Mit 470 PS nach Moldawien
Schlaglöcher und mürrische Zöllner
Am Tag auf klapprigen Strassen, nachts im Kajütenbett im Cockpit und dazu ein sich herumschlagen mit übel gelaunten Zollbeamten – das ist der Cocktail und das tägliche Brot in einem, für die Chauffeure von Hilfstransporten nach Osteuropa. Fast tagtäglich sind mutige Freiwillige mit schweren Lastwagen des Werks «Licht im Osten» in Osteuropa unterwegs. Livenet.ch begleitete einen 40-Tonnen-Truck nach Moldawien, ins ärmste Land Europas.
Dann aber blättert der muskelbepackte Hüne eine Weile in den Dokumenten herum und haut etliche Stempel auf unsere Zoll-Papiere, keucht bei jedem «Tscha-dack»-Geräusch des mächtigen Stempels und druckt mit grüner Farbe das Emblem seiner Nation.
Schikane am Zoll
Die rumänische Seite ist somit passiert und ein nicht unfreundliches «Trum Bun», also «Gute Fahrt» auf Rumänisch, brachte der Beamte schliesslich über die Lippen. Die eigentlichen Probleme dürften nun auf moldawischer Seite folgen.
Die Führer des noch jungen Staates Moldawien, gegründet am 27. August 1991, sehen es nicht gern, dass ihre Nation die wirtschaftsschwächste Europas ist. Die Armut wird geleugnet und da sind Lastwagen mit Hilfsgütern nicht von allen gern gesehen.
«Wir standen auch schon drei Tage im Zollhof und mussten den LKW zwecks Kontrolle komplett entladen», erinnert sich Lukas Blaser. Wortwörtlich tonnenweise Säcke und Bananenschachteln voller Kleider, Fahrräder, Betten und vieles mehr.
Im besten Fall würden wir in fünf oder sechs Stunden mit unseren rund 17 Tonnen Hilfsmaterial in Richtung Carpinieni fahren dürfen.
Unerreichbares Land?
Wie es üblich ist, müssen am moldawischen Zoll mehrere Stationen durchlaufen werden. An der Schlüsselstelle angekommen, ist für uns aus sprachlichen Gründen völlig unverständlich, was der Beamte im hellblauen Hemd mit aufgestickten Sternen auf den Schulterpaten von uns will.
Er ackert sich durch die Papiere, scheint einiges von uns Wissen zu wollen und hängt sich mehrfach ans Telefon. Er gestikuliert und stellt bohrende Fragen in den Apparat und sein Blick schweift in das für uns derzeit verschlossene Land – er scheint immer nachdrücklicher zu werden.
Es ist Mitte Nachmittag und wir dürften hier wohl noch sehr lange festhängen und zähe Prozeduren über uns ergehen lassen; gut möglich, dass wir beim nächsten Morgengrauen noch immer hier sind.
Unvergleichlicher Charme
Die Fahrt bisher war ein Zuckerschlecken gewesen. Am Schweizer Zoll waren wir zügig abgefertigt worden und der Auflieger wurde plombiert – erst im vor uns liegenden und doch so fernen Moldawien darf er wieder geöffnet werden.
Nach einer Nacht in den Kajütenbetten im Cockpit des Scania 470 auf einem deutschen Rastplatz war die Fahrt weiter durch Österreich nach Ungarn gegangen. Nach zehn Stunden Lenkzeit mit gesetzlich vorgeschriebenen Pausen folgte die nächste Nacht in der Kabine, einige Kilometer hinter Budapest, das ebenfalls ohne Stau passiert werden konnte.
«Einmal als ich nach Weissrussland fuhr, geriet ich in über zehn Staus wegen Unfällen», blickte Lukas Blaser auf eine vergangene Lieferfahrt zurück.
Nach einer kurzen dritten Nacht in der rumänischen Stadt Sibiu, sind wir heute Morgen früh aufgebrochen.Es folgte die Fahrt über die Karpaten, eine der schönsten Gebirgsketten überhaupt.
Ohnehin bieten die rumänischen Dörfchen, durch die selbst die Hauptachsen mangels Autobahnen führen, einen unvergleichlichen Charme. Kleine, bunte einstöckige Häuser säumen fast jede Strasse; allerdings bieten sich oft eher arme Gegenden, sobald man die Hauptstrasse verlässt.
Überraschende Nachricht
Nun stehen wir also am Zoll, der Beamte telefoniert noch immer. Seine Mine verrät nichts. Und dann kommt durch einen Übersetzer eine Botschaft, die uns die Sprache verschlägt. Auf Vieles hatten wir uns eingestellt. Aber nicht auf diese Worte: «Ihr könnt fahren – Trum Bun!»
Nun erfahren wir auch den Grund der eifrigen Abklärungen des Beamten. Er wollte sichergehen, dass unsere Kontaktperson im Landesinnern uns am nächsten Tag auf jeden Fall ans richtige Ort bringt und uns keine Probleme oder Irrfahrten widerfahren; denn die Zollabfertigung würde in der nahen Hauptstadt Kisinau geschehen.
Nach zehn Kilometern erreichen wir eine Tankstelle, Lukas Blaser schüttelt noch immer den Kopf: «Nur eine Stunde am Zoll, das hat in all den Jahren hier noch niemand von uns erlebt.»
Nach einer kurzen Nacht beim Empfänger und einer holprigen Fahrt, stehen wir für die Zollkontrolle in Kisinau bereit. Auf dem Amt werden die Papiere geprüft – ein Schocker mit allem Abladen kann immer noch folgen. Nach rund drei Stunden, der gewöhnlichen Bearbeitungszeit, erscheint eine junge Beamtin. Wir heben die Plane und sie beäugt einige Kisten.
