Medien und Freikirchen
«40 Prozent wissen nicht, was eine Freikirche ist!»
Wie werden Kirchen, vor allem Freikirchen, von den Schweizer Medien abgebildet und in der Gesellschaft wahrgenommen? Dazu gibt es jetzt repräsentative Daten, vorgestellt im Praxisbuch «So machen Kirchen Schlagzeilen». Beim Thema Kommunikation der christlichen Botschaft kommt Buch-Herausgeber und PR-Profi Markus Baumgartner in Fahrt. Ihn ärgert es, dass Freikirchen vor allem mit Anti-Positionen statt mit guten Nachrichten wahrgenommen werden.Im Buch «So machen Kirchen Schlagzeilen» schreiben Sie, dass Sie seit Jahren unter der kirchlichen Unfähigkeit leiden, für gute Presse zu sorgen. Was schmerzt denn so?
Markus Baumgartner: Seit über 40 Jahren besuche ich eine Freikirche. Es tut mir als Kommunikationsprofi weh, dass noch heute im Zusammenhang mit Freikirchen rasch einmal von Sekten gesprochen wird. Freikirchen werden in einen Topf geworfen mit den Zeugen Jehovas und Scientology. Das tut echt weh! Dieses Image haben Freikirchen in all den Jahren nicht verbessern können.
Nun zeigt aber eine wissenschaftliche Arbeit, dass Freikirchen von der Presse insgesamt positiv wahrgenommen werden…
Genau, das ist eine gute Nachricht und ein Teil der laufenden positiven Entwicklung. Geht man aber in die Tiefe, sieht man, dass die positive Berichterstattung nur für die regionalen Medien gilt, während sie bei den nationalen Medien leider ins Negative kippt. Und klammert man die Heilsarmee aus, die das Image eines grossen sozialdiakonischen Hilfswerks hat, dann wird die Auswertung ebenfalls negativ.
Heisst das, um medien- und damit gesellschaftsrelevant zu sein, müssen sämtliche Freikirchen Heilsarmee-Kirchen werden?
Ich will mit Bezug auf die Bibel antworten. Jakobus sagt deutlich, das Evangelium sei Wort und Tat. Wir leben zu einseitig auf das Wort bezogen und dort gerade noch einmal einseitig, nämlich vorwiegend auf das von Luther geprägte Wort «sola scriptura». In der Kommunikation geht es aber zusätzlich um sehr viele nonverbale Formen – um Gefühle, Stimmung, Ton, Dekoration, Mystik. Das ist Kommunikation ohne Worte. Petrus schreibt in seinem ersten Brief, am Anfang von Kapitel 3, gläubige Frauen sollen ihre ungläubigen Ehepartner allein durch ihren Lebenswandel gewinnen. Evangelisation ohne Worte ist möglich!
Allerdings dürften auch diese Frauen ab und zu mit ihren Männern geredet haben… Verstehe ich Sie richtig: Ihnen fehlt die Ausgewogenheit zwischen Reden und Tun?
Die Balance fehlt, ja. Das Praxisbuch enthält als Inspira- tionsquelle ein Kapitel über das «Dienstagsmail», das jede Woche Medienberichte abbildet, die positiv sind.
Es ist also noch nicht alles verloren. Das «Dienstagsmail» erscheint seit zehn Jahren. Brauchen Sie heute weniger Suchaufwand, um in der Schweizer Presse positive Berichte über kirchliche Aktionen zu finden?
Das ist gleich geblieben. Es gibt viele einzelne, regionale Aktionen. Was ich vermisse, sind positive kirchliche Schlagzeilen auf nationaler Ebene. Das signalisiert mir, dass die Christen ihre Kernbotschaften verloren haben.
Das heisst, die gute Nachricht von der Zuwendung Gottes zu den Menschen, von Vergebung und Freiheit werden entweder nicht vermittelt oder sind für die Medien nicht relevant?
Ja. Wir haben beim Institut GfS eine Umfrage in Auftrag gegeben und gefragt, was der Schweizerin, was dem Schweizer im Zusammenhang mit dem Begriff «Freikirche» in den Sinn kommt. Leider stehen an erster Stelle drei Anti-Positionen: gegen Abtreibung, gegen Homosexualität, gegen Sex vor der Ehe. Das heisst, die freikirchlichen Christen sind für etwas bekannt, was nicht der Hauptbotschaft der Bibel entspricht.
