30 Jahre Freiheit
Albanische Christen: «Es war eine schreckliche Zeit!»
Der 14. November 2021 war ein ganz besonderer Tag für die Christen in Albanien: Seit 30 Jahren dürfen sie sich wieder in Freiheit treffen. Mehr oder weniger ungeplant war Barbara Rüegger bei der Feier dabei und sprach auch mit einer albanischen Christin.
Es regnete an diesem Sonntagmorgen und unsere Freunde, mit denen wir gerade drei volle Planungstage für ein Netzwerk für Albanien ohne Waisen verbracht hatten, luden uns ein, beim grossen Gottesdienst auf dem zentralen Platz in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, dabei zu sein. VUSH, die albanische evangelische Allianz, hatte die Christen eingeladen, um gemeinsam zu feiern.
Das Bild auf dem grossen Bildschirm über der Bühne sagte klar, was an diesem Tag gefeiert wurde: Es ist dreissig Jahre her, dass die evangelische Kirche Albaniens sich wieder treffen darf, ja, dass alle Religionen in Albanien sich wieder in Freiheit versammeln können. 1991 wurde das totalitäre Regime, welches das Land von allen äusseren Einflüssen abgeschottet hatte, gestürzt und eine neue, vom Volk gewählte Regierung eingesetzt. Damit kam auch die neue Freiheit für Christen und Muslime, sich wieder zu treffen.
Ein Zeichen für diese allgemeine Freiheit war dann auch der Ruf zum Gebet, der während des Gottesdienstes auf dem Zentralplatz aus der nahen Moschee zu hören war. Während der Anbetung richtete sich die Kamera auf einen älteren Mann, der in der Nähe der Bühne stand und voller Freude mitsang und mittanzte. Sicher erinnerte er sich an die Zeit, in der solche Versammlungen unmöglich gewesen waren. Es war bewegend, an diesem besonderen Tag mit unseren albanischen Geschwistern zusammen auf dem Platz zu stehen, auf dem bis zum Jahr 1991 das Standbild des Diktators Enver Hoxha stand, um nun diese Freiheit mit ihnen zu feiern.
Interview mit einer albanischen Christin
Mehr über die Geschichte Albaniens, und auch der Christen erzählt Ilona im folgenden Interview.
Ilona, erzähl doch, wer du bist und was du machst.
Ilona: Ich bin Ilona und komme aus Elbasan, wo ich auch
aufgewachsen bin.
Westeuropäer wissen nicht so viel über Albanien. Erzähl mir doch ein wenig von Albaniens Geschichte.
Wir waren für etwa 500 Jahre, von 1418 bis 1912, unter
dem muslimischen Regime der Türkei als Teil des osmanischen Reiches und haben
in der Zeit viel Gewalt und Unterdrückung erlebt. Zwischen dem 1. und 2.
Weltkrieg waren wir ein Königreich unter König Zog 1., bis dann die Italiener
das Regime übernahmen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden wir eine selbständige
Republik mit einer kommunistischen Regierung, die erst 1991 endete. Ich habe
diese Zeit erlebt und es war eine schreckliche Zeit. Wenn ich daran zurückdenke
kann ich es manchmal selber fast nicht glauben, dass wir solche fürchterlichen Dinge erlebt haben. Wir lebten nach der Order der
kommunistischen Partei und wurden gezwungen, zu denken und zu sagen, was die
Regierung wollte; wir mussten sogar die Kleider tragen, die sie wollten.
Heute verstehe ich, dass die Regierung alles vereinnahmen wollte, was Gott geschaffen hatte. Wir durften nicht einmal das Wort Gott sagen. Vor dem kommunistischen Regime hatten wir orthodoxe, katholische und auch ein paar evangelische Kirchen, wie auch Muslime und Bektaschis, eine Albanische muslimische Gruppe. Aber die kommunistische Regierung erklärte Albanien zum ersten völlig atheistischen Land der Welt und alle Religionen waren verboten. Kirchen und Moscheen wurden zerstört, Priester und jedermann, der erklärte, dass er an Gott glaubte, wurde, zusammen mit seiner ganze Familie, ins Gefängnis geworfen und viele wurden getötet. Die meisten, die ins Gefängnis geworfen wurden, starben auch dort, kaum einer kam lebend heraus.
Heute ist das zum Glück anders. Wie hat
sich das alles verändert und wie bist du Christ geworden?
Das Leben in Albanien war ganz schlimm, wir waren sehr
arm und Leute wollten Veränderung sehen. Albanien war schlimmer als ein
Gefängnis, im Gefängnis kann man wenigstens noch nach draussen telefonieren,
was uns aber absolut verboten war. Wir durften keinen Kontakt haben mit der
Welt ausserhalb Albaniens. Aber nun unterstützten Botschaften die Studenten,
die auf die Strasse gingen und Demokratie verlangten. Es waren gefährliche
Zeiten, wir hatten auf der einen Seite die Studenten und ihre Familien, auf der
anderen Seite die Armee, die sich gegenüber standen. Aber auch die Soldaten Albaniens wollten Frieden und Freiheit und wir danken Gott,
dass die kommunistische Regierung sich schlussendlich dazu entschied, auch
andere Parteien zuzulassen. 1991 hatten wir dann die ersten demokratischen
Wahlen und so wurde aus dem absolut verschlossenen Land wieder ein Land, das
Kontakt mit anderen Ländern hatte.
In dieser Zeit kamen viele Missionare nach Albanien. Ich war Studentin und studierte Musik. Ich fragte mich, ob es einen Gott gebe und wo er dann wäre. Ich hörte immer wieder mal etwas über Gott und suchte ihn wirklich von ganzem Herzen. Viele Leute haben von Jesus erzählt und während zwei Jahren habe ich nach Jesus gesucht. Er hat es möglich gemacht, dass ich ihn finden konnte. Als ich ihn fand, hat mich das total verändert, so dass meine Freunde an der Universität, die ich nach den Ferien, in denen ich Jesus als meinen Herrn annahm, wieder traf, sagten, dass ich total anders aussähe, dass meine Augen anders seien, dass ich so ein Strahlen hätte. Ich begann, die Bibel zu lesen und war von jedem Buch, das ich las, begeistert. Ich liebe Jesus und folge ihm nach.
Du leitest heute sogar eine eigene Organisation?
Nach der Universität habe ich Gott gebeten, mir zu
zeigen was ich tun sollte. Ich bin Teil der Gemeindeleitung meiner Gemeinde in
Elbasan und mit einer Bekannten zusammen leite ich eine Organisation, die sich
um Kinder kümmert, die auf der Strasse leben und auch um Jugendliche, die aus
den Kinderheimen austreten müssen. Viele Kinder in Elbasan haben Väter, die im
Gefängnis sind, oder Mütter, welche sich prostituieren. Die Kinder wachsen dann
oft bei den Grosseltern auf. Wir kümmern uns um diese Kinder, haben einen
Kindergarten und ausserschulisches Programm für sie, damit sie einen
geschützten Ort haben, wo ihnen vermitteln wird, dass sie geliebt sind und das
Jesus sie liebt.
Zum Thema:
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Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet
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