SEA-Jubiläum

Napoleon und die Schweizerische Evangelische Allianz

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Ein Teil der SEA-Botschafter (Bild: SEA)
1871 entstand in Bern die erste Deutschschweizer Sektion der Evangelischen Allianz. Interessant, dass die gesellschaftlichen Umbrüche der napoleonischen Zeit dafür den Weg bereitet hatten.

Nein! Im Gegensatz zum Rotkreuz-Gründer Henry Dunant gehörte der französische Kaiser Napoleon nicht zu den Gründungsmitgliedern der SEA. Aber er war zweifellos ein wesentlicher Treiber der gesellschaftlichen Veränderungen, die in Bern den Boden bereiteten für die Entwicklung einer freiheitlichen politischen Ordnung. Und dies wiederum ging Hand in Hand mit einem Klima geistlichen Aufbruchs und der Entstehung zahlreicher staatsunabhängiger Kirchen, den sogenannten «Freien Gemeinden».

Anfänglich nannte man sie noch «Dissidenten», weil sie sich – wie einige Jahrhunderte zuvor schon die Täufer – der staatskirchlichen Bevormundung entzogen und ganz im Sinne des reformatorischen Erbes als Nachfolger von Jesus leben wollten. Sie wurden deshalb unterdrückt und von der Berner Obrigkeit «zurechtgestutzt», manche sogar aus ihrer Heimat vertrieben.

Genfer Einfluss

Die Staatskirche hatte sich damals ganz der Aufrechterhaltung der bestehenden politischen Ordnung verschrieben, verlor jedoch zusehends an Einfluss. Ab etwa 1815 erlebte aber Genf einen geistlichen Aufbruch. Dieser «Réveil» erhielt Nahrung und Inspiration einerseits von den Herrnhuter Brüdern, andererseits aber auch durch den britischen Methodismus. 1816 kam der erst 24-jährige Antoine Galland aus Genf als Vikar nach Bern und brachte etwas von diesem frischen geistlichen Wind. Die Französische Kirche in Bern wurde damit zum Ursprungsort einer Erweckung, die sehr «ganzheitlich» war und weite Teile Europas beeinflusste.

Ganz natürlich suchten und pflegten «die Erweckten» über den sonntäglichen Gottesdienst hinaus Gemeinschaft und trafen sich zu ihren «Stunden» – weshalb sie spöttisch auch «Stündeler» genannt wurden. Es herrschte Aufbruchsstimmung wie zur Zeit der Ur-Christen. So konnte man zum Beispiel wohlhabende Frauen und ihre Hausangestellten gemeinsam betend auf den Knien sehen. Sie kümmerten sich aber auch um die grossen sozialen Nöte ihrer Zeit. Sie gründeten Waisenhäuser, Schulen, Ausbildungsstätten und Spitäler. Noch heute steht über dem Eingang zur ehemaligen Knabenschule (und dem heutigen Hauptquartier der Berner Polizei) der Vers: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes». Die von Napoleon entmachteten Patrizier spielten dabei eine wichtige Rolle, denn sie waren meist wohlhabend, gut ausgebildet und breit vernetzt. In Jesus fanden viele von ihnen einen Lebenssinn und eine neue Aufgabe.

Entwicklung der Berner Allianz

In Bern wurde die jährliche Gebetswoche der Europäischen Evangelischen Allianz etwa 1850 eingeführt. Aber ein Tagebucheintrag vom 2. Januar 1837 zeigt, dass der geistliche Hunger schon vorher gross war: «Herr Pfr. Schaffter hat auch bei uns das Interesse an einem allgemeinen Gebetsverein zu Gunsten einer Ausgiessung des heiligen Geistes angeregt. Heute Abend ist in vielen Ländern für diesen wichtigen Gegenstand gebetet worden: Auch in Bern, im Waadtland, in England und in Nordamerika...»

Die Allianz als Institution ist heute in Bern eher schwach aufgestellt. Aber das Miteinander lebt. Zum Beispiel, wenn sich mehrere Gemeinden für Jugendangebote, soziale Dienste oder evangelistische Aktivitäten zusammenschliessen. Mich persönlich hat in den letzten 25 Jahren eine wöchentliche Gebetsgruppe von Männern aus rund zehn Gemeinden stark geprägt und getragen. Das Herzensanliegen von Jesus «Dein Reich komme!» bekommt durch dieses Miteinander wirklich Hand und Fuss!

Dieser Artikel erschien zuerst im SEA Fokus.

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Datum: 29.04.2022
Autor: Wilf Gasser
Quelle: Gruner, Paul: Die Stillen im Lande und die Evangelische Allianz / SEA Fokus

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