war die Frage nach dem Sinn seines Lebens. Er begann regelmässig die Gottesdienste zu besuchen, auch wenn es für ihn am Anfang nicht mehr als eine gelungene Abwechslung vom Gefängnisalltag war. Ihn beeindruckte die Liebe und Zuwendung, die die Pastoren den Gefangenen entgegenbrachten.
Auch Christen der umliegenden Gemeinden, die ehrenamtlich ins Gefängnis kamen, und die Gottesdienste gestalteten, hinterliessen bei ihm einen bleibenden Eindruck. «Sie gehen menschlich mit uns um, in Gesprächen mit ihnen merke ich, dass ich ihnen wichtig bin», erinnert sich Kneifel. Er ist beeindruckt: «Ausserdem merke ich ihnen an, das ihr Glaube echt ist. Sie heucheln nicht. Es gibt Momente, in denen ich mir das wünsche, was sie haben.» Und der Jugendliche beginnt nach etwas zu suchen, das ihn erfüllt und ihm innere Kraft gibt.
Kneifel begegnet Gott
Wie immer geht Kneifel an diesem Sonntag in den Gottesdienst. «Diesmal ist alles anders. Es sind zwar die Worte des Pastors, die ich höre, aber ich spüre, dass jemand anderes durch diese Worte spricht», erinnert er sich in seiner Biografie. Bis jetzt war er immer davon ausgegangen, dass er aus seinen Problemen nur selbst herauskommen kann. Doch durch dieses Schlüsselereignis begreift er: «Ich muss endlich einsehen, dass ich es allein niemals schaffe. Und ich muss Gott darum bitten, mich nicht mehr allein zu lassen».
Johannes Kneifel findet Gott
Er tat es und ist noch heute beeindruckt, was dann geschehen ist: «Nichts von dem, was ich bisher erlebt habe, hat sich so intensiv angefühlt. Gott ist in mein Leben gekommen, und ich fühle mich auf einmal wie ein neuer Mensch.» Seine Bekehrung hat weitreichende Folgen: Er verändert sich stärker und schneller als je zuvor. Er verschenkt seinen Fernseher, weil ihm die Zeit mit Gott wichtiger ist. Er betet täglich und versucht jetzt, den Mitfefangenen und Beamten, mit Nächstenlieben zu begegnen.
Aus Hass wir Nächstenliebe
In den Knast gekommen war er als Skinhead, Nazi und Gewalttäter. Nun verlässt er das Gefängnis als gläubiger Christ: mit einer Ausbildung mit Bestnote und einer komplett verwandelten Persönlichkeit. Äusserlich ist er der alte Johannes Kneifel, innerlich aber ein neuer Mensch. In der Freiheit angekommen entdeckt er zufällig eine Baptistengemeinde, der er sich kurzerhand anschliesst. Er wird herzlich aufgenommen, seine Vergangenheit spielt keine Rolle mehr. Er engagiert sich, und zu seiner Verwundung wird ihm enormes Vertrauen entgegengebracht.
Dass es ein Zufall war, dass er ausgerechnet diese Gemeinde gefunden hatte, daran glaubt Kneifel nicht.
Zur Zeit studiert er Theologie am Theologischen Seminar Elstal. Er steht kurz davor, Pastor zu werden. Die Biografie «Vom Saulus zum Paulus» zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie Menschen sich verändern können. Der Gott der Bibel macht auch vor Gefängnistüren nicht Halt und begegnet dort Menschen, die auf ihn warten. Kneifel ist der beste Beweis.
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Quelle: Christliches Medienmagazin pro
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