Evangelischer Kirchentag in Berlin
Politiker verhelfen christlicher Veranstaltung zu Aufmerksamkeit
Es ist auffallend: Auf den grossen Online-Nachrichtenseiten fand der laufende Evangelische Kirchentag zunächst nur sehr geringe Resonanz. Das änderte sich erst mit dem Auftritt von Barack Obama.
Zum 500-jährigen Reformationsjubiläum ist es der erste Deutsche Evangelische Kirchentag (24. – 28. Mai), der in zwei Städten, in Berlin und in der Lutherstadt Wittenberg, stattfindet. Weit über 100'000 Dauerteilnehmer besuchen in den knapp vier Tagen etwa 2'100 Veranstaltungen. Das Treffen steht unter dem Leitwort «Du siehst mich».Im Fokus: Sicherheitsfrage und Barack Obama
Da, wo im Vorfeld über den Kirchentag berichtet wurde, ging es vor allem um die Sicherheitsfrage (nach dem jüngsten Anschlag in Manchester) und um den Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama. Ansonsten waren die Berichte denkbar spärlich.
Nach Eröffnung des Kirchentages am Mittwoch gab es fast nur Berichte auf den Onlineseiten der grossen Regionalzeitungen, nicht aber der bundesweiten Tageszeitungen und Wochenpublikationen. Denn hier verfahren die Redaktionen nach der Devise: Es sollen möglichst viele User angesprochen werden, die den Artikel anklicken. Alles, was keinen durchschlagenden Erfolg erwarten lässt, findet auf den Seiten nicht statt; denn es geht um möglichst viele «Klicks».
Die wenigen Berichte auf den Internetseiten der bundesweiten Tageszeitungen dokumentieren das stark abnehmende Interesse der Medien an den Kirchen und ihrer Veranstaltungen. Immerhin ist der Kirchentag die grösste regelmässige Veranstaltung in Deutschland, wenn man von Sport- und Musikereignissen einmal absieht.
Ein Kirchentag der Politiker?
Und da, wo die Berichterstattung über den Kirchentag in den Medien lief, bezieht sie sich vor allem auf Auftritte von Politikern, die in diesem Jahr besonders zahlreich sind. Es soll hier nicht kritisiert werden, dass Politiker an dem Kirchentag teilnehmen und mitwirken. Aber in der Berichterstattung zeigt sich, dass scheinbar mehr die Politiker als die Themen und Angebote der Kirche das Interesse der Journalisten finden.
Und so kommt der Journalist Matthias Kamann von der «Welt» zu folgender kritischer Einschätzung: «Auf dem Kirchentag in Berlin verliert die Kirche die Distanz zur Politik. Deren Vertreter verschaffen ihr eine Relevanz, die sie selbst nicht mehr hat.»
Lange Reihe von Politikern
Die Reihe der Politiker, die auf dem Kirchentag anzutreffen sind, ist denn auch denkbar lang: Da ist nicht nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vertreten, sondern eine stattliche Anzahl von Mitgliedern des Regierungskabinetts und viele weitere Bundespolitiker der verschiedenen Parteien. Das hat in diesem Jahr natürlich auch mit dem laufenden Bundestagswahlkampf und den Wahlen im September zu tun.
Bedford-Strohm: Kirche in der Öffentlichkeit
Mit entscheidend für die Einladung von Barack Obama war die Initiative des Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und die Unterstützung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bedford-Strohm vertritt das Konzept einer «Öffentlichen Theologie», in der die Kirche die Öffentlichkeit sucht und aktiv Einfluss nimmt auf die Meinungsfindung und Entwicklung in der Gesellschaft.
Denkbar grosses Interesse
In diesem Sinne luden der Ratsvorsitzende und die Kirchentagspräsidentin Aus der Au Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel zu einer Veranstaltung auf den Kirchentag ein. Mit 70'000 Zuhörenden stiess die öffentliche Diskussion auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor auf ein denkbar grosses Interesse. Sie stand unter dem Thema «Engagiert Demokratie gestalten».
Barack Obama machte deutlich, dass zu seinem Glauben auch Zweifel gehören. Das sei für ihn auch nicht problematisch, da er sonst in der Gefahr stehe zu glauben, dass er immer Recht habe und Menschen mit anderer Meinung folglich falsch liegen müssten. Er forderte junge Menschen auf, sich in der Gesellschaft zu engagieren und sie aktiv mit zu gestalten.
Buh-Rufe bei Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich in der Diskussion der Kritik ausgesetzt, dass sie eine zunehmend restriktivere Flüchtlingspolitik betreibe. Sie widersprach dem nicht und wies darauf hin, dass die Ressourcen Deutschlands begrenzt seien und nicht zu vielen Menschen Hoffnungen auf ein Leben in Deutschland gemacht werden dürften. Merkels Statement wurde denn auch mit Buh-Rufen quittiert.
Der Kirchentag geht am Sonntagvormittag mit einem grossen Gottesdienst zu Ende. 150'000 Menschen werden auf den Elbwiesen vor Wittenberg erwartet. Zum 500. Jubiläumsjahr der Reformation ist der Veranstaltungsplatz bewusst gewählt. Er liegt in Sichtweite der Schlosskirche, wo Martin Luther vermutlich seine 95 Thesen angenagelt hat.
Zum Thema:
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Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet
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