Helden des Alltags

Rentner verfrachten jährlich 400 Tonnen Hilfsgüter

Jedes Jahr fährt «Licht im Osten» 400 Tonnen Hilfsgüter nach Osteuropa. Spektakulär: die Löwenarbeit beim Beladen verrichten Rentner. Sie sind die Helden des Alltags – livenet.ch war dabei, als acht tatkräftige Männer einen 40-Tonnen-Truck in harter Handarbeit lückenlos beluden.

Mit mulmigem Gefühl nähern wir uns dem Zoll im Schritttempo. Etwas Gutes wird uns hier kaum erwarten. Ein Grenzübertritt kann ohne weiteres Tage dauern. Welche Laune der Zöllner würde bei dieser Fracht auf uns warten? 

Szenenwechsel: Vor drei Tagen, frühmorgens – so mancher Hahn irrt noch Schlaftrunken auf dem Hof herum – fährt Manfred Klingelhöfer mit einem weissen Bus im Industriegebiet in Frauenfeld (TG) vor. Hier steht die Lagerhalle des Missions- und Hilfswerks «Licht im Osten» (LIO), gefüllt mit Säcken und Bananenschachteln voller Kleider und Schuhe, Betten, Rollstühle, Spitexutensilien und Velos – bis weit unter die Decke ragen Güter, die in der Schweiz keiner mehr will, die aber in ärmeren Gebieten in Osteuropa noch vorzügliche Dienste leisten können.

Manfred steuert ebenfalls ein paar Kisten bei, schlüpft in eine Schürze und steigt auf einen Gabelstapler. Bald schon stehen etliche Gitterbaloxen und Palette vor dem 40-Tonnen-LKW, den LIO-Mitarbeiter Lukas Blaser bereitgestellt hat, er organisiert die Transporte. Wie ein leerer Schlund steht der lange Anhänger da, aber nicht für lange, denn inzwischen ist auch Armin eingetroffen und umgezogen, in dunkelblauem Overall.

Ringen um Platz

Wir beginnen mit dem Verladen. Matratzen, eine auf die andere und auf den Seiten welche quer. Mit viel Weitsicht setzt Armin an, zum siegreichen Sturm gegen jeden freien Quadratzentimeter, ruhig, geschickt und doch sitzt jeder Handgriff. Velos werden auf die Kleidersäcke gebetet und darüber wieder Kleidersäcke geschichtet, bis unter die Plane des gewaltigen Aufliegers.

Dies ist auch der Grund, warum nicht einfach im Eiltempo Palette auf die Ladefläche geschoben werden; der Raum kann so besser ausgenutzt werden. Dennoch ist dem Truck bereits um acht Uhr morgens etliches an leerem Platz abgerungen. Weitere Helfer, Rentner, sind eingetroffen um den Auflieger zu füllen, es geht zu wie in einem Bienenhaus.

Er soll später von Lukas Blaser nach Moldawien pilotiert werden. In der Regel werden die Lastwagen ebenfalls von freiwilligen Chauffeuren nach Osteuropa gelenkt, meist Rentnern; etwa drei Mal pro Jahr setzt sich Blaser aber selbst ans Steuer, «ich muss wissen was die Fahrer erwartet, damit ich sie auf den Transport vorbereiten kann».

Rentner hebt 1000 Tonnen

Pro Monat werden hier in Frauenfeld bis drei LKWs beladen. Die freiwilligen Helfer bietet Manfred auf, meist packen bis zu acht Personen an. Nach etwa einem halben Tag sind die Gefährte jeweils voll, so auch heute. Schwitzend, aber mit frohen Gesichtern wird die Plane, für die Plombierung verschlossen, nachdem zuhinterst eine «Wand» mit Bananenschachteln hochgezogen wurde.


«Seit mindestens zehn Jahre mache ich mit», rechnet Armin Zoller. «Ich mache dies, weil ich meine Zeit sinnvoll einsetzen will.» Da er fast ausnahmslos bei den Verladeaktionen dabei ist, dürfte er bereits weit über hundert Mal angepackt haben, womit deutlich über tausend Tonnen Hilfsgüter seine Hände passierten. Er sei auch schon bei Transporten dabei gewesen, sowohl nach Rumänien, Moldawien wie auch in die Ukraine.

Früher habe er ebenfalls mehrere Transporte nach Osteuropa durchgeführt, erinnert sich Manfred, aus gesundheitlichen Gründen liege dies heute aber nicht mehr drin, deshalb konzentriert er sich auf die Logistik des Hilfswerks und hilft Lukas Blaser beim Organisieren der Ladehelfer.

Drei Tage an der Grenze

Rund dreissig Sammelstellen werden in der Schweiz betrieben, die Ware wird schliesslich ins Lager nach Frauenfeld überführt. Da «Licht im Osten» auch für andere Hilfswerke die Hilfsgüter in den Osten transportiert, sind zwei LKWs rund 50 Mal im Jahr unterwegs.

Eine solche Fahrt dauert jeweils rund eine Woche und führt im Fall des nun beladenen Trucks durch Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien, bis schliesslich Moldawien, der wirtschaftlich schwächste Staat Europas, erreicht ist. Wahllos können die Gefährte nicht bestückt werden, so dürfen beispielsweise keine gebrauchte Schuhe nach Moldawien eingeführt werden.

Die moldawische Grenze und der Binnenzoll können ohnehin «Übungen» nach sich ziehen, auch ohne Verdacht, da Hilfstransporte von den Beamten nicht gern gesehen werden, die offensichtliche Armut wird von manchen bestritten – mehrfach sahen sich die LIO-Camioneure harrschen Schikanen ausgesetzt.

«Einmal mussten wir den ganzen Lastwagen im moldawischen Zollhof entladen und nach der Prüfung wieder aufladen», erinnert sich Lukas Blaser an triste Zeiten. «Selbstverständlich halfen die Beamten nicht mit, sondern öffneten nur jede Kiste, wo leider auch Gegenstände gefunden wurden, die nicht auf unseren Richtlinien aufgeführt sind. Dies gab dann länger Diskussionen. Doch letzen Endes waren die Zöllner mit einem Tisch zu frieden, auf den die Empfänger verzichteten. Die ganze ‚super Kontrolle‘ dauerte drei Tage.»

4500 Kilometer warten

Mit Spannung darf erwartet werden, was den nun randvoll bepackten Lkw erwartet. Bereits 24 Stunden später, nach dem Laden, rollt der rote Scania mit 470 PS gen Osten. Ermöglicht durch die Muskelkraft eines eingespielten Rentnerteams, das im Spätherbst auch Lkws mit Weihnachtspaketen belädt – es ist, als wäre das «Jahr der Freiwilligenarbeit» als Würdigung des LIO-Rentnerteams ausgerufen.

4500 Strassenkilometer liegen vor uns.

Teil 2 der Reportage: Hilfstruck im Angesicht von mürrischen Zöllner und Schlaglöchern

Neben der Nothilfe leistet «Licht im Osten» eine Fülle an Diensten. Gemeinsam mit andern organisiert das Hilfswerk  auch die «Aktion Weihnachtspäckli».

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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