Nordkorea
Christliche Flüchtlinge: Lieber tot als im Lager
Religionsfreiheit gibt es in Nordkorea nicht. Das haben christliche Flüchtlinge diese Woche im Deutschen Bundestag berichtet. Ein 22-Jähriger erinnerte sich: «Ich wollte lieber erschossen werden, als in ein Gefangenenlager zu kommen!»
17 Jahre alt war der Mann, dessen Name nicht genannt werden darf, als er sich zur Flucht entschloss. Das war vor fünf Jahren. In Nordkorea verhungerten die Menschen zu Tausenden. Bis heute ist es vor allem die schreckliche Armut, die zur Flucht treibt. Zwei Jahre lang irrte der junge Mann in Nordkorea herum, gelangte irgendwann ins chinesische Grenzgebiet. Viele Flüchtlinge wie er haben schlicht keine Ahnung von der Geographie des eigenen Landes, weil sie nicht über Kartenmaterial verfügen. Informationen über das Ausland zu bekommen, sei in seiner Heimat ebenfalls nahezu unmöglich, sagt er. Wenige Informationen dringen über Untergrundverbindungen nach Nordkorea – durch bereits geflohene Angehörige oder Schleuser, die damit ihr Geld verdienen.
Über China nach Südkorea
Die Grenzsoldaten, so erinnert sich der heute 22-jährige Flüchtling, hätten den Befehl, Dissidenten zu töten. «Ich war bereit, mein Leben zu verlieren», sagt er. «Ich wusste, es wäre ein Wunder, wenn ich den Fluss nach China heil überquere.» Lieber aber hätte er sich erschiessen lassen, als in ein Gefangenenlager der Nordkoreaner zu gelangen. Die Gulags, deren Existenz die nordkoreanische Regierung bis heute leugnet, sind berüchtigt. Wer dort eingesperrt wird, dem verweigern korrupte Wärter nicht selten elementarste Rechte. Zwangsarbeit, Mangelernährung und brutale Misshandlungen sind an der Tagesordnung.
Der junge Flüchtling versteckt sich, beobachtet die Flussregion für zwei Tage, am dritten wagt er es, sich nach China zu schleichen. Im Februar 2011 entkommt er der Armut, der Unterdrückung und der Angst. In China angekommen, flüchtet er weiter nach Südkorea und trifft dort auf Christen, die ihn unterstützen. Schon bald nimmt er ihren Glauben ebenfalls an.
«Ich glaube an Kim Il-sung»
Geschichten, die so oder so ähnlich klingen, haben viele der rund zwei Dutzend Nordkoreaner erlebt, die derzeit Deutschland besuchen, um Politikern von den Zuständen in ihrer Heimat zu berichten. Auf Einladung der Deutschen Evangelischen Allianz sprachen sie unter anderem vor dem Stephanuskreis der Unionsfraktion, der sich vornehmlich mit dem Thema Christenverfolgung beschäftigt. Gläubig sind die Eingeladenen alle. Christen wurden sie aber erst nach ihrem Entkommen aus Nordkorea. Das Christentum als offizielle Religion komme unter dem Regime nicht vor. Zwar gebe es eine grosse Kirche, die sei aber eher eine Schaugemeinde, sagt einer der Flüchtlinge. In einer TV-Sendung habe er einmal ein Interview mit einem der Kirchgänger gehört: «Glaubst du an Gott?», sei dieser gefragt worden. Die Antwort: «Auf keinen Fall, ich glaube an Kim Il-sung!» Religionsfreiheit sei nicht mehr als eine Farce in Nordkorea. «Eine glatte Lüge», sagt der Geflohene.
Wem es gelingt, nach China zu entkommen, der versucht von dort aus, in ein sicheres Drittland zu gelangen, zum Beispiel nach Südkorea. Dort erhalten Nordkoreaner staatliche Unterstützung, finanziell und auch in Sachen Bildung. Auch viele Christen helfen den Geflohenen und erteilen ihnen zudem Bibeluntericht. Doch es gebe auch Staaten, die Flüchtlinge zurück nach Nordkorea schickten, Vietnam zum Beispiel.
Liebe Gottes nach Nordkorea bringen
Der 22-Jährige, der sich mit 17 zur Flucht aufmachte, hat im vergangenen Jahr zum ersten Mal wieder mit seiner Mutter gesprochen – telefonisch. So schön das klingen mag, es ist auch riskant: Familienangehörige von Geflohenen sind staatlichen Repressalien ausgesetzt. Sie dürften zum Beispiel bestimmte Berufe nicht ausüben und keinen Militärdienst leisten, sagen die Nordkoreaner. Die Familien würden zudem überwacht. Wer an Fluchtversuchen beteiligt sei, werde interniert. Deshalb ist eine Namensnennung der Geflohenen in diesem Artikel nicht möglich, auch die Veröffentlichung von Fotos verbietet sich.
Seit Kim Jong-un 2012 die Macht übernahm, habe sich die Lage in Nordkorea verschärft. Die Grenzübergänge seien nahezu dicht. Schleuser verlangten viel Geld für die Möglichkeit, das Land zu verlassen – zu viel für die meisten. Diejenigen, die derzeit Deutschland besuchen, gehören zu den wenigen, die entkommen konnten, viele durch die Hilfe von Christen. Nun hoffen sie auf eine internationale Gemeinschaft Gläubiger: «Wir als Christen sollten darauf hinwirken, dass die Liebe Gottes auch in Nordkorea weitergegeben wird.»
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch / Pro Medienmagazin
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