Bibel-Interpretation
Wie biblische Geschichten falsch verstanden werden
Viele Christen interpretieren biblische Geschichten heutzutage falsch – weil sie sich zu pragmatisch dem Text nähern. Davor warnt der Theologe Eric J. Bargerhuff in seinem neuen Buch und stellt die 14 Geschichten vor, die am häufigsten fehlinterpretiert werden.
In seinem Buch «The Most Misused Stories in The Bible: Surprising Ways Popular Bible Stories Are Misunderstood» (Die am häufigsten falsch genutzten Geschichten der Bibel: Überraschende Möglichkeiten, wie biblische Geschichten falsch verstanden werden) schreibt Eric J. Bargerhuff von 14 biblischen Geschichten, die seiner Meinung nach falsch interpretiert werden; dazu gehören die Geschichten von Kain und Abel, Jona und dem grossen Fisch und die Frage, warum Jesus keine Wunder in seiner Heimatstadt tun konnte. «Ich versuche, die literarische, grammatikalische, geschichtliche, kulturelle Hermeneutik zurückzugewinnen und achte dabei auf den Genre und die Literatur, die wir interpretieren wollen», erklärte der Autor mit Doktortitel der Trinity Evangelical Divinity School im Interview mit The Christian Post.
David hatte keine Angst vor Goliath
Beispielsweise die Geschichte von David und Goliath. Sie wird oft als Inspiration genutzt, um die Zuhörer zu ermutigen, Ängste und grosse Hindernisse im Leben zu überwinden. Dies macht scheinbar Sinn, wenn man bedenkt, dass David viel kleiner als der riesige Philister und nur mit ein paar Steinen und einer Schleuder bewaffnet war.Doch, so schreibt Bargerhuff, wenn man die ganze Geschichte liest, merkt man, dass David überhaupt keine Angst vor Goliath hatte, weil er bereits oft erlebt hatte, wie Gott ihm im Kampf mit Löwen und Bären geholfen hatte, gegen die er die Schafe seines Vaters verteidigte. Er begegnete dem Riesen ohne jede Angst, weil er Gott vertraute. «Der Hauptpunkt der Geschichte ist also nicht, Angst zu überwinden und den eigenen Riesen zu begegnen, sondern vielmehr, der Macht und der Eigenschaft Gottes zu vertrauen, dass er handeln wird. Wenn Gottes Ruf gefährdet ist und ein Mann oder eine Frau des Glaubens aufsteht, um seine Ehre zu verteidigen, können Sie sich sicher sein, dass Gott dort sein wird», heisst es im Buch.
Text sollte den Leser meistern
Viele Christen seien in die Angewohnheit verfallen, die Bibel auf eine Weise zu interpretieren, dass eigene Bedürfnisse erfüllt würden, erklärte Bargerhuff im Interview weiter. «Deshalb nähern wir uns dem Text, indem wir versuchen, ihn zu meistern, anstatt zuzulassen, dass der Text uns meistert.» Gottes Wort sei dazu da, durch den Heiligen Geist zu korrigieren, zu ermahnen und zu ermutigen – und deshalb sei es nötig, sich demütig dem Text zu nähern und die ursprüngliche Absicht des Autors im Blick zu behalten. Dann könne man Prinzipien aus dem Text holen, die sich zeitlos anwenden liessen und auch in unsere Kultur geholt werden können. «Die grosse Herausforderung ist, diese zeitlosen Prinzipien zu nehmen und sie treu auf uns heute anzuwenden.»
Gideon und das Vlies – Gottes Wille?
Ein weiteres Beispiel, von dem der Autor im Interview sprach, ist die Geschichte von Gideon. Gott sei Gideon in Form eines Engels begegnet und habe ihm Anweisungen gegeben, was er tun sollte. Durch den schwachen Glauben Gideons habe dieser weitere Beweise dafür von Gott verlangt. «Gott war in seiner Gnade und Erbarmen bereit, Gideon zu erlauben, diese Tests zu machen, aber das kam durch Gideons Schwachheit, nicht weil Gott ihm befohlen hätte, das Vlies auszulegen.» Aus der Geschichte solle man also nicht folgern, dass Gott von Christen verlangt, solche Vliese auszulegen. «Das wird für uns zu einem Ratespiel und wir beginnen sogar, die Ergebnisse zu manipulieren… Ich glaube nicht, dass dies der Weg ist, durch den Gott heute will, dass wir seinen Willen erfahren. Er will, dass wir ihn und seine Ehre suchen», so Bargerhuff. «Wenn wir das tun und ihm nachjagen, so dass er die Wünsche unseres Herzens formen kann, dann leitet er uns auf dem Weg, den wir gehen sollen.»
«Meine Absicht mit dem Buch ist, Menschen herauszufordern, diese Geschichten genauer anzuschauen und sie von einem biblisch-theologischen Fundament her zu interpretieren. Die Tendenz ist, sie nur von einem pragmatischen Ansatz her anzuschauen und wenn wir sie nur auf diese Weise sehen, dann besteht die Tendenz, die tiefen Wahrheiten zu verpassen, die Gott uns über sich selbst und über seinen Willen für unser Leben lehren will.»
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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Christian Post
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