Meinte Jesus das ernst?
Höchststrafe für verweigerte Vergebung
Eigentlich war Jesus klar: Gott vergibt denjenigen nicht, die selbst auch nicht vergeben. Trotzdem scheuen sich viele Christen, der letztlichen Konsequenz dieser Aussage ins Auge zu blicken. Andere bringen sie nicht in Einklang mit ihrer Theologie.
Die Bibel ist ein komplexes Buch und kann in manchen Fragen unterschiedlich interpretiert werden. In gewissen Dingen ist die Heilige Schrift aber durchgängig klar. Es handelt sich dabei um die wichtigen Themen. In diese Kategorie gehört die Lehre, dass der Mensch durch die Sünde von Gott getrennt ist und deshalb auf dessen Vergebung angewiesen ist. Ohne Vergebung gibt es keine Verbindung mit Gott und damit letztlich kein Leben.
Verdienen wir uns Gottes Vergebung?
Wer sich fragt, wie wir Gottes Vergebung erlangen, könnte im Matthäusevangelium, Kapitel 6, in den Versen 14 und 15 fündig werden. Hier sagt Jesus: «Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben.» Hier mögen manche Leser Einspruch erheben: «Es kann nicht sein, dass wir uns durch unsere Werke Gottes Vergebung verdienen!» Und doch hat Jesus diese Worte tatsächlich gesagt.
Weiter sagt Jesus: «Wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.» Mit anderen Worten: Vergeben wir anderen, so vergibt uns Gott. Tun wir es nicht, gibt es auch für uns keine Vergebung. Die Aussage ist einfach – scheint aber in die Theologie vieler Christen nicht zu passen.
Das Entscheidende ist der Zustand des Herzens
An anderer Stelle hat Jesus erklärt, dass gute Bäume gute Früchte und schlechte Bäume schlechte Früchte bringen. «Darum werdet ihr sie an ihren Früchten erkennen.» Mit dieser Illustration erklärt Jesus, dass der Zustand unseres Herzens durch unser Tun sichtbar wird. Hätte er aber einfach darauf hingewiesen, dass es darum geht, von Gott in unseren Herzen erneuert zu werden, wäre Raum zur Selbsttäuschung geblieben. Deshalb sagte er: «Schau auf deinen Lebensstil und du wirst den Zustand deines Herzens erkennen.»
Je mehr wir Gottes Charakter in uns aufnehmen, desto mehr wird unser Charakter von seinem bestimmt. Ein intellektuelles Fürwahrhalten von Gottes Vergebung verändert uns wenig. Wenn wir diese Vergebung aber im Glauben ergreifen und verinnerlichen, wird es selbstverständlich sein, dass wir unseren Mitmenschen vergeben.
Selbstprüfung gefragt
Eine ehrliche Selbstprüfung ist gefragt: Wie halte ich es mit dem Vergeben? Wer auf die Fehler anderer blickt und sich darüber aufregt, zeigt, dass er sich mehr durch das Einhalten von Gesetzen definiert, als dadurch, die Vergebung Gottes zu leben. Und wer erfahrene Ungerechtigkeit und Enttäuschungen den Verursachern über Jahre oder sogar Jahrzehnte nachträgt, hat kaum verstanden, wie stark er selbst von Gottes Vergebung abhängig ist.
Gott zu kennen schliesst die Erkenntnis ein, wie sehr wir dessen Vergebung nötig haben. Wer sich an einer ungetrübten Gemeinschaft mit Gott freut, wird sich dessen Vergebung wertschätzen und gerne auch anderen vergeben.
Wenn das erfahrene Unrecht schwer wiegt…
Nun kann erfahrenes Unrecht zentnerschwer auf einem Menschen lasten. Einer Mutter, deren zwei einzigen Kinder durch ein Verbrechen ihr Leben verloren haben, braucht kaum die belehrende Aufforderung, dass sie ohne Vergebung von Gott keine Vergebung empfangen würde. Doch genau in solchen Situationen, so unfassbar schwer sie auch wiegen mögen, zeigt sich die Fähigkeit zum Vergeben. Wenn diese Mutter Gottes Vergebung erfahren hat, mag sie sich mit Vergeben zwar schwertun, zeigt aber durch ihren Wunsch, vergeben zu können, dass sie in ihrer Gesinnung von Gott erfasst ist.
In Härtefällen ist Vergebung schwer und nicht mit guten Gefühlen verbunden. Spätestens wenn wir daran denken, welchen Preis es Jesus gekostet hat, damit wir Vergebung für unsere Vergehen erhalten, wird dies klar. Einem Feind, der uns echten Schaden beigefügt hat, zu vergeben, ist mit Sicherheit nicht selbstverständlich. Der Wunsch zu vergeben, ist ein Zeichen, dass Gottes Vergebung den Weg in unser Herz gefunden hat.
Jesus hat es ernst gemeint
Jesus meint seine herausfordernden Worte absolut ernst. Ob wir eine Bereitschaft oder eine Ablehnung zum Vergeben haben, hat ewige Konsequenzen. An dieser Stelle ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Jesus schlicht die Lage von zwei Menschen beschreibt: Der eine ist vergebungsbereit, der andere nicht.
Wer sich unfähig fühlt, seinem Übeltäter zu vergeben, kann resignieren und sagen: «Ich schaffe es nicht, mir Gottes Vergebung zu verdienen!» Damit setzt er jedoch an falscher Stelle an. Die Fähigkeit zu vergeben soll nicht in sich selbst gesucht werden, sondern in dem, was Jesus für uns getan hat. Wer fehlende Vergebungsbereitschaft feststellt, erkennt, dass er weniger von Gottes Gnade geprägt ist als gedacht. Es ist gut, diesen Mangel zu bekennen und trotzdem bei Gott Annahme zu erfahren. Interessanterweise wächst gerade dadurch die Fähigkeit zu Vergeben.
Wer Gottes Vergebung tief im eigenen Leben aufgenommen hat, wird entsprechende Bereitschaft zum Vergeben an den Tag legen. Das ist vergleichbar mit einem Fluss, der von Gott zu uns fliesst und dann weiter zu unseren Mitmenschen. Wer nicht vergeben will, steht nicht im Vergebungsfluss und wer zwar vergeben will, aber nicht zu können glaubt, ist eingeladen, tiefer in diesen Fluss hineinzutreten. So schwierig die Situation im Moment sein mag – tiefer in Gottes Wahrheiten einzutauchen, wird ein Gewinn fürs Leben sein.
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet
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