Ägypten
Präsident Sisi und die Christen
In Ägypten gab es in der Osterwoche Präsidentenwahlen. Unter den Wählenden waren 12 Prozent Christen. Ihre Wahlempfehlungen waren uneinheitlich – zum Teil aus Angst vor der Rache der Islamisten.
Drei Tage lang, von Montag bis Mittwoch waren die Wahlurnen offen. Als Wahlsieger kam praktisch nur ein Kandidat in Frage: Das Staatsoberhaupt der letzten vier Jahre, der ehemalige Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi. Wahlberechtigt waren rund zwei Drittel der 95 Millionen Einwohner, unter rund 12% Christen.Kopten vermieden konkrete Wahlempfehlung
Erwartungsgemäss gab es 92% Ja-Stimmen für Sisi. Die wenigen Griechisch-Orthodoxen hatten dazu aufgerufen, und ihr Patriarch Theodoros II. hatte an der Urne offen den bisherigen Staatschef wiedergewählt. Die dominierende koptische Kirche forderte ihre Gläubigen zur Wahlbeteiligung auf, gab aber keine wirkliche Empfehlung ab. Sie empfahl stattdessen entweder ein «Ja» zu Sisi oder für dessen aussichtslosen Gegenkandidaten oder aber einen weissen Stimmzettel einzulegen. Völlig heraus aus dem Wahlgeschehen hielten sich die evangelischen und katholischen Christen.
Meinungen im Basar geteilt
Nicht der erwartete Wahlsieg von Sisi, sondern die Umstände seiner Wiederwahl sind jetzt Tagesgespräch in Kairos Basar, dem Chan al-Chalili. Die meisten Kunsthandwerker und Verkäufer ihrer Produkte dort sind Christen, viele von ihnen griechisch-orthodoxe Palästinenser, Libanesen und Syrer. Sie halten die Parteinahme ihrer Kirche für den gegenwärtigen Machthaber als das einzig Richtige und erwarten jetzt allerhöchste Gunstbeweise an ihre Gemeinschaft.
Wahlempfehlung für al-Sisi könnte gefährlich werden
Geteilter Meinung zeigen sich hingegen die koptischen Basarleute. Die einen befürworten die Zurückhaltung ihrer Kirchenführung. Ein Aufruf des Patriarchen, für Sisi zu stimmen, hätte den Hass der Muslimterroristen auf alles Christliche nur gesteigert. Andere meinen, die Kopten hätten sich mit ihrer politischen Neutralität den Unmut des wiedergewählten Präsidenten zugezogen, Sie sässen nun ohne Schutz von oben, dem radikalen Islam ausgeliefert, zwischen zwei Stühlen.
Das unpolitische christliche Spektrum
Von Ägyptens insgesamt einer halben Million evangelischen Christen wurde eine solche Parteinahme weder verlangt noch erwartet. Sie sind dafür bekannt, dass sie das Reich Jesu mit keiner politischen Herrschaft verwechseln. Das gilt bei ihnen besonders für Pfingstgemeinden und die freien, das heisst evangelikalen Methodisten. Hingegen hatte Sisi mit offenkundiger Wahlempfehlung der Kopten nach dem Beispiel der anderen Orthodoxen gerechnet. Wie sein halbamtliches Organ «Al Ahram» (Die Pyramiden) bereits durchblicken liess, werde das seine Folgen für die koptischen Christen haben. Sisi dürfte sich künftig kaum mehr wie bisher zu christlichen Feiertagen an der Seite des koptischen Patriarchen zeigen. Vor allem wird er den schon bisher ungenügenden und halbherzigen Polizeischutz für ihre Kirchen und Versammlungen vor Gewaltakten der ägyptischen Islamisten vermindern.
Zunehmender antichristlicher Terror gefürchtet
Dass dieser Terror in Präsident Sisis zweiter Amtszeit sogar zunehmen wird, dafür gibt es schon jetzt Anzeichen. Der soziale Nährboden für den radikalen Politislam hat sich in dessen ersten vier Jahren verdichtet: Enorme Verteuerung der Grundnahrungsmittel und ausufernde Arbeitslosigkeit, besonders zu Lasten der Jugend. Aus ihr haben sich in erster Linie die christenfeindlichen Attentäter der jüngsten Jahre unter Sisi rekrutiert. Für diese gelten die Christen nicht nur als Ungläubige, sie seien auch wohlhabender als die Muslime. Wie wenig das stimmt, beweisen etwa die Kairoer «Müllmenschen». Sie setzen sich ausschliesslich aus Kopten zusammen, und sie bringen die Abfälle der Millionenstadt mit Eselskarren zu Müllbergen ausserhalb. In den penetrant stinkenden Haufen müssen sie auch ihr Leben fristen. Rundum stehen «Bekehrungsmoscheen»: Wer zum Islam abfällt, bekommt sofort bessere Arbeit und Quartier. Daran hat sich auch unter Sisi nichts geändert.
Bei den Kairoer Müllmenschen handelt es sich meist um Christen aus Oberägypten. Vor dem dort besonders schlimmen Islamistenterror fliehen sie in die Hauptstadt. Die letzten grösseren Bluttaten am oberen Nil gab es an den vergangenen Ostern. 2018 stehen Karfreitag und Auferstehung nach dem koptischen Kirchenkalender gerade erst bevor...
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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