Ein Christ mit vielen Facetten
Bob Dylan und der Literaturnobelpreis
Als ein Deutscher Papst wurde, hiess es direkt «Wir sind Papst». Jetzt wird ein Christ mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet – und alles bleibt still. Sicher, weil der Preisträger kein typischer Vertreter des christlichen Glaubens ist. Er passt in keine Schublade. Und genau dafür hat er den Preis verdient.
Das Beständigste an ihm ist sein Wandel
Dylans Karriere ist einzigartig. Es geht schon damit los, dass er seit 55 Jahren öffentlich singt, ohne eigentlich singen zu können. Er spielt Gitarre, Mundharmonika, Orgel und Klavier. Dylan feierte Erfolge mit Folk, Rock, Country, Gospel und Blues. Dabei wechselte er nicht zu Musikrichtungen, die gerade «in» waren – die Countrymusik erlebte im Gegenteil seinetwegen einen Aufschwung. Er tauschte seine akustische Gitarre gegen eine E-Gitarre ein, als das noch völlig unüblich war. Als jeder Rockmusiker nachgezogen hatte, tauschte Dylan wieder zurück. Er engagierte sich politisch in der Anti-Vietnamkrieg-Bewegung und verliess sie anschliessend wieder. Er outete sich als Christ und produzierte drei Alben mit religiösen Texten. Doch in den folgenden Konzerten und Alben kehrte er zu seinen vorigen Themen zurück. 1988 begann er seine «Never ending Tour» und tritt seitdem ungefähr 100 Mal jährlich auf. Typisch für Dylans Konzerte sind nicht nur der praktisch fehlende Kontakt zum Publikum, sondern auch die ständige Neuinterpretation seiner alten Stücke. Wenn irgendetwas sich als roter Faden durch das Leben des Ausnahmemusikers zieht, dann ist es seine Wandlungsfähigkeit, sein ständiges In-Bewegung-Sein.
Christ oder nicht?
Als Bob Dylan Ende der 1970er-Jahre stark christlich geprägte Lieder sang, verliessen etliche Fans aus Protest seine Konzerte. Dasselbe geschah wenige Jahre später, als seine Texte wieder «weltlicher» wurden. Diesmal waren die Christen enttäuscht. Da Dylan selbst kaum Erklärungen zu seinem Glauben gab – er gibt bis heute praktisch keine Interviews zu irgendeinem Thema –, dachten viele, dass sein Leben mit Jesus keine echte Bekehrung gewesen wäre. Doch Weggefährten aus dieser Zeit unterstrichen deutlich, dass Dylan es nicht nur damals ernst meinte, als er sang: «Irgendjemandem musst du dienen / Nun, es kann der Teufel sein oder der Herr / Aber irgendjemandem musst du dienen…» (Gotta Serve Somebody). Sie sprechen von einem klaren Anfang mit Jesus, der sich weiter fortsetzte.
Einer, der in keine Schublade passt
Trotzdem bleibt Bob Dylan jemand, der sich nur schwer einordnen lässt, weil er sich aktiv jeder Vereinnahmung entgegenstellt. Mag sein, dass er sich ein Stück weit darin gefällt, geheimnisvoll zu bleiben. Wahrscheinlicher ist, dass das Zurückhalten persönlicher Gedanken und Informationen der Selbstschutz eines Mannes ist, der seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit steht. Den Nobelpreis erhielt er jedenfalls genau für diese Vielfalt, dieses In-keine-Schublade-Passen seiner Texte – und natürlich für ihre lyrische Tiefe. Aber das Untypische bei Dylan setzt sich fort. Die Süddeutsche Zeitung meint, dass Dylan «bei seiner Nobelpreisrede singen müsste», während andere bereits mutmassen, dass der prominente Sänger gar nicht zur Verleihung am 10. Dezember in Stockholm erscheinen wird. Auch eine Woche nach Bekanntgabe seiner Auszeichnung konnte das Nobelpreiskomitee ihn noch nicht selbst erreichen und es gibt auch keine Reaktion von seiner Seite. So erscheinen beide Szenarien möglich. Trotzdem hat hier ein Christ den Literaturnobelpreis gewonnen. Für seine christlichen Texte. Und für die anderen. Herzlichen Glückwunsch, Bob Dylan.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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