Nach der Ära Mubarak
Muslimbruder als gerechter Landesvater?
Das Militär oder die Muslimbrüder als Erben der Macht? Das bringt neue Ungewissheit für die ägyptischen Christen.Ägypten wird von einem Schüttelfrost aussichtsloser Patt-Situationen gebeutelt: Im Kairoer Militärspital von Meadi liegt der 2011 gestürzte Langzeit-Herrscher Hosni Mubarak als klinisch Toter. Er wurde dorthin aus dem benachbarten Gefängnis von Tura gebracht, wo er eine lebenslängliche Strafe verbüssen sollte. Doch unter den dort bekannt schrecklichen Haftbedingungen dauerte sein Leben nur mehr knappe drei Wochen.
Mubarak hatte neben vielem anderen zwischen 1981 und seinem Sturz im «Arabischen Frühling» des Vorjahrs gerade zu Lasten der ägyptischen Christen schwere Schuld auf sich geladen. Er hatte in den 30 Jahren seines Regimes die koptischen Christen immer wieder der unbestraften Gewalt und Willkür eines radikalen politischen Islams preisgegeben, um diesen von Aktionen gegen seine autoritäre Obrigkeit abzulenken.
Muslimbrüder vor der Machtergreifung
Jetzt aber stehen diese Muslimbrüder am Nil vor ihrer völligen Machtergreifung. Die kollektive Führung des «Obersten Militärrats», der die Ein-Mann-Diktatur von Mubarak abgelöst hat, zögert daher, ihn offiziell für tot zu erklären. Wenigstens so lange nicht, bis die Endergebnisse der Präsidentenwahl vom letzten Sonntag feststehen. Doch liegt schon recht sicher auf der Hand, dass der Kandidat der Politislamisten gewonnen hat, Muhammad Mursi.
Dieser biedert sich jetzt den Christen an. Er will auch für sie «ein gerechter Landesvater» sein. Doch Mursi ist ein kleiner Apparatschik, der ganz am Gängelband von Hintermännern in der Muslimbruderschaft hängt. Dort hat aber Chefideologe Jussuf al-Karadauwi das Sagen. Für ihn ist das islamische Religionsrecht die einzige Quelle jeder öffentlichen Ordnung und staatlichen Gesetzgebung.
In Zukunft Bürger zweiter Klasse?
Für die ägyptischen Christen bedeutet das nach Jahrzehnten von «nur» Diskriminierung und periodischer Gewalt die völlige Degradierung zu Bürgern zweiter Klasse mit einer ganz bescheidenen «Kultfreiheit». Die kennen wir bisher vor allem aus der Sowjetunion. Gezielt wollen die Muslimbrüder jede Verkündigung des Evangeliums unterbinden. Wer vom Islam «abfällt», ist für Karadauwi auch ein Verräter am islamischen Staat, der von den politisch Verantwortlichen mit dem Tod bestraft werden muss.
Eine solche Entwicklung versuchen Ägyptens eher pro-westliche militärische Machthaber mit hektischen Notverordnungen abzublocken. Doch drohen sie damit erst recht eine Islamische Revolution am Nil heraufzubeschwören.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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