Immerhin sind es doch Themen, die Teil sind einer biblisch-christlichen Ethik.
Ja. Aber im Vergleich dazu gibt es Hunderte von Bibelstellen über Hoffnung, Freude, Frieden, Liebe. Die Prioritäten stimmen nicht!
Was ergab die GfS-Umfrage insgesamt?
Das Ergebnis schmerzt. Mehr als 40 Prozent der Befragten sagten, sie wüssten gar nicht, was eine Freikirche sei, sie hätten noch nie davon gehört. Von Chrischona, FEG, SPM, Heilsarmee hat jeder Zweite schon einmal etwas gehört. Interessanterweise ist der ICF schweizweit wenig bekannt.
Unter welchen Themen sollten die Freikirchen bekannt sein?
Ich habe Respekt für alles, was im Kleinen von einzelnen Christen getan wird. Eine einzelne lokale Freikirche mit 80 bis 150 Mitgliedern hat eine beschränkte Kraft, um gesellschaftlich relevant zu sein. Sie ist oft stark mit sich selber beschäftigt und in der Gefahr, ein Krankenhaus zu sein, das sein eigenes Personal therapiert; nur ab und zu kommt ein Patient frisch rein. Man müsste die Strukturen so ändern, dass alles darauf ausgerichtet ist, wozu Jesus auffordert, nämlich auf das «Gehet hin!». Was wir tun, ist «Kommet her!» Aber Christen sind gesendet, sie gehören dorthin, wo die Menschen sind.
Ich bin skeptisch – das individuelle «Hingehen» wird die öffentliche Wahrnehmung kaum verändern.
In der Gesamtheit schon, doch. Was würde geschehen, wenn alle regionalen Allianzgemeinden darüber nachdenken, was ihr «Gehet hin»-Ansatz ist? In Luzern fragten die Kirchenvertreter die Stadtbehörden, wo die Lücken im Sozialdienst sind. Das war vor über 20 Jahren. Die Antwort war, wir haben zu wenig Plätze für Drogenabhängige. Daraus entstand eine christlich-therapeutische Suchtarbeit, es folgten weitere Angebote für sozial Schwache. Diese Initiative macht seither positive Schlagzeilen.
Von welcher Blick-Schlagzeile träumen Sie seit Jahren?
Hätte es vor 2'000 Jahren in Jerusalem und Judäa ein Massenblatt gegeben, hätte Jesus ständig für Schlagzeilen gesorgt wie «Jesus hat einen Blinden geheilt!», «Jesus ging auf dem Wasser!», «Jesus gab 5'000 Personen zu essen!» Die Leser hätten sich gefragt: Was passiert da? Was ist da dran? – Ich möchte eben nicht nur eine einzige Schlagzeile lesen, sondern regelmässig via Medien erfahren, wie Gott in der Welt und unter Menschen Positives bewirkt.
Gleichzeitig hat Jesus die Selbstherrlichkeit des Establishments angeklagt. Auch das hätte damals Schlagzeilen gemacht, wenn auch möglicherweise negative…
Aber Jesus hätte dies ohne Machtanspruch getan. Er hat die Religiösen hinterfragt und damit denen einen Spiegel vorgehalten, die in ihrem Leben Wort und Tat nicht in Übereinstimmung brachten. Was ich heute als wichtig erachte: Wir müssen diskursfähig werden. Dazu gehören gute Predigten und eine verständliche Sprache in der Gesellschaft. Das hat mit Training zu tun. Wir sind oft nicht fähig, gute Antworten zu geben, wenn wir nach unserem Glauben gefragt werden. Doch genau dazu fordert uns die Bibel auf. Man lese nach in 1. Petrus 3, Vers 15. Da dürfen wir uns nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Lesen Sie das Interview mit Markus Baumgartner und weitere Informationen zu seinem Buch «So machen Kirchen Schlagzeilen» im Wochenmagazin ideaSpektrum 42-18.
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Autor: Rolf Höneisen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz
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