Pastor war Covid-19-Patient

«Gott, bin ich dir egal?»

David Gronau (39), Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde FEG in Wetzikon, erkrankte schwer an Covid19 und lag auf der Intensivstation. Das Virus schickte den Familienvater auf eine Achterbahn der Gefühle.

Zoom
David Gronau
Nie hätte er geglaubt, sich in seinem Alter und als gesunder Mann mit dem Coronavirus zu infizieren. David Gronau kann sich auch nicht erklären, wann und wo dies geschah. Fakt ist, dass ihn Covid19 während 14 Tagen zunehmend schachmatt setzte. In einem Interview mit dem Zürcher Oberländer sprach der gebürtige Deutsche über sein Erleben – für Livenet ergänzt er die Schilderungen seiner Krankheitszeit.

Schwitzen, husten, keuchen

Am Abend des 15. März 2020 bekommt David Gronau plötzlich Fieber. Ein heisses Bad, ein paar Mützen mehr Schlaf – dann ist das durch, denkt er. Doch das Fieber steigt und seine Kräfte schwinden. Es plagen ihn Schweissausbrüche und trockener Husten. Die kleinste Anstrengung bringt ihn zum Keuchen. Anrufe bei der Corona-Helpline bewirken nichts, die Symptome seien zu schwach. Gronau schluckt weiter Schmerzmittel. Geduld, Geduld, nach spätestens zwei Wochen bist du wieder fit, spricht er sich selbst Mut zu. Seine Frau und die drei Töchter (13, 11 und 9 Jahre), die sich mit Gronau sofort in Quarantäne begeben haben, bekommen derweil nur leichtes Fieber. Anna Gronau verliert ihren Geschmacks- und Geruchssinn – während sich diese bei ihrem Mann intensivieren. So heftig, «dass mir oben im Haus übel wurde, wenn meine Frau unten das Essen kochte…»

«Jetzt müssen Sie kommen!»

Am 25. März verschärft sich die Situation: «Die paar Meter zwischen Bett und WC schaffte ich nur noch auf allen Vieren, auch zum Telefonieren fehlte mir jegliche Kraft», sagt David Gronau. Anna ruft direkt im Spital an, wird aufgefordert, während einer Minute die Atemzüge ihres Mannes zu zählen. 12 bis 16 sind normal; Gronau liegt bei 25. «Jetzt müssen sie kommen!», heisst es unmissverständlich.

Wenig später liegt der Familienvater auf der Intensivstation. Ein Pfleger bringt ihm das Essen – um es ihm sogleich wieder unter der Nase wegzuziehen. «Der bekommt erstmal gar nichts, vielleicht müssen wir ihn künstlich beatmen», macht der Arzt den Ernst der Lage klar. «Meine Atmung wurde bereits durch zwei Sauerstoffstäbchen unterstützt», erinnert sich David Gronau. «Wie diese künstliche Beatmung genau ausgesehen hätte, das konnte und wollte ich mir nicht vorstellen.» Angst kriecht in ihm hoch. Er weiss, dass er die Sache vielleicht nicht überleben wird. Nachfolgend gibt der Pastor Einblick ins Gedankenkarussell jener Stunden:

«Mach mich wieder gesund!»

«Die Spirale dreht sich nur noch abwärts. Du liegst überwacht, aber allein im Zimmer, alles piepst und blinkt, Schläuche hier und dort. Die Hoffnung schwindet von Stunde zu Stunde. Es ist wie in vielen Psalmen beschrieben: Zuerst bist du wütend und klagst: 'Gott, bin ich dir egal? Lässt du mich einfach so im Stich? Was wird aus meiner Frau und meinen Töchtern?' Dann wirst du stiller, trittst mit dem Schöpfer in Dialog: 'Greif jetzt ein! Mach mich wieder gesund! Irgendwann kommt der Moment, in dem Ruhe einkehrt – dieser tiefe Friede, von dem die Bibel berichtet und für den Menschen keine Worte finden (nachzulesen im Johannes-Evangelium, Kapitel 14, Vers 27). Es ist eine Art Kapitulation ohne Widerwillen. Plötzlich lässt du los, entspannst dich: 'Gott, du bist mein Herr, du darfst bestimmen!' Auf einmal wird dir klar, die grossen Fragen deines Lebens sind beantwortet. Das weckt Hoffnung. Du bist sicher, Gott hält dein Leben in seiner Hand und du weisst, wo du die Ewigkeit verbringen wirst.»

«Ich lebe viel intensiver»

Nach zwei Nächten Rundumpflege ist die künstliche Beatmung kein Thema mehr und David Gronau wird auf die Corona-Station verlegt. Von da an geht es aufwärts. Die Kräfte kehren zurück und schon bald darf er nach Hause.

Heute, rund zwei Monate später, fühlt sich David Gronau wieder fit, sagt rückblickend: «Ich lebe viel intensiver, mehr im Hier und Jetzt. Ich geniesse den Moment; sei dies in der Natur oder mit meiner Familie. Es ist, als hätte ich ein zweites Leben erhalten. Ich bin Gott unendlich dankbar.» Bedanken möchte sich der Pastor auch bei seiner Gemeinde und vielen Freunden: «Etliche Menschen haben uns in dieser schweren Zeit unterstützt. Ich erhielt viele ermutigende Mitteilungen. Leute haben für uns gebetet, eingekauft – und uns sogar fertige Gerichte an die Haustüre gebracht. Das hat uns sehr geholfen und gefreut. Herzlichen Dank an alle!»

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Datum: 19.05.2020
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Jesus.ch

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