Institutionelle Biografiearbeit
Mit der Vergangenheit auch die Gegenwart geklärt
Wer sich selbst verstehen will, muss seine Vergangenheit klären. Wenig bekannt ist, dass diese Lebensweisheit auch für Institutionen gilt. Daniel Zindel hat es bei «Gott hilft» vorgemacht.
Das war der eigentliche Anfang der institutionellen Biografiearbeit. Sie fand ihre Fortsetzung in der jährlichen Retraite, im 100-Jahre-Jubiläumsfest und in einer Ausstellung, die aus Anlass dieses Fests zusammengestellt wurde und die Geschichte des Werkes dokumentierte.
Fruchtbare Momente
In einer Auswertung dieser Phasen schreibt Zindel: «Institutionelle Biografiearbeit ist ein vielschichtiger Prozess. Oft ist er nicht bewusst geplant und gesteuert. Er geschieht eher zufällig. Es sind etwa Verabschiedungen, Einweihungen, Leiterwechsel, Krisen, Jubiläen, wo die institutionelle Biografie ins Blickfeld rückt. In Reden wird Rückblick gehalten; Bilder werden gezeigt und kommentiert. Eine Firmenchronik wird veröffentlich; sie erzeugt viel Gesprächsstoff. Anekdoten werden beim Apéro zum Besten gegeben, informelle bis infame Reminiszenzen als Kontrast zur offiziellen Erzählung der Institutionsgeschichte. Es gibt in jeder Institution fruchtbare Momente, die man für ihre Biografiearbeit nutzen kann.»In der Identität gestärkt – bereit zur Selbstkritik
Die Institutionelle Biografiearbeit hat Folgen: «Sie stärkt die Identität einer Institution. Sie macht ihre DNA bewusst», so Zindel. Die Kehrseite: Die Mitarbeitenden und Leitenden werden nebst der Erfolgsgeschichte auch mit Ereignissen konfrontiert, für die sie sich schämen. Denn eine Institution hat auch eine Unheilsgeschichte. Aber der Prozess «stärkt die Schuldfähigkeit und Selbstkritik einer Institution. Und macht sie lernwillig: Was können wir heute proaktiv tun, dass sich diese Fehler nicht wiederholen?», bilanziert der aktuelle Stiftungsleiter. Die Mitarbeitenden wissen jetzt über die Licht- und Schattenseiten institutioneller Heimerziehung Bescheid.
Nicht die Köpfe ermüden, sondern das Herz ansprechen
In einem Fazit zu diesem Prozess hält Daniel Zindel fest: «Wir brauchen für die institutionelle Biografiearbeit nicht nur 'Erinnerungsmaterial'. Wir brauchen auch Reflexions- und Resonanzräume, wo wir die eigenen Geschichten erzählen können, wo jemand etwas dazufügen kann, wo wir Differenzen zum Ausdruck bringen, wo wir den Faden weiterspinnen. Eine Ausstellung, ein Buch- oder Filmprojekt, ein besonderer Event, Feste jeglicher Art können dazu dienen. Wir sollten dabei nicht unsere Köpfe ermüden, sondern die Sinne unser Herz ansprechen lassen, dann lösen sich die Zungen. Man kann für die institutionelle Biografie viele Methoden einsetzen. Im Kern bleibt sie das Erzählen von Erinnerungen, die miteinander in Beziehung treten.»
IBA für Andere
In einem Artikel in der Hauszeitschrift «lebendig» formuliert Zindel schliesslich «Leitlinien für Institutionelle Biografiearbeit (IBA) und betont dabei: 'Die IBA ist Chefsache und Teil der Unternehmenskultur. Sie muss von der obersten Ebene autorisiert und von der Basis mitgetragen sein.' Die Stiftung bietet interessierten Werken gleichzeitig auf einer Webseite Unterstützung für eine eigene IBA an.»
Zum Thema:
«Niemandskinder»: Stiftung «Gott hilft» stellt sich ihrer Vergangenheit
Stiftung Gott hilft: Ausstellung: «100 Jahre Kinder- und Jugendhilfe»
100 Jahre Stiftung «Gott hilft»: Von einer Heilsarmee-Offizierin zu einer grossen sozialen Stiftung
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet/ lebendig
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