Singles
«Ich bin Single – und nicht krank»
Jedes Reden und Predigen über das Singledasein scheint zu unterstreichen: Unverheiratet sein ist ein Problem. Dabei ist es zunächst einmal nur ein Familienstand unter vielen: unverheiratet, verheiratet, verwitwet, geschieden … Und jede dieser Situationen kann erfüllend sein oder problematisch. Dies schreibt Jennie Pollock in einem Blog.
Typisch ist ein Gespräch wie folgendes: «Hast du Familie?» «Ja, ich habe einen Bruder. Und meine Eltern wohnen in … ach, du meinst, ob ich verheiratet bin?» «Genau.» «Nein, bin ich nicht.» Pause. «Na ja, kann ja auch okay sein, so allein zu leben.» «Stimmt. Zurzeit scheint es Gottes Plan für mich zu sein …» Falls der Fragende ein Pastor ist, dann überlegt er sich im Anschluss an diesen kurzen Dialog vielleicht, ob er mal wieder über das Single-Sein predigen sollte.Über das Single-Sein predigen?
Die US-Bloggerin und Lektorin Jennie Pollock ist Single. Trotzdem hält sie fest: «Es ist schwer, übers Single-Sein zu predigen, ohne dabei nahezulegen, dass ein Single Probleme hat. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der sich darüber Gedanken machte, dass es nicht genug Predigten über Linkshändigkeit gäbe, über Kurzsichtigkeit oder über Menschen, die keine 1,60 m gross sind. Dabei erfordern gerade diese Anomalien echte Anpassung, sonst tut man sich schwer in seiner Umgebung. Trotzdem predigt niemand darüber. Warum nicht? Weil niemand ernsthaft denkt, das Leben wäre besser, wenn ich grösser wäre, rechtshändig oder Adleraugen hätte. Es sind einfach keine kulturellen oder kirchlichen Werte.»
Ehe als Ziel?
Viele Singles sind unzufrieden mit ihrem Dasein, weil ihre umgebende Kultur – nicht zuletzt die Gemeinde – ihnen sagt, dass das eigentliche Ziel für jeden Menschen die Ehe ist. Ausser für ein paar Diakonissen, Nonnen oder Mönche, die dafür aber auch im Ruf stehen, nicht ganz normal zu sein. Dass Ehe der Normalzustand ist, wird nicht extra betont. Aber alles, was damit zusammenhängt, von der Verlobung über die Hochzeit bis zu Geburt und Taufe, wird gross gefeiert. Viele Gemeinden ergänzen diese Liste noch dadurch, dass es Ehepaare sein müssen, die einen Hauskreis oder Alphakurs leiten.
Natürlich ist es sinnvoll und gut, die Ehe zu achten. Doch wer Single-Sein als Einschränkung für das Leben als Christin oder Christ empfindet, als Handicap im Dienst, wird irgendwann beim Bibellesen überrascht feststellen, dass Paulus das völlig anders sah: «Ich wünschte, jeder könnte unverheiratet leben, wie ich es tue» (1. Korinther, Kapitel 7, Vers 7). Und er ergänzte: «Ich möchte, dass ihr in allem, was ihr tut, von den Sorgen dieses Lebens frei seid. Ein unverheirateter Mann kann seine Zeit ganz für die Sache des Herrn einsetzen und darüber nachdenken, wie er ihm Freude machen kann. Für einen verheirateten Mann ist das sehr viel schwerer …» (1. Korinther Kapitel 7, Vers 32-33). Damit verschob Paulus den Schwerpunkt. Nicht die Singles sollten überlegen, wie sie Gott dienen können, sondern die Verheirateten. Sie sind hier die Eingeschränkten. Auch Jesus selbst sah es offenbar nicht als grosses Handicap an, dass er unverheiratet war.Singles als Zielgruppe von satten Gemeinden?
Ob Single oder nicht, wenn wir eine Predigt hören, dann steht die Frage im Raum: Was sagt Gott zu mir? Nicht zu mir als Single. Nicht zu mir als Linkshänder. Sondern einfach zu mir als Mensch. Solch eine Botschaft kann und sollte manchmal zugespitzt werden: «Wenn du Gott suchst, dann …» oder «Kämpfst du mit Abhängigkeiten und Sucht?» Anwendungen wie diese sprechen uns als Zuhörende an und helfen uns dabei, konkret zu werden. Aber sie legen keine ganze Botschaft auf eine Zielgruppe fest. Sie identifizieren das Single-Sein nicht als geistliches Problem (was es nicht ist!), das grossflächig angegangen werden muss.
Besonders deutlich wird dies, wenn man die Single-Frage in andere Kontexte stellt. Pollock tut dies, indem sie von einer internationalen Konferenz erzählt. Jemand, der irakischen und iranischen Flüchtlingen in der Türkei hilft, hat genug damit zu tun, sie zu ernähren, zu kleiden, zu lehren und zu taufen. Der Personenstand ist hier völlig nebensächlich. Dasselbe gilt für den ukrainischen Pastor, der seine Gemeinde mit Lampen ausrüstet, damit sie auf dem Nachhauseweg von der Bibelstunde nicht auf Landminen treten.
Jennie Pollock fasst zusammen: «Worum geht es mir? Leben ist viel mehr als mein Familienstand. Zu Gottes Ehre da zu sein, ist grösser, weiter, herausfordernder und erfüllender als jede menschliche Beziehung. Wenn wir in erster Linie darüber nachdenken, wie wir Singles lehren und über Ehelosigkeit reden, dann ist das, glaube ich, ein Zeichen dafür, dass es uns zu gut geht. Ich denke nicht, dass es Gottes höchste Priorität ist, dass Sie oder irgendjemand in Ihrer Gemeinde verheiratet sind. Ich glaube nicht einmal, dass es zu den Top Ten gehört.» Ziel der Verkündigung sollte es sein, dass Singles, Verheiratete, Geschiedene und Verwitwete dazu ausgerüstet werden, Gott nachzufolgen: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit deiner ganzen Kraft und all deinen Gedanken lieben. Und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» (Lukasevangelium, Kapitel 10, Vers 27).
Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / jenniepollock.com
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