Arbeit mit Flüchtlingen

Eine Herausforderung für die Kirche?

In ganz Europa treffen fast täglich neue Flüchtlinge ein. Doch wie können Christen diese Menschen willkommen heissen? Gemeinden in Italien und Deutschland gehen mit gutem Beispiel voraus. Gleichzeitig gibt Michael Diener, Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, zu, dass Kirchen bei der Arbeit mit Migranten noch stark hinterherhinken.

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Ein Flüchtlingsboot vor Lampedusa
Italiens Flüchtlingskrise hat sich in diesen Wochen wieder verschlimmert. Erst vor wenigen Tagen starben erneut 300 Menschen beim Versuch, von Afrika nach Europa zu gelangen. Und diejenigen, die es bis zur Insel Lampedusa schaffen, sind von Erlebnissen im Heimatland und von der Reise gezeichnet.

Doch evangelische Christen setzen sich ein, um diesen Menschen zu helfen. Wie Leonardo de Chirico, ein evangelischer Pastor aus Rom, im Interview mit Evangelical Focus berichtet, haben sie zwar nicht dieselben finanziellen Mittel, wie die katholischen Christen, welche viele Zuschüsse für diese Arbeit erhielten, doch dies würde den Einsatz nicht aufhalten. «Auf Sizilien helfen die evangelischen Christen vielen Flüchtlingen durch Rechtsbeistand, Sprachunterricht oder geistliche Unterstützung», erzählt de Chirico. «In Rom wurde ein Tageszentrum eröffnet, um Flüchtlinge willkommen zu heissen. Auch in anderen Städten sind die Gemeinden in verschiedene Dienste involviert.»

Auch Migranten setzen sich für Flüchtlinge ein

Sowohl in Sizilien als auch in Rom gäbe es Berichte von Menschen aus dem Iran, Irak, Syrien und verschiedenen afrikanischen Ländern, die zum Glauben gekommen seien, so de Chirico. «In unserer Gemeinde in Rom gibt es einen jungen Afrikaner, der die Sahara durchquert hat, in Libyen verhaftet wurde und später über Lampedusa nach Rom kam. Wir lernten ihn in einem Park kennen. Später kam er zum Glauben, liess sich taufen und wurde zu einem engagierten Gemeindeglied. Heute geht er zur Schule und hilft als Freiwilliger im Tageszentrum mit, wo er andere Flüchtlinge unterstützt.» Geschichten wie diese gäbe es viele, berichtet der Pastor.

Flüchtlinge als Teil der Gesellschaft willkommen heissen

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Johannes Stephens

Auch in Deutschland sind seit Ende 2014 vermehrt Flüchtlinge angekommen. Doch was können Christen konkret für sie tun? Johannes Stephens aus der Freien Christengemeinde Bremen hat seine Bachelor-Arbeit zum Thema «Flucht ist kein Verbrechen» geschrieben. Er selbst hat in Bremen die Verschenke-Aktion etabliert, mit der Bedürftigen auf praktische Weise geholfen wird. Seine Beschreibung der Flucht sei sehr nüchtern, heisst es in der Februarausgabe der Zeitschrift «GeistBewegt» vom Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden: Flucht sei meistens mit grossen Herausforderungen verbunden, dauere oft sehr lang und bringe nicht selten traumatische Erfahrungen wie Vergewaltigung, Tod und Leid mit sich.

Doch es gäbe sehr praktische Dinge, durch die Christen Flüchtlinge als Teil der Gesellschaft willkommen heissen könnten. Man könne Bewohner eines Flüchtlingsheimes besuchen und mit ihnen Feste feiern, wobei hier langfristige Kontakte hilfreich seien, da es seitens der Verantwortlichen häufig Vorbehalte gegenüber Gemeinden gäbe. Aber eine Gemeinde könne auch Gesprächs- und Begegnungsräume schaffen, zu denen die Flüchtlinge kommen könnten. Ausserdem könne man die Gottesdienste mit Übersetzungsangeboten öffnen oder Sprachgruppenangebote machen. Dies schaffe Brücken und gäbe Menschen aus anderen Ländern die Möglichkeit, schnell Anschluss zu finden. Flüchtlinge bei Arztbesuchen oder Behördengängen zu begleiten, sei ein weiterer Weg. Vor der Gewährung von Kirchenasyl rät Stephens allerdings ab, da dies ein «schwieriges Feld» mit vielen Unwägbarkeiten sei.

Kernthema für die kommenden Jahre

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Michael Diener
Die Praxis zeigt allerdings, dass die Einbindung von Migranten in die Gemeinden noch nicht überall gelungen ist. Der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Pfarrer Michael Diener, erklärte vor der Mitgliederversammlung am 13. Februar in Krelingen, dass es im Verband bisher nur wenige Beispiele für eine ausgeprägte Arbeit mit Migranten gäbe. Die Gemeinschaftsbewegung sei auf diesem Gebiet strukturell nicht aufgestellt. Doch müsse diese Aufgabe ein Kernthema in den kommenden Jahren werden. «Wir wollen als Teil unserer Gesellschaft bei der Integration von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern mitwirken», so Diener. Man schulde ihnen die christliche Botschaft in Wort und Tat.

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Datum: 20.02.2015
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / ProtestanteDigital / idea

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