USA: Was Barack Obama glaubt und wie er wirbt

Konservative Evangelikale besetzen in den USA seit Jahrzehnten das Thema Glauben und Politik. Sie protestieren gegen Abtreibung, Homo-Ehe und vorehelichen Sex, empören sich im TV über Amerikas «Abkehr» von der Bibel und wählten bisher mehrheitlich die Republikaner.

Letzteres scheint sich nun zu ändern. Seit der 46-jährige Barack Obama als demokratischer Präsidentschaftsanwärter kandidiert, ist Religion nicht mehr nur Sache der Rechten. Der Protestant Obama umwirbt die bibeltreuen Evangelikalen gezielt.

„Ich glaube an Jesus“

Seit Präsident Jimmy Carter (1977-1981), dem früheren Sonntagsschullehrer aus Plains im Bundestaat Georgia, hat sich kein führender demokratischer Politiker so offen zu seinem christlichen Glauben bekannt. «Ich bin ein bekennender Christ, ich glaube an den Erlösung bringenden Tod Jesu Christi», erklärte Obama in der evangelikalen Zeitschrift «Christianity Today». Besonders wichtig sei ihm Jesu Auftrag, den Hungrigen zu Essen und den Armen Vorrang vor den Mächtigen zu geben.

Der Mann wirkt glaubwürdig. Und seine Botschaft kommt offenbar auch bei manchen weissen evangelikalen Christen an, dem harten Kern der Republikanischen Partei. Bei einer vor kurzen veröffentlichten Untersuchung der Internet-Website GodTube.com erklärte ein Viertel dieser Klientel, sie würden für Obama stimmen.

Wahlreden wie Predigten

Barack Obama kritisierte im Fernsehsender CNN, die Demokratische Partei habe sich bisher zu wenig um evangelikale Wähler gekümmert und das Feld den Rechten überlassen.

Obamas Wahlreden hören sich an wie Predigten. Die Menschen müssten glauben, dass ihre Sehnsüchte nach einem besseren Land wahr werden können, beschwört der charismatische Politiker seine Zuhörer. Er stelle sich ein wirklich vereinigtes Amerika vor, in dem man die Trennmauern zwischen Schwarz und Weiss und Arm und Reich überwinde. Der Präsidentschaftsanwärter einen schwarzen aus Kenia stammenden Vater und eine weisse amerikanische Mutter.

Kritik wird laut

Unter den konservativen Christen gehen die Meinungen zu Obama allerdings auseinander. Der rechts stehende «Nationale Pastorenrat» urteilte im Blick auf Obamas Haltung zu Abtreibung und Homosexualität, der Kandidat sei kein Evangelikaler, sondern ein «typischer Liberaler».

Umstritten ist auch Obamas Kirchengemeinde, die mehr als 6.000 Mitglieder zählende überwiegend afro-amerikanische Trinity-Kirche (Dreifaltigkeitskirche) in der «South Side», einer verslumten Wohngegend von Chicago. Hier predigt der afro-amerikanische Pastor Jeremiah Wright eine afro-zentristische Weltsicht und eine schwarze Befreiungstheologie, die den Kampf gegen Sklaverei und weissen Rassismus in den Kontext der Bibel stellt. «Uneingeschränkt christlich, unbeschämt afro-amerikanisch», heisst sein Motto.

Barack Obama war Sozialarbeiter

Der junge Barack kam Anfang der 80er Jahre zu Trinity. Damals war er als Sozialarbeiter («community organizer») in der South Side tätig.

Anfangs sei er dem Christentum gegenüber skeptisch gewesen, schrieb Obama in seinem Buch «Dreams from my Father». Pastor Wright beeindruckte ihn aber anscheinend stark: ein Geistlicher, der in einem Atemzug über Jesus Christus, Rassismus und wirtschaftliche Gerechtigkeit sprach. Obama hatte wohl eine Art Bekehrungserlebnis.

«Als ich unter dem Kreuz kniete, hörte ich, wie mich der Geist Gottes ansprach. Ich habe mich seinem Willen ausgeliefert.» So beschrieb Barack Obama seine Entscheidung, 1988 Gemeindemitglied zu werden.

Ein wenig auf Distanz

Medienberichten zufolge meint Obama nun aber wohl, etwas Distanz schaffen zu müssen zu seinem radikalen Pastor, der Michelle und Barack Obama getraut und deren beide Töchter getauft hat. Weisse könnten Wrights gelegentlich hitzige Predigten als feindselig deuten und Obama damit belasten. Im Fernsehsender Fox wurde Wright vorgeworfen, er sei ein «Separatist», der schwarze Überlegenheit predige. Wright widersprach und sagte, Schwarze müssten für sich selber sprechen. Im Präsidentschaftswahlkampf ist Wright nicht zu sehen, obwohl der Pastor früher laut Obama ein enger Berater war.

Bei den Evangelikalen stösst Obama allerdings vor allem wegen seiner Position zum Schwangerschaftsabbruch auf Grenzen. Obama befürwortet den Status Quo mit dem legalen Schwangerschaftsabbruch. Er «kenne niemanden, der für Abtreibung ist», erläuterte er in «Christianity Today». Abtreibung sei immer eine sehr schwere Entscheidung, er sei aber der Ansicht, dass Frauen die Entscheidungen treffen sollten. Der Staat müsse durch Förderung von Familienplanung und anderen Programmen die Zahl der Abtreibungen verringern.

Wird „seine“ Kirche zur Belastung im Wahlkampf?

Barack Obamas Trinity-Gemeinde gehört der 1,2 Millionen Mitglieder zählenden United Church of Christ (UCC) an. Die aus der evangelisch-reformierten und kongretionalistischen Tradition kommende UCC stand in sozialen Fragen schon immer links: Die erste Kirche mit einem schwarze Pastor (1785), die erste mit einer Pastorin (1853), die erste mit einem sich offen zu seiner Sexualität bekennende Schwulen (1972) und die erste grosse Kirche, die sich für die Gleichberechtigung homosexueller Paare ausgesprochen hat (2005).

Hinweis: Ein aufschlussreiches Video zeigt den Präsidentschaftskandidaten auf der Kanzel. 34 Minuten predigt Barack Obama über den Mauerfall von Jericho. Ein aufschlussreiches Beispiel für Amerikas Unbefangenheit, Politik und Glaube miteinander zu verbinden.

Das Video mit dem Gottesdienst hier

Datum: 22.02.2008
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet / epd

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