Glaube und Behinderung

«Das Leiden hat seine Aufgabe»

Roger und Annie Wellinger erzählten am Begegnungstag des Vereins Glaube und Behinderung in Männedorf, wie sie trotz der Lähmung von Roger Gott vertrauen und den Alltag bewältigen.

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Roger und Annie Wellinger
Am ersten regionalen Begegnungstag des Vereins Glaube und Behinderung (GuB) im Bibelheim Männedorf nahmen 53 Interessierte teil. Der persönliche Austausch wurde sehr geschätzt. Viel dazu beigetragen hat der Bericht von Annie und Roger Wellinger. Sie leben seit fünfeinhalb Jahren mit der Tatsache, dass Roger durch einen Arbeitsunfall zum Tetraplegiker wurde. «Ich hatte einen Schulbesuch gemacht, als ich von der Rega informiert wurde, dass Roger schwer verletzt sei», erzählte Annie in ihrem Referat. Der Gartenbauingenieur überlebte, doch er ist an allen vier Gliedmassen gelähmt und braucht viel Unterstützung bei der Alltagsbewältigung.

Unbedachte Äusserungen

Roger hat sich dank Rehabilitation viele seiner Fähigkeiten wieder antrainiert und möchte seinen unverletzten Verstand einsetzen, um zum Einkommen beizutragen. Nach einer befristeten 20-Prozent-Stelle fand er bisher nichts Passendes mehr. Die Familie musste in eine barrierefreie Wohnung umziehen und ist immer wieder gedankenlosen oder zutiefst verletzenden Bemerkungen ausgesetzt. «Annie, kannst du unsere Kinder hüten? Du bist ja den ganzen Tag zu Hause!» oder «Welche Sünde ist wohl in Rogers Leben, dass Gott ihn so gestraft hat?» Wie viel Kraft es braucht, einen Tag mit einem Familienmitglied im Rollstuhl zu gestalten, können sich Unversehrte oft nicht vorstellen. Dazu gehören Körperpflege, Kleider wechseln, Arzt- und Therapiebesuche, administrative Abklärungen für medizinische oder finanzielle Unterstützung, das Erkennen von Hinweisen auf das erlittene Trauma der Töchter oder Anzeichen von Erschöpfung beim pflegenden Partner. Die in Männedorf Anwesenden jedoch nickten wissend während der Austauschrunde und erzählten von ihren Erfahrungen.

«Gott wusste es»

Roger Wellinger spricht offen darüber, dass er das Geschick seiner Hände vermisst. Er war oft sportlich und kreativ tätig, auch mit seinen zwei Töchtern, konnte sie und seine Frau in den Arm nehmen. Trotzdem fragt er nicht nach dem Warum, sondern ringt um das Wissen, was Gott bewogen hat, diesen Unfall nicht zu verhindern. «Gott liess das Leiden in unserer Familie zu. Er war und bleibt bei mir», ist er überzeugt. «Ob er den Unfall gewollt oder zugelassen hat, ist für mich dasselbe.» Er forderte die Zuhörenden auf: «Leiden hat seine Aufgabe, verachtet es nicht.»

Die meisten der Anwesenden leben selber mit einer Behinderung oder sind als Angehörige betroffen. «Wir brauchen Menschen, die für uns beten und uns zuverlässig praktisch unterstützen», erklärte Annie. Die Anwesenden nutzten die Gemeinschaft, um darüber auszutauschen, wie ein Leben mit Behinderung lebenswert bleibt. «Es tut einfach gut, zu merken, dass andere Gleiches durchmachen wie ich. Und dass sie auch nicht aufgeben», bestätigte eine 49-jährige Frau, bevor sie gestärkt nach Hause geht.

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Datum: 26.09.2016
Autor: Miriam Fisch-Köhler
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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