Empfindsam wie Robin Williams
«Wer lustig sein kann, kann auch schwer bedrückt und traurig sein»
Der Suizid von Robin Williams hat nicht nur Hollywood schockiert, sondern Menschen auf der ganzen Welt, die er zum Lachen gebracht hat. Dass gerade Komiker einen Hang zu schwermütigen Gedanken haben, erstaunt den christlichen Seelsorger Philipp Probst nicht.
Livenet: Philipp Probst, In dieser Woche war der Tod von Hollywoodstar Robin Williams das dominierende Thema in der Presse. Was sagen Sie mit Ihrem fachlichen Hintergrund zum Suizid des Komikers?
Das ist eigentlich nichts Neues, dass Menschen, die andere zum Lachen bringen, oft selbst sehr bedrückt sein können. Ich bin im Moment gerade in Bern an einer Weiterbildung. Da fällt mir spontan der «Dällebach Kari» ein. Er war als Berner Stadtoriginal ja auch für seinen Humor bekannt, war aber selbst oft traurig. Ähnlich wie Robin Williams griff auch Dällebach Kari oft zum Alkohol und nahm sich am Ende mit einem Sprung von der Kornhausbrücke das Leben.
Sind Komiker also generell eher suizidgefährdet?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Aber es trifft sicher zu, dass Leute, die lustig sein können, auch schwer bedrückt und traurig sein können. Es sind Leute, die einen Zugang zu diesen Gefühlen haben und diesen begegnen lernen – in der Fröhlichkeit und in der Traurigkeit.
Sie nehmen die Emotionen extremer wahr. Im negativen Sinn können dann schon mal Emotionen aufkommen, die sie so niederdrücken, dass sie sich am liebsten das Leben nehmen möchten. Solche Gefühle hatte David in der Bibel übrigens auch. Sein Vorteil war, dass er einen Weg fand, die Gefühle auszusprechen, ihnen Raum zu geben, ihnen dann aber auch zu widersprechen, in dem er wieder auf Gott blickte.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Sehr schön ist der Psalm 121, wo es heisst: «Ich schaue hinauf zu den Bergen – woher kann ich Hilfe erwarten? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat! Dieses wissen, dass ein Gott da ist, der einen begleitet, kann helfen, sich nicht allein zu fühlen.
Zu den Bergen schauen und an Gott denken finde ich ein schönes Bild, das Halt gibt. Ich spreche in meinen Seelsorgegesprächen oft über David, um an seinem Beispiel zu zeigen, wie man mit traurigen, schweren Gefühlen umgehen kann.
Genügt dies als Prävention bei jemandem, der depressiv und möglicherweise gar suizidgefährdet ist?
Es ist sicher eine hilfreiche Prävention, aber es genügt für sich alleine oft nicht. Eine andere Hilfe kann sein, jemandem ein Ohr zu schenken, aber nicht endlos lange, damit man selbst nicht depressiv wird. Was immer wichtig ist festzuhalten: Nicht ich bin verantwortlich, wenn der andere eine Entscheidung trifft. Bei einem Suizid gilt das besonders; dafür übernehme ich als Angehöriger, Verwandter oder Seelsorger nicht die Verantwortung.
Würden Sie sagen, dass jeder Komiker oder jeder fröhliche Mensch auch überdurchschnittlich traurig sein muss?
Nein, das glaube ich nicht. Aufgesetzte Fröhlichkeit kann sicher ein Flüchten vor einer Trauer sein. Aber es muss nicht so sein.
Ganz traurig zu sein gehört im Leben dazu und ist auch wichtig, genauso wichtig wie Freude haben. Grundsätzlich gibt es aber nichts schöneres, als wenn jemand richtig von innen heraus fröhlich sein kann. Im jüdischen Talmud steht eine gute Herausforderung: «Ein jeder wird nach seinem Tode vor Gott Rechenschaft ablegen müssen über jeden erlaubten Genuss, den er sich ohne Not entgehen liess.»
Zum Autor
Philipp Probst ist Seelsorger, psychologischer Berater, Supervisor, Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Der 59-jährige Berner führt seit 2007 eine eigene Praxis als christlicher Seelsorger und psychologischer Berater in Wetzikon ZH.
Zum Thema:
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet
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