Reden mit Gott
Warum Gebet (meistens) kein Gespräch ist
«Gebet, das ist mein Gespräch mit Gott. Ich rede – er antwortet.» So oder ähnlich hört sich eine landläufige Definition für das Beten an. Doch in Wirklichkeit ist Gebet viel einseitiger, als manche Christen wahrhaben wollen. Und das ist nicht nur biblisch, sondern wirkt enorm befreiend auf unser Gebetsleben.
In einem Gespräch, einem Dialog geht es um mehr als das Übermitteln meiner Nachricht. Da wechseln sich Sprecher und Hörer in ihren Rollen ab, da antwortet man, fragt zurück, fällt sich sogar ins Wort… Übertragen auf das Gebetsleben habe ich lange gedacht: Genauso ist es doch. Meistens habe ich allerdings in Klammern dazu gesetzt: Genauso sollte es sein, denn meine persönliche Erfahrung sah anders aus. Und ich habe mir die Schuld dafür gegeben, dass ich eben nicht geistlich genug war. Dabei funktioniert Gebet meistens als Monolog.Gebet als Einbahnstrasse
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich glaube durchaus, dass Gott auf Gebet antwortet. Was ich in Frage stelle, ist der scheinbar immer vorhandene «Dialog» mit Gott im Gebet. Mein Gebetsleben sieht jedenfalls meistens so aus, dass ich Gott sage, was ich auf dem Herzen habe. Manchmal denke ich es auch nur, aber ich bin sicher, dass er das genauso hört. Anschliessend sage ich «Amen» und das war mein Gebet.
Wie sieht nun Gottes Teil unseres Gespräches aus? Pflanzt er mir seine Gedanken ins Hirn? Redet er hörbar? Erinnert er mich an Bibelverse? All das ist möglich, doch ein Blick ins Neue Testament zeigt mir, dass es schon in biblischer Zeit extrem selten vorkam. Ich scheine nicht allein damit zu sein, dass Gebet in erster Linie mein Reden mit Gott ist. Nebenbei: Genau diese Einseitigkeit steckt von Grund auf in den meisten unserer Gebetsformen. Weder Fürbitte noch Anbetung, weder Klage noch Dank sind darauf angelegt, dass da jemand direkt antwortet…
Auch in der Bibel sind direkte Antworten selten
Jesus betete einmal: «Vater, verherrliche deinen Namen!» Da kam als Reaktion eine Stimme vom Himmel und unterstrich: «Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.» (Johannesevangelium Kapitel 12, Vers 28)
Die damaligen Zuhörer interpretierten das Gehörte als Donner oder Reden von Engeln – klar verständlich war es wohl nur für Jesus selbst. An anderen Stellen werden ähnliche Antworten Gott direkt zugeschrieben (Matthäusevangelium 3,17; 17,5; Offenbarung 4,1).
Viel später betete Paulus darum, dass Gott einen «Pfahl in seinem Fleisch» entfernen sollte. Er erhielt als direkte Antwort: «Meine Gnade ist alles, was du brauchst! Denn gerade wenn du schwach bist, wirkt meine Kraft ganz besonders an dir.» (2. Korinther Kapitel 12, Vers 9)
Auch an anderen Stellen trat Paulus durchaus in eine Art Dialog mit Gott ein (Apostelgeschichte 9,3-6; 22,17-22). Allerdings unterstreicht der gesamte Kontext bei diesen Ereignissen, dass die Antwort Gottes etwas Besonderes war. Sie war nicht die erwartete Normalität. Texte wie die oben beschriebenen über Gottes Reden im Gebet bilden die absolute Ausnahme im Neuen Testament – sogar für Jesus und Paulus.
Die Bibel kennt praktisch kein Beten mit geöffneter Bibel
Dass ich bete und Gott darauf durch Gedanken oder Verse antwortet, die in der Bibel stehen, hört sich erst einmal sehr biblisch an. Ein Stück weit ist ja normal, dass ich mich an etwas erinnere, was mich gerade beschäftigt. Doch erstaunlicherweise kommt diese Art der Kommunikation in der Bibel überhaupt nicht vor. Die einzige Weise, in der neutestamentliche Beter mit der damaligen Bibel, dem Alten Testament, umgingen, war das Zitieren: In ihrem Gebet haben sie Gott Verse aus der Bibel vorgehalten, haben mit Psalmen gelobt oder geklagt.
Natürlich kann Gott trotzdem durch einen Bibelvers, der mir in den Kopf kommt, auf mein Gebet antworten. Allerdings ist diese Art der Antwort nicht unbedingt biblisch – und scheinbar nicht so häufig, wie es oft dargestellt wird.
Gott redet nicht, aber er antwortet
Kann es sein, dass die Betonung auf unser Reden und Gottes Zurückreden dem Beten einen falschen Akzent verleiht? Offensichtlich wissen wir ja kaum, was wir vor Gott wie in Worte fassen sollen. Paulus umschreibt diese Sprachlosigkeit folgendermassen: «Und auch der Geist Gottes tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein; er bringt das zum Ausdruck, was wir mit unseren Worten nicht sagen können. Auf diese Weise kommt er uns in unserer Schwachheit zu Hilfe, weil wir ja gar nicht wissen, wie wir beten sollen, um richtig zu beten. » (Römer Kapitel 8, Vers 26) Was ich weder passend noch akkurat ausdrücken kann, das «übersetzt» der Heilige Geist im Gebet. Und er antwortet für mich verständlich. So wie eine Mutter antwortet, die ihr Kind tröstet – weniger mit Worten, mehr dadurch, dass sie es in den Arm nimmt. So, wie der Mann, der seiner Frau mit einem Blick zeigt, dass er sie liebt.
Gott antwortet sehr wohl auf mein Gebet, zum Beispiel indem er mich verändert oder in die Situation eingreift, in der ich gerade stehe. All das tat er so schon zu biblischen Zeiten, ob er den Aposteln beim Auslosen eines Nachfolgers für den Verräter Judas half (Apostelgeschichte Kapitel 1, Vers 24ff) oder den Versammlungsort der ersten Gemeinde erbeben liess (Apostelgeschichte Kapitel 4, Vers 31).
Wer mit Gott im Gespräch sein will und immer auf eine verbale Antwort wartet, der wird ziemlich sicher enttäuscht werden. Wer aber betet und damit rechnet, dass Gott handelt, nur selten.
Zum Thema:
Sheila Walsh: «Christen haben die Kraft, die Welt durch ihre Gebete zu verändern»
David Kadel: «Wenn du für Sonne betest, lass den Schirm zu Hause»
«Vision for Prayer»: Neuer Schwung für das Gebet
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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