Gefangen in Nordkorea
«Es war wie eine zweijährige Auszeit mit Jesus»
Zwei Jahre verbrachte der «Jugend mit einer Mission»-Mitarbeiter Kenneth Bae in einem Zwangslager in Nordkorea. Wie sich sein Gebet von «Schick mich heim, Herr!» in «Gebrauche mich, Herr!» verwandelte, beschreibt er in seinem neuen Buch.
«Für die Regierung Nordkoreas ist ein Missionar dasselbe wie ein Terrorist», schreibt Bae in seinem Buch «Not Forgotten: The True Story of My Imprisonment in North Korea» (Nicht vergessen: Die wahre Geschichte meines Gefängnisaufenthaltes in Nordkorea). Und weiter: «Für die Regierung ist das Evangelium von Jesus Christus äusserst gefährlich.» Dies war der wahre Grund seiner Gefangennahme, nicht die «feindseligen Handlungen gegenüber der Regierung», wie es in der offiziellen Verurteilung zu 15 Jahren Haft in einem Arbeitslager hiess. «Mein Verbrechen war, dorthin zu gehen und dafür zu beten, dass Gott erneut das tut, was er bereits einmal getan hat (eine Erweckung schenken, Anm. d. Red.). Das machte mich zum gefährlichen Terroristen. Und ich vermute, ich bin immer noch einer, weil ich immer noch für Nordkorea bete.»
Zweijährige Auszeit mit Jesus
Die Geschichten aus dem Arbeitslager, die er in seinem Buch beschreibt, und auch in einem Interview mit «Christianity Today» wiedergegeben hat, sind fast unglaublich. So berichtet der Pastor und Missionar, dass er jeweils früh aufstand, um als erstes die Bibel zu lesen und zu beten – dies habe ihm Kraft für den Tag gegeben. «In Nordkorea lernte ich Gottes Treue kennen, erlebte seine Gnade, sah sein Erbarmen auf eine Weise, wie ich es mir vorher nie hätte vorstellen können. Ich lernte, Gott zu vertrauen und an seinen Versprechen festzuhalten.» In diesem Sinn waren die zwei Jahre im nordkoreanischen Gefängnis für Bae wie eine geistliche Erneuerung: «Es war, als hätte ich eine persönliche zweijährige Zeit der Ruhe und Abgeschiedenheit mit dem Herrn Jesus gehabt.»
«Geh nicht weg…»
Die Mehrheit der Nordkoreaner haben laut Kenneth Bae noch nie von Jesus Christus gehört. «Ich kann mich noch an die Worte des Gefängniswärters erinnern: 'Wo lebt dieser Jesus, in China oder in Korea?'» Jeder wusste, dass Bae Missionar und Pastor war. Er war zwar äusserst vorsichtig damit, das Evangelium weiterzugeben, weil er wusste, dass jeder, der Jesus Christus annehmen würde, in der Gefahr stand, selbst im Gefängnis zu landen. Und doch, während er auf dem Feld die steinige Erde hackte, Bohnen säte oder die Strassen freiräumte, kamen immer wieder Wächter zu ihm, um ihn um Rat zu fragen. «Wir sprachen über ihre Probleme zu Hause und ich gab seelsorgerlichen Rat.»
Als der Gefangene eines Tages hörte, dass ein Menschenrechtsanwalt sich für seine Freilassung einsetzte, sagte er den Wächtern: «'Ich darf bald nach Hause gehen. Danke euch für alles!' Und dann sang ich ein koreanisches Abschiedslied. Einer der Wächter sagte daraufhin: 'Geh nicht, wir sind so froh, dass du hier bist. Bleib noch etwas länger, wir reden gerne mit dir!' Ich erklärte, je eher ich ginge, desto eher könnte ich wiederkommen, aber nicht mehr als Gefangener. Wir hatten eine echte Freundschaft gebildet. Und sie merkten: Er ist Missionar, aber er ist gar nicht so böse…»
Gottes Plan – anders als unserer
Trotz aller Vorsicht gab es immer wieder Möglichkeiten, die Wächter versteckt auf Jesus hinzuweisen. «Am Ende eines Gesprächs sagte ein Wächter: 'Du sagst, dass Gott deine Gebete beantwortet. Wenn Gott wirklich existiert, warum bist du dann immer noch hier?' Ich erklärte ihm, dass Gottes Pläne anders sind als unsere und sagte ihm: 'Vielleicht bist du Teil seines Plans. Wie hättest du je etwas über Gott gehört, wenn ich nicht hierhergekommen wäre?' Und er antwortete nachdenklich: 'Das stimmt. Ich habe noch nie zuvor so etwas gehört.'»
Von «Schick mich heim, Herr!» zu «Gebrauche mich, Herr!»
Wenn Kenneth Bae die Hoffnung verlor, so halfen ihm die über 450 Briefe, die er von Christen aus aller Welt erhielt. Doch es war nicht immer einfach, an Gottes Versprechen festzuhalten. Gegenüber «Christianity Today» gab er ganz ehrlich zu: «Nach einem Jahr im Gefängnis hatte ich grosse Zweifel, ob ich je wieder nach Hause kommen würden. Meine Mutter schickte mir einen Brief und ermutigte mich, Glauben zu haben wie Daniels drei Freunde. Und so begann ich mich zu fragen, ob Gott vielleicht wollte, dass ich in Nordkorea bleibe. Ich lernte zu beten: 'Herr, du kennst mein Herz, aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. Ich gebe mein Recht, wieder nach Hause zu dürfen, auf und übergebe dir meine Familie.' Mein Gebet änderte sich von 'Schick mich heim, Herr!' in 'Gebrauche mich, Herr!'.» Mit Blick auf sein Buch sagt Bae heute: «Ich möchte, dass die Leser wissen, dass Gott treu ist – dass wir zwar durch Schwierigkeiten im Leben gehen, aber dass Gott uns nie verlässt. Wir müssen den Herrn an uns arbeiten lassen und in allen Schwierigkeiten auf ihn vertrauen, egal ob das in einem nordkoreanischen Gefängnis oder wo anders ist.»
Im November 2014 wurde Kenneth Bae nach verstärktem Dialog und Eingreifen von US-amerikanischer Seite wieder freigelassen. Er würde gerne wieder zurück nach Nordkorea gehen, doch bezweifelt er derzeit, dass dies je wieder möglich ist.
Zum Buch:
«Not Forgotten: The True Story of My Imprisonment in North Korea» (english) (Amazon)
Zum Thema:
Unschuldig im Gefängnis: Asia Bibi: «Ich vergebe denen, die mich angezeigt haben»
Nordkorea: Christliche Flüchtlinge: Lieber tot als im Lager
Hilfe für Nordkorea: Früher schmuggelten sie Waren, heute «schmuggeln» sie Christen
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / Christianity Today
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