Zum 6. Dezember
Christen sind im Land des St. Nikolaus nicht willkommen
Am 6. Dezember wird in unseren Breitengraden der St. Nikolaus-Tag gefeiert. In seinem Wirkungsland, der heutigen Türkei, sind Christen mittlerweile nicht mehr willkommen. Das Land liegt auf dem Weltverfolgungsindex aktuell auf Rang 25.
Am 6. Dezember wird der St. Nikolaus-Tag gefeiert, der Tag geht zurück auf Nikolaus von Myra. Er wurde Priester, das Vermögen, das er geerbt hatte, verteilte er den Armen (lesen Sie hier ein ausführliches St.-Nikolaus-Porträt). Während der Christenverfolgung im Jahr 310 wurde er selbst gefangen genommen und gefoltert.
Heute steht die christliche Minderheit in der Türkei erneut unter grossem Druck. Auf dem Weltverfolgungsindex gelangte die Nation von Rang 36 auf Position 25 vor. Die Türkei verändert sich von einem säkularen Land zu einem Land, das immer mehr auf islamischen Normen und Werten beruht. Sie gilt als das Land mit den meisten Journalisten im Gefängnis. Es gibt einen zunehmenden Ruck hin zum religiösen Nationalismus, der einen steigenden Druck auf die Christen ausübt.
Haft statt Aufenthaltsgenehmigung
Ein Zeitzeuge ist Pastor Andrew Brunson, der kürzlich auf Einladung von Open Doors in der Schweiz Vorträge über seine Erlebnisse in der Türkei hielt. Er galt als «diplomatische Geisel», die zwei Jahre lang in den Kerkern von Recep Tayyip Erdogan gefangen gehalten wurde.
Am 7. Oktober 2016 wurde Andrew Brunson, Pastor der Auferstehungskirche in Izmir, zusammen mit seiner Frau Norine von den türkischen Behörden festgenommen, als er gerade bei den Behörden war, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Das Ehepaar lebte bereits seit 23 Jahren im Land.
Andrew Brunson verbrachte anschliessend mehr als zwei Jahre in türkischen Gefängnissen und anschliessend unter Hausarrest; 735 Tage, um genau zu sein.
Harte Haftbedingungen
«Wenn man in der Türkei jemanden brechen will, setzt man ihn in Einzelhaft und beraubt ihn des Schlafes. Bei mir kam der Schlafentzug aus meinem eigenen Körper, weil all meine Ängste Adrenalin und Stresshormone erzeugten, was wiederum zu Schlafmangel führte. Ich schlief vielleicht drei Stunden am Tag», erinnert sich Andrew Brunson.
«Nach 50 Tagen wurde ich in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Ich wechselte von strenger Einzelhaft in eine Zelle, die für acht Personen gebaut worden war, in der sich aber zwanzig Gefangene, manchmal auch 22, zusammendrängten. Die Zelle wurde nie verlassen, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.»
«Pastor Rambo»
Von den türkischen Medien erhielt Andrew Brunson den Spitznamen «Pastor Rambo», «weil ein bewaffneter Mann unsere Kirche überfallen und auf mich geschossen hatte. Ich hatte es geschafft, meinen Arm um seinen Hals zu legen und ihn an der Flucht zu hindern, bis die Polizei eintraf.»
Nach einiger Zeit hinter Gittern holten die Medien den Fall wieder hervor und behaupteten, dass er den Angreifer nur deshalb aufhalten konnte, weil er eine besondere Ausbildung genossen hatte und somit ein CIA-Agent war. «Die Medien gaben mir auch viele andere Spitznamen: 'Pastor Agent', 'Pastor Spion', 'Pastor des Terrors'... Sie wussten, dass keine dieser Behauptungen stimmte. Tatsächlich glaube ich, dass der Grund für meine Verhaftung in erster Linie darin bestand, andere Christen einzuschüchtern: Türkische Christen sowie Pastoren ausländischer Herkunft, damit sie das Land auf eigene Faust verlassen.»
Nach und nach wurde seine Inhaftierung auch für politische Zwecke genutzt. So wurde mit der Zeit behauptet, er unterstütze die Gruppe von Fethullah Gülen, stehe der kurdischen Bewegung PKK nahe, sei ein Spion und habe geholfen, den Staatsstreich von 2016 anzuzetteln und so weiter.
Zur politischen Geisel geworden
«Alles, was sie über mich sagten, zielte darauf ab, die Wut und den Hass auf Christen, insbesondere auf türkischstämmige Christen, zu steigern», bilanziert Andrew Brunson. Zunächst war Brunson unbekannt, doch seine Geschichte verbreitete sich weltweit und er wurde zur «politischen Geisel». Schliesslich hoben die Richter die Strafe (im Raume standen lebenslänglich sowie zusätzliche 35 Jahre) auf, er wurde aufgrund der bereits abgesessenen Strafe und guter Führung entlassen.
Andrew Brunson ist nicht verbittet, er freut sich, dass gerade auch während seiner Haftzeit viele Menschen für die Türkei gebetet haben.
Die Mehrheit der Christen im Land gehört der armenischen, syrischen, chaldäischen oder griechisch-orthodoxen Kirche an. Es gibt jedoch auch Katholiken und Protestanten sowie türkische Christen mit muslimischem Hintergrund. Die Zahl der christlichen Einwanderer ist mit der Ankunft von Flüchtlingen stark angestiegen. Der religiöse Nationalismus übt einen starken Druck auf alle Christen aus, besonders auf jene mit muslimischem Hintergrund. Es ist nicht illegal, den Islam zugunsten des Christentums zu verlassen, aber die Konvertiten setzen sich dem Widerstand der Gesellschaft aus. Auch am St.-Nikolaus-Tag.
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / Open Doors
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