Dann steigt sie mit hochhackigen Schuhen auf eine Leiter um auch die Bananenschachteln in den oberen Regionen begutachten zu können. Erneut werden wir überrascht, nach einer Viertelstunde hat die junge Moldawierin genug gesehen; wir dürfen abladen und dies am Zielort und – Gott sei Dank – nicht im Zollhof.
Ein mulmiges Gefühl
Im Vorfeld eines Transports ist Lukas Blaser im Gespräch mit den Empfängern, in der Regel humanitären Vereinen, die meist mit einer christlichen Gemeinde vernetzt sind, welche auch dafür sorgen, dass die Güter an Bedürftige kommen – oft geschieht dies gemeinsam mit lokalen Behörden, welche Listen von sozial Benachteiligten zur Verfügung stellen.
Die Ladelisten werden jeweils gemeinsam mit dem Partner vor Ort erstellt und staatlich genehmigt. Dass die Hilfsgüter auch wirklich ankommen und gebraucht werden, erlebte livenet.ch bei drei Armenbesuchen. Diese und weitere Eindrücke von Moldawien folgen in der Fortsetzung.
Um 2.30 Uhr morgens brechen wir mit einem mulmigen Gefühl auf. Bisher ist alles womöglich fast zu glatt gelaufen. Auf der Fahrt ins Land hinein, zählten wir vierzig Trucks an der Grenze, in Richtung Rumänien. Denn auch mit leeren Lastwagen verlässt man Moldawien nicht so schnell. Jeder Brummi wird «gescannt», wegen dem Menschenhandel. Wenn vor uns eine vergleichbare Reihe steht, können wir ohne weiteres bis zu neun Stunden am Zoll verbringen.
TV statt Stempel
Und dann stehen wir wieder am Zoll. Diesmal treffen wir auf eine knurrige Gestalt, deren ganze uneingeschränkte Aufmerksamkeit dem Fernseher gilt, in den er gedankenversunken starrt. Dann widmet er sich uns, bei einem Dokument sei etwas zu wenig ausgefüllt …
«Immer Mal was neues», wundert sich Lukas. Er streckt uns energisch ein Papier entgegen, welches wir ausfüllen sollen, so verstehen wir es zumindest. Was nach einer einfachen Prozedur klingt, ist ein wirrer Befehl, denn die Papiere sind in Rumänisch abgefasst, das auch in Moldawien gesprochen wird.
Auf den freundlichen Hinweis, dass wir nicht rumänisch können und ob Unterlagen in englisch da seien, bellte der mies gelaunte Beamte: «Sind wir hier eigentlich in Moldawien oder in England?» Weitere Fragen ignoriert er und gibt dem TV wieder die erste Priorität.
Schlussendlich kritzeln wir einiges aufs Blatt, was wir halt eben vermuten danach gefragt zu werden. Erstaunlicherweise werden wir schon Mal zum Scannen vorgelassen.
Nun geht es schnell. Plötzlich sind die nötigen Stempel auf den Papieren, der Beamte ringt sich zu einem «Trum Bun» durch. Um 3.15 Uhr erreichten wir den Zoll um 4.23 Uhr fahren wir wieder auf rumänischem Grund und Boden.
Mit 470 PS über die Karpaten
Mit 470 PS geht es mit dem leeren LKW über die Karpaten zurück, diesmal durch Nordrumänien – wie ein Kutscher, wie der letzte Postillion sitzt Lukas Blaser im Sattel und steuert die nun um rund 17 Tonnen leichtere Maschine. «Ab Österreich sind wir dann wieder träger unterwegs, nach dem wir die leeren Honiggläser für die Schweiz geladen haben», meint der begeisterte Chauffeur Lukas.
Licht im Osten kenne er seit seiner Jugendzeit, in der Ukraine habe er damals in Jugendcamps mitgeholfen, erklärt Lukas Blaser. Im Militär schliesslich habe er die Lastwagen-Prüfung durchlaufen, «auch damit ich mich später als freiwilliger Chauffeur für LIO zur Verfügung stellen konnte und Hilfsgüter in den Osten fahren kann.
Als dann jemand gesucht wird, der die Lieferungen koordiniert und das Güterlager in Frauenfeld leitet, bewarb ich mich umgehend – und erhielt den Job. Ich mache diese Arbeit sehr gerne, auch weil die Sachen zu Menschen kommen, die sie wirklich gut gebrauchen können.»
Enorm Fit
Auch auf der Rückfahrt kommen wir nahezu ohne Stau aus, während wir auf der Gegenseite mehrfach welche sehen.
Auch mit gut achtzig Stundenkilometern vergeht die Zeit wie im Flug – nach acht Tagen und 4500 Kilometern sind wir wieder in Frauenfeld. Normalerweise koordiniert Lukas Blaser die Chauffeure, zwei, dreimal pro Jahr setzt er sich aber selbst hinters Steuer.
Er nehme die Strapazen auf sich «wegen den Empfängern, die diese Sachen erhalten. Sie haben es wirklich nötig und können es brauchen. Und die Freude ist jeweils riesig wenn man eintrifft. Diese Not ist die Motivation – und wegen den Strapazen: es ist auch Erleben und Abenteuer dabei und das darf auch sein.»
Teil 1 der Reportage: Rentner verfrachten jährlich 400 Tonnen Hilfsgüter
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch
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