Bienenberg-Tagung

Dem Bösen widerstehen – aber wie?

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Über 80 Personen folgten einer Einladung des Theologischen Seminars Bienenberg zur Tagung: «Mit Gewalt gegen Gewalt?» Die «salomonische Gesprächsrunde» nach Referaten und Diskussionen machte eins deutlich: Es braucht Weisheit, um nicht in Polarisierungen oder ideologischen Grabenkämpfen steckenzubleiben.

«Respektabel, aber irrelevant»

«Wir bleiben eh nur kurze Zeit hier», dachten die Juden, als sie vor vielen Jahrhunderten, aus Jerusalem vertrieben, im Exil ankamen. Sie packten ihre Koffer erst gar nicht aus. Gott hatte aber einen anderen Plan. Er wollte, dass sie bleiben und der Stadt Bestes suchen (Jeremia Kapitel 29). In einer Verhältnisbestimmung von Kirche und Gesellschaft anlässlich einer Tagung zum Thema «Mit Gewalt gegen Gewalt?» befragte Hanspeter Jecker, Dozent und Theologe am Theologischen Seminar Bienenberg (TSB) zunächst selbstkritisch eigene täuferische Traditionen, die aktuelles politisches Handeln prägen. Sind sie Weltflüchtige oder bleiben sie? Als «respektabel, aber irrelevant» habe etwa der Theologe H. Richard Niebuhr die täuferische Gemeinschaft bezeichnet (1952). In einer Haltung von «Christus kontra Kultur» hat dieser verschiedene Attribute für sie ausgemacht, darunter die Zurückweisung der Welt als böse, oder den Rückzug in die Gemeinde der wahren Gläubigen. Hanspeter Jecker stellt ergänzend dazu 19 Aspekte eines friedenskirchlichen Gemeindeverständnis zur Diskussion. Darunter ist Kirche Gemeinschaft der Nachfolge: «Dort wird tatsächlich etwas sichtbar von der Neues schaffenden und verändernden Kraft Gottes!», so Jecker. «Kirche ist frei-kirchlich und obrigkeitsunabhängig. Oberste Loyalität gelten Christus und seinem Reich», betonte er weiter. Und: «Kirche ist Gemeinschaft der fortdauernden Präsenz Gottes in der Welt. Kirche ist solidarische Gemeinschaft.»

Für konkretes Handeln braucht es keinen besonderen Ruf

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Zur Bienenberg-Tagung kamen über 80 Personen.
Mit den Tragödien in Ruanda (1994), Srebenica (1995) oder im Kosovo (1999) haben die UNO, die EU und das ÖRK 2005 ein «Drei-Schritte-Programm» unter dem Stichwort «Schutzverantwortung» oder «R2P» (Responsibilty to protect) formuliert: Prävention, Intervention, Wiederaufbau. In den öffentlichen Diskussionen werde häufig argumentiert, dass nur der Verantwortung übernehme, der unter Einsatz von Waffen tätig werde, so Jecker.  Langfristiges und engagiertes Handeln in den Stufen 1 und 3 sei jedoch nachhaltig - und kostspielig. Es gehe über blosses Zuschauen und passives Nichtstun weit hinaus. «Wenn wir als Gemeinde glaubwürdig sein wollen, dann müssen wir in den Bereichen Prävention und Wiederaufbau intensiver und konkreter anpacken: Zivildienst, Gemeinschaftsdienst, Freiwilligendienst. Es darf für solche Dienste nicht länger einen besonderen Ruf brauchen, um sie wenigstens eine Zeitlang zu tun, sondern eine sehr gute Erklärung, sie nicht zu tun», so Jecker.

Dem Bösen widerstehen – wie kann man das tun?

