Scheidung

«Glaube und Gemeinde bieten Schutz!»

Schweizer Freikirchler heben sich vom Gros der Bevölkerung in vielen Punkten ab, nicht zuletzt beim Heiraten und Scheiden. Verschwimmt in der genussorientierten Gesellschaft ihr Profil?

Durch eine tiefere Scheidungsrate markieren Freikirchler, dass das kulturelle Umfeld und die Medien sie nicht gleich beeinflussen wie die Mehrheit der Bevölkerung. Doch auch in Freikirchen, welche die Weisungen von Jesus und den Aposteln (1) zur Ehe direkt auf heute umlegen, gehen deutlich mehr Ehen in die Brüche als vor einem Jahrzehnt. «Der Wunsch nach dem persönlichen Wohlergehen in einer Wohlfühlatmosphäre hat auch unsere christlichen Kreise erfasst», sagt Paul Beyeler, Vorsteher der Freien Missionsgemeinden. Im Gespräch mit der Zeitschrift idea Spektrum Schweiz äussert Beyeler, dass «Scheidungen und Trennungen bei uns in den letzten zwei, drei Jahren signifikant zugenommen haben».

Weniger Konkubinat und Scheidungen

Die Statistik spricht eine deutliche Sprache – und sie zeigt auch auf, dass Konkubinats- und Scheidungshäufigkeit zusammenhangen. Während gemäss der Volkszählung 2000 gegen 12 Prozent der Reformierten in der Schweiz im Konkubinat lebten, lag dieser Anteil bei den meisten Freikirchen deutlich unter 2 Prozent. Ende 2000 belief sich der Anteil der Geschiedenen an der Gesamtbevölkerung auf 5,6 Prozent. Bei den Reformierten sprang dieser Anteil zwischen 1970 und 2000 fast aufs Dreifache(von gut 2 auf knapp 6 Prozent); bei den Katholiken vervierfachte er sich auf gegen 5 Prozent der Bevölkerung.

Viel mehr Scheidungen unter Reformierten und Katholiken

Bei Angehörigen von evangelischen Freikirchen überschritt der Anteil 2.5 Prozent; 1970 hatte er noch unter 2 Prozent gelegen. Die Pfingstgemeinden (3.2 Prozent) heben sich von neupietistisch-evangelikalen Gemeinschaften (1.8 Prozent) ab; von den Methodisten waren 2.6 Prozent geschieden. Der Statistiker Claude Bovay (2) bilanziert: «Auch im Jahr 2000 verzeichneten Religionsgemeinschaften, welche die Eheschliessung unterstützen, weniger Scheidungen.» Dies gelte sowohl für Freikirchen wie für Muslime.

Die grössere Stabilität der Ehe im Freikirchenmilieu und die höhere Kinderzahl in solchen Verbindungen dürften zusammenhangen: Während laut der Volkszählung 44 Prozent der reformierten Paare mit Kindern lebten, waren es bei den Freikirchlern über 60 Prozent. Reformierte Frauen hatten durchschnittlich 1.35 Kinder, Frauen in evangelischen Freikirchen 2 Kinder.

Genauer hinsehen und nachfragen

Für Paul Beyeler ist klar: «Glaube und Gemeinde bieten Schutz! … Aber gesellschaftliche Trends dringen auch in unsere Gemeinden ein.» Man wolle nicht mehr wahrhaben, dass das Leben nicht nur Schönes, sondern auch Schweres beinhaltet. Laut dem Vorsteher der Vereinigung Freier Missionsgemeinden (VFMG, 45 Gemeinden mit 4000 Mitgliedern) werden Krisen häufig zu spät bemerkt. Oft werde ein Hilfsangebot dann als nicht mehr erwünscht oder gar als aufdringlich abgewiesen. Für die Leitung der Freikirche haben Ehe, Familie und Erziehung «in den letzten Jahren viel mehr Bedeutung gewonnen».

VFMG: Keine Trauung für Geschiedene

Die Freien Missionsgemeinden, die 1967 aus dem Evangelischen Brüderverein herauskamen, halten an einer strikten Regel für Geschiedene fest: Wer wieder heiratet, wird nicht getraut oder gesegnet – und dies ausnahmslos. Beyeler: «Wir gehen davon aus, dass die Ehe unauflöslich ist. Wir verurteilen aber niemanden, der persönlich zur Überzeugung kommt, er könne es vor Gott verantworten, wieder zu heiraten.» Die Freikirche empfiehlt in diesem Fall eine Ziviltrauung. «Wir verbieten niemandem die Wiederheirat. Aber wir empfehlen sie nicht und praktizieren sie nicht.»

Beyeler und seiner Frau hilft die biblische Vorgabe, dass die Ehe unauflöslich ist. «Wir haben schöne und auch schwierige Zeiten zusammen durchgestanden. Für uns gibt es keinen Grund, warum wir nicht nach wie vor zusammen bleiben sollten. Und meine Frau und ich haben uns nach wie vor gern.»

Das idea-Gespräch mit Paul Beyeler im Wortlaut

(1)Die Bibel, Matthäus, Kapitel 19, Verse 1-9; 1. Korinther 7,10-11.

(2) Claude Bovay, Religionslandschaft in der Schweiz, Neuenburg, 2004, Seite 42f, Grafik Seite 44. Im Internet

Datum: 21.01.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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