Paul Kleiner
Der aaronitische Segen
Paul Kleiner vom Forum Integriertes Christsein nimmt den Segen unter die Lupe, der wohl am häufigsten am Schluss eines Gottesdienstes der Gemeinde zugesprochen wird, den so genannten aaronitischen Segen.
Dieser Segen findet sich in 4. Mose Kapitel 6, Vers 24-26: «Gott segne dich und behüte dich. Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe sein Angesicht zu dir und gebe dir Frieden.» Er besteht aus drei kurzen Doppelsätzen, die den Inhalt dieses Segens entfalten.
Gott segne dich und behüte dich
Segen von Gott: Das ist seine heilschaffende Kraft zur Lebenssicherung und Lebenssteigerung. Im Alten Testament ist Segen zunächst ganz handfest. Er zeigt sich in der vom Schöpfer geschenkten Fruchtbarkeit für Mensch und Vieh. Das heisst also: viele Kinder und viele Rinder, ein reicher Ertrag bei der Ernte und materieller Wohlstand.
Segen wird aber auch umfassender verstanden: Segen ist zuerst und zuletzt die Gegenwart des lebendigen Gottes, sogar in Situationen von Hunger und Heimatlosigkeit, von Streit und Scheidung. Mit einem Seitenblick auf die Ukraine: Könnte es auch in dieser schrecklichen Situation für die Menschen dort Segen geben, eben die neu erfahrene Gegenwart des lebendigen Gottes auf der Flucht und im Krieg?
Dieser Segen hat zwei Ausrichtungen: Gott segne dich mit Gutem – und dann auch: Gott behüte dich vor Bösem. Denn das Gute ist nicht selbstverständlich. Das Leben ist zerbrechlich und gefährdet. So gehört zur Steigerung des Lebens auch die Abwehr von Unheil, Zerfall, Krankheit und Bösem.
Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig
Gottes Segen bedeutet, dass er uns sein Gesicht zuwendet: Ein leuchtendes Gesicht, das sich freut, weil es uns sieht. Helle und lachende Augen, mit Heiterkeit und Wohlwollen.
Das brauchen wir Menschen doch immer wieder: Zuwendung und Wohlwollen. Dass jemand uns sagt: «Ich freue mich, dich zu sehen.» – «So schön, dass du da bist.» Segen bedeutet: Gott heisst uns willkommen. Er schaut uns an und leuchtet uns entgegen.
Diese Zuwendung von Gott, sein uns zugewandtes leuchtendes Gesicht: Das ist Gnade. Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Das haben wir nicht verdient. Das haben wir nicht erarbeitet. Das haben wir nicht gemacht. Segen ist Gnade, Geschenk, mehr als das, womit wir rechnen können.
Der Epheserbrief konkretisiert diese Zuwendung von Gott, seinen Segen und seine Gnade. Durch Jesus Christus ist der allmächtige, heilige Gott zu uns auf diese Welt gekommen, hat uns sein Gesicht zugewandt. Durch Christus will er uns zu seinen Kindern machen, uns adoptieren, Heimat geben bei sich. Durch Christus will er uns erlösen: Lösen aus Zwängen und Bindungen, aus Selbstsucht und Ängsten, befreien zur Liebe. Durch Christus will er uns vergeben: Er will die Schuld, die uns von Gott und Menschen trennt, beseitigen; dort, wo wir uns beschämt abwenden und verstecken, sucht uns Christus und schaut uns gnädig an.
Durch Christus will uns Gott zu Erben machen; mit Christus erben wir seine Herrlichkeit und ewiges Leben, das Reich Gottes mit Gerechtigkeit und Frieden. Durch Christus erhalten wir den Heiligen Geist, Gottes Gegenwart selber, Kraft und Liebe und Besonnenheit. Segen ist Gnade: Mehr als wir uns ausgedacht haben oder erträumen könnten.
Gott erhebe sein Angesicht zu dir und gebe dir Frieden
Durch Jesus Christus hat Gott sein Angesicht auch zu uns erhoben. Er schaut uns an.
Sonst heisst es im Alten Testament mehrfach in Bezug auf Gott wie auch von gerechten menschlichen Richtern: Sie erheben ihr Angesicht nicht, weder zu den Geringen noch zu den Grossen. Sie bevorzugen niemanden. Sie sind unparteiisch. Sie lassen sich weder von Geld und Macht der Grossen beeindrucken noch vom Betteln der Geringen bewegen. Sie sind unbestechlich, für alle gleich, «ohne Ansehen der Person», sie schauen nicht an, sie erheben nicht das Angesicht zu jemandem und beugen so das Recht. Das ist die blinde Justitia, die Gerechtigkeit mit verbundenen Augen!
Was vor Gericht ganz zentral ist, kehrt sich beim Segen Gottes gerade ins Gegenteil: Gott erhebt sein Angesicht zu uns. Er ist parteiisch, er ist ganz auf unserer Seite, für uns, uns zugewandt. Dabei ist sein Segen aber so gross und umfassend, dass er für alle reicht. Wenn Gott sein Angesicht zu dir erhebt, für dich Partei ergreift, dann kommen auch deine Nachbarin und sogar dein Feind nicht zu kurz. Gott erhebt sein Angesicht zu allen, um zu segnen, persönlich und individuell. Das unbestechliche Gericht, das wir alle verdienen, hat Jesus Christus am Kreuz auf sich genommen. Den Segen, den wir alle brauchen, gibt er grosszügig und freigiebig: Gott erhebe sein Angesicht zu dir und gebe dir Frieden.
In diesen Frieden mündet aller Segen: Frieden mit Gott, Frieden mit sich selber, Frieden mit andern, Frieden in der ganzen Schöpfung. Des Friedens wird kein Ende sein, er ist grenzenlos: Das ist die Heilsvision im Propheten Jesaja für das Reich Gottes. Meinen Frieden gebe ich euch, verspricht Jesus denen, die ihm nachfolgen. Friede sei mit euch ist der Gruss des auferstandenen Jesus Christus nach Ostern und Gnade und Friede von Gott ist die Eröffnung in den neutestamentlichen Briefen. Der Gott des Friedens segnet mit seinem Frieden – mit dem wunderbaren Bild aus Psalm 85, Vers 11: Gnade und Treue finden zusammen, es küssen sich Gerechtigkeit und Friede. Das ist Gottes Wille und daraufhin zielt er mit dieser Welt und seinem Segen.
Noch ist es nicht so weit. Das erleben die Menschen in der Ukraine, aber auch in Syrien, Afghanistan oder im Jemen gerade sehr schmerzlich. Und viele von uns nehmen ohnmächtig, wütend, ängstlich aus 1500 Kilometern Entfernung daran teil. Deshalb brauchen wir alle im Grossen und im Kleinen Segen, Gnade und Frieden von Gott.
Dieser Artikel erschien zuerst im Forum Integriertes Christsein.
Zum Thema:
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Autor: Paul Kleiner
Quelle: Forum Integriertes Christsein
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