Eine andere Art von Kirche
Obdachloser Taschentuchverkäufer findet ein Zuhause
Hui Chew aus Singapur hatte weder Familie noch ein eigenes Zuhause. In die Kirche konnte er aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht eigenständig. Und doch schenkte Gott ihm all das, was ihm zuvor gefehlt hatte.
Hui Chew liess sich vom Leben nicht unterkriegen. Aufgewachsen war er inmitten von Gewalt und unter Missbrauch seines Vaters und Bruders. Als der Bruder ihm mit einem Ziegelstein auf die Brust schlug, wurde ein Loch in sein Herz gerissen, wovon er sich nie erholen sollte, weder körperlich noch mental.
Nachdem er mit seiner Mutter aus dem gewaltvollen Zuhause geflohen war, kamen die beiden bei einer Freundin der Mutter unter und hielten sich durch den Verkauf von gebrauchten Milchkannen über Wasser. Als die Mutter starb, begann Hui, auf der Strasse Taschentücher zu verkaufen. In seinem elektrischen Rollstuhl sang er mit einem Lächeln auf den Lippen Lieder mit dem Karaoke-Mikrophon, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erlangen – und um Menschen von Jesu Liebe zu erzählen.
«Happy Life Group»
Und so traf der junge Mann aus Singapur auch Abraham Yeo. Hui war bereits seit einigen Jahren Christ und hatte auch immer wieder Gottesdienste besucht, wenn ihn andere Christen dazu abholten – denn durch seine körperliche Einschränkung war es ihm allein nicht möglich. Als der 39-jährige Abraham den singenden Rollstuhlfahrer traf, hatte er plötzlich den Wunsch, eine christliche Gemeinschaft mit Hui zu beginnen.Das einzige Problem: Er sprach kein Mandarin, die einzige Sprache, die Hui verstand. Also bat Abraham Gott um Hilfe – und Gott schickte ihm Alva, eine 27-jährige Christin, die fliessend Mandarin sprach und ebenfalls den Wunsch verspürte, Hui zu helfen. Ein weitere Interessierter schloss sich der Gruppe an und im Mai 2015 gründeten die vier die «Happy Life Group» (dt. fröhliche Lebensgruppe).
Das erste Treffen fand auf einem Basketballplatz im Holland Village von Singapur statt, in der Nähe von Huis Wohnort. Gemeinsam sangen die vier zu Worshipsongs von Youtube, tauschten sich aus, lasen den Psalm 23 und hielten Abendmahl. So ähnlich lief es jedes Mal ab, einmal pro Monat. Und immer mehr Menschen stiessen dazu, vor allem Leute, die Hui Chew auf der Strasse getroffen hatte. Viele von ihnen hatten eine eigene Gemeinde, aber die Treffen der Gruppe liessen sie nie aus. «Wir wussten nie, wie viele Leute kommen (…) und was wir brauchen würden. Aber es war immer genug», berichtet Alva. Irgendwann trafen sie sich auf dem Dach des Wohnblocks, dann in einem Flur und später in der Wohnung der Freundin seiner Mutter, die ihm immer noch Unterschlupf bot. Auch sie nahm bald an den Treffen teil.
Fröhlichkeit nach über 20 Suizidversuchen
Doch woher kam der Name der Gruppe? Hui erzählte, dass er die Gruppe als «fröhlich» bezeichnet habe, «weil sie mich fröhlich macht. Dies sind meine Brüder und Schwestern. Ohne sie hätte ich keine Familie und ich wäre sehr einsam.» Hier in der Gemeinschaft konnte er auch seine Trauer und Sorgen loswerden. «Er versuchte über 20 Mal, sich das Leben zu nehmen», berichtet Abraham. Dies war immer wieder ein Thema in der Gruppe und Hui entschuldigte sich so oft, dass er dieses Thema wieder aufbrachte, dass sie die Regel einführten, dass er sich nicht dafür entschuldigen dürfe. Mit der Zeit wurde das Thema Selbstmord immer weniger wichtig für ihn.
Die Gruppe half ihm auch in anderen Bereichen, denn Hui konnte weder lesen noch schreiben. Sie lasen und übersetzten ihm Briefe, brachten ihn zu Arztterminen, organisierten soziale Hilfe, managten seine finanzielle Situation. «Wir waren wirklich wie eine Familie, vertrauten Gott, unserem Vater, dass er uns zusammenhielt», erinnert sich Alva. Bald organisierten sie sogar Nachbarschaftsfeste. Diese sollten zwar keineswegs evangelistisch sein, sondern einfach Freude in den Wohnblock bringen, doch in persönlichen Gesprächen wurde Jesus immer wieder zum Hauptthema.
Abschied in der Familie
In diesem Jahr ging es Hui Chew immer schlechter, bis er im Sommer ins Krankenhaus musste. Auch hier hielt die Happy Life Group zu ihm – man traf sich, auch Covid-bedingt, per Whatsapp oder Zoom. Bis die Ärzte warnten, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Ein letztes Mal trafen sich Mitte September alle online und einer nach dem anderen verabschiedete sich von der Seele der monatlichen Treffen, Hui Chew. Sie hatten eine Kirche um den obdachlosen Taschentuchverkäufer gebaut, weil er nicht in ein Kirchgebäude gehen konnte, und waren zu seiner Familie zusammengewachsen.Am 17. September 2021 verstarb Hui – und hinterliess bei vielen Menschen, denen er im Laufe der Jahre auf der Strasse begegnet ist, eine grosse Lücke. Er dagegen ist endlich in seinem letzten Zuhause angekommen.
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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Saltandlight.sg
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