Pfarrermangel
Das Theologiestudium "aus der Ecke holen"
In der Schweiz zeichnet sich ein Pfarrermangel ab– obwohl das Ansehen des Berufs wieder zu steigen scheint.
An Arbeit fehle es nicht, sagt Pfr. Hans Strub, im Konkordat der Deutschschweizer reformierten Kirchen zuständig für die Aus- und Weiterbildung von Pfarrern, in einem Gespräch mit der Reformierten Presse. Manchmal finde ein Pfarrer in einer bestimmten Region nicht gleich eine Stelle. Anderseits «müssen viele Gemeinden zweimal ausschreiben, nicht nur im Bündnerland».
Trotz des Abbaus von Pfarrstellen wegen des anhaltenden Mitgliederrückgangs - in der Zürcher Kirche fallen in den nächsten Jahren gegen 20 Stellen weg - rechnet Strub mittelfristig mit einem «erheblichen Pfarrermangel».
Studierendenzahlen nach 1990 eingebrochen
Als Grund dafür nennt er den Absturz der Studentenzahlen Mitte der 90er Jahre. Die Zahl der Abgänger habe sich seither stabilisiert, konstatiert der Ausbildungsverantwortliche, «aber wir bräuchten mehr junge Theologinnen und Theologen». Diese zögerten heute eher, nach der Ordination gleich eine Stelle anzutreten.
Namentlich Theologinnen wünschen Teilzeit zu arbeiten, doch ist es laut Strub «nicht einfach, für eine Stellenaufteilung ein passendes Gespann zu finden». Daher sei in den nächsten Jahren ein deutlicher Anstieg der Studierendenzahlen vonnöten, und zwar umso mehr, als die deutschen Kirchen wegen vieler Pensionierungen in den nächsten Jahren ebenfalls einen erhöhten Bedarf haben.
Höhere Wertschätzung infolge Krise
Ist das Sozialprestige des Pfarrerberufs gesunken? Nein, meint Strub, nach einer «Selbstmarginalisierung des Pfarramts» in den 80er und 90er Jahren steige sein Ansehen wieder. Die Finanzkrise habe grosse existentielle Fragen geweckt und lasse Menschen mehr nach Überweltlichem fragen.
«Es gibt heute in der Gesellschaft allgemein eine Gegenbewegung zur Institutionenskepsis der Achtundsechziger.» Die Kirche werde als Ort der Spiritualität, der Kultur und der Wertebildung wieder mehr geschätzt.
Das Interesse an der theologischen Ausbildung, wie die Fakultäten sie bieten, hält damit nicht Schritt. Strub erklärt das damit, dass die Eltern und Lehrer der Jugendlichen, die motiviert werden müssten, noch der 68er-Generation angehörten, für die das Theologiestudium «etwas Seltsames» sei.
Dagegen betont der Ausbildungsverantwortliche, der im nächsten Jahr in den Ruhestand geht, die Vielfalt des Theologiestudiums. Andere Studiengänge glänzten vielleicht mehr, doch «das Theologiestudium müssen wir aus der Ecke holen; es ist zu wenig bekannt, wie spannend es ist».
Deutschland: Drei Fünftel Frauen
Im vergangenen Wintersemester studierten in Deutschland insgesamt 9517 Personen evangelische Theologie. Davon waren 3734 Männer und 5783 Frauen. Das Interesse am Theologiestudium bleibt weitgehend stabil. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, gab es bundesweit im Wintersemester 2008/09 rund 1923 Studenten im ersten Fachsemester evangelische Theologie. Ein Jahr zuvor waren es 1‘971.
Die Gesamtzahl der Studierenden der evangelischen Theologie (als erstes Studienfach) hatte im Wintersemester 1984/85 einen Höhepunkt mit deutschlandweit insgesamt 16.656 Personen. Die Zahlen gingen zurück auf rund 7000 im Wintersemester 2004/05 und sind seither wieder gestiegen.
Webseite mit Infos zum Theologiestudium: www.theologiestudium.ch
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch
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