Aus Amman/Jordanien eingeflogen waren Gordon und Carolyne Epp-Fransen, Mitarbeiter des «Mennonite Central Committee» (MCC). Sie berichteten von aktuellen Handlungsansätzen zwischen Prävention und Wiederaufbau im Irak. Jakob Fehr, Mitarbeiter des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees (DMF) teilte Erfahrungen von Christian Peacemaker Teams (CPT), darunter aus Flüchtlingscamps auf der Insel Lesbos. Peter Rickhaus, Leiter des Täuferischen Forums für Gerechtigkeit  mahnte,  für die Mitglieder der Kirche Ekklesiyar Yan'uwa a Nigeria (EYN) zu beten. Sie ist mit über 100'000 Mitgliedern die grösste Gruppierung innerhalb der weltweiten «Church of the Brethren». «Die Terroranschläge in Frankreich haben die ganze westliche Welt bewegt. Wenig erwähnt wurde dabei, dass dieser Albtraum in Nigeria alltägliche Realität ist», so Ricker.

Heike Geist, Dozentin am Theologischen Seminar Bienenberg (TSB) berichtete, wie selbst genähte Patchworkdecken  aus Schweizer Gemeinden in den Flüchtlingscamps ankommen. «Es bedeutet den Menschen viel, wenn sie persönlich Erstelltes erhalten.» Ein Filmbeitrag entfaltete den wirkungsvollen gewaltfreien Widerstand von Frauen in Liberia. Sein Titel mochte beinahe als Programm des Tages gelten: «Pray the devil back to hell!»

Mennonite Central Committee

Das Mennonite Central Committee (MCC) oder Mennonitische Zentralkomitee ist ein internationales Hilfswerk und eine weltweit aktive NGO-Friedensorganisation in der Trägerschaft von 15 überregionalen Verbänden der Mennoniten, der Mennonitischen Brüdergemeinden, der Amischen und der ebenfalls täuferischen Brethren in Christ in Nordamerika. Die zentralen Geschäftsstellen befinden sich in Akron (USA) und Winnipeg (Kanada). Die Vertretung des MCC für Westeuropa hat ihren Sitz in Strassburg.

Christian Peacemaker Teams  

CPT entstand 1984 als Reaktion auf einen Aufruf, dass Christen die gleiche Disziplin und Selbstaufopferung für die gewaltfreie Friedensarbeit aufbringen sollten wie das Militär für die Kriegsführung. Auf Einladung von lokalen Friedens- und Menschenrechtsgruppen schickt CPT heute Teams in Krisengebiete und Gegenden mit viel Militärpräsenz in der ganzen Welt und bindet damit die weltweite Kirche in eine organisierte, gewaltfreie Alternative zum Krieg ein. CPT verfolgt die Vision von unbewaffneten Interventionen, die von überzeugten Friedensstiftern durchgeführt werden. Diese sind bereit, im Zuge mutiger Aktionen Verletzungen und sogar den Tod zu riskieren, um tödliche Konfliktsituationen mit Hilfe der gewaltfreien Macht von Gottes Wahrheit und Liebe zu transformieren. Diese Arbeit wurde von Mennoniten, Brethren und Quäkern begonnen, die Teilnehmer kommen heute aus vielen verschiedenen Denominationen. Der Friedensdienst von CPT hat die Bibel als Grundlage und geistliches Leben als seine Mitte. Er legt Wert auf ein kreatives öffentliches Zeugnis, gewaltfreie direkte Aktionen und den Schutz der Menschenrechte.

Das Täuferische Forum für Frieden und Gerechtigkeit

Das Täuferische Forum für Frieden und Gerechtigkeit ist eine Platform mennonitischer Christen, denen die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung am Herzen liegen. Die Täufer oder Mennoniten gelten als älteste Friedenskirche und sind ein Teil der weltweiten Kirche. Das Forum versucht diese Tradition für die eigenen Gemeinden und die Gesellschaft fruchtbar zu machen. Es lanciert eine  Postkarten-Aktion, durch die die Mennoniten in der Schweiz zum Gebet für den Frieden und Nigeria eingeladen werden. Die Postkarten werden in diesen Tagen an die Gemeinden verteilt.

Zum vollständigen Artikel (inkl. konkreten Tipps, was man gegen Gewalt tun kann):
Bienenberg: Mit Gewalt gegen Gewalt?

Zur Webseite:
Theologisches Seminar Bienenberg
Stellungnahme «Mit Gewalt gegen Gewalt?»

Zum Thema:
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Datum: 19.02.2015
Autor: Dorothea Gebauer
Quelle: Theologisches Seminar Bienenberg

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