Suche nach der richtigen Form

Die Predigt – unverzichtbar oder Auslaufmodell?

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Seit Jahrhunderten steht sie im Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes: die Predigt. «Das muss so bleiben!», meinen die einen, andere überlegen längst, ob sich das Format der Predigt nicht überlebt hat.

«Du darfst über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten!», lautet ein oft zitierter Satz aus theologischen Ausbildungsstätten. Trotzdem hat die Predigt in den meisten Gottesdiensten eine zentrale Stellung – sie ist nicht nur der längste Teil, ihr wird meist auch die grösste Wirkung zugesprochen, alles andere gruppiert sich darum herum. Schon Wilhelm Busch (nicht der Zeichner von Max und Moritz, sondern der Pfarrer) betonte: «Ich bin gewiss, dass die evangelische Kirche steht und fällt mit ihrer Predigt.»

Was sagt denn die Bibel dazu?

Wer laut darüber nachdenkt, ob das Format der Predigt noch zeitgemäss ist, der bekommt es schnell mit Paulus zu tun. Immerhin hat der Apostel im Römerbrief geschrieben: «So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.» Heisst das nun, dass ohne Predigt im Gottesdienst kein Glaube mehr möglich wäre? Nein, so hat Paulus Römer, Kapitel 10, Vers 17 nicht gemeint, denn in anderen Übersetzungen wird das Wortfeld des verwendeten Begriffs deutlicher: Es geht ums Verkündigen, Reden und Hören. All das kann in der Predigt geschehen – aber eben auch durch andere Formate. Die Bibel schreibt jedenfalls keine 20-minütige Predigt zwischen Gemeindelied und Bekanntmachungen im Gottesdienst vor.

Darf man das denken?

Ausführlich geht Katrin Kusmierz, Dozentin der Uni Bern, im Theologischen Feuilleton «feinschwarz» auf die Frage ein, ob die Predigt eine Zukunft hat. Dabei bemerkt sie gleich zu Beginn: «Könnte die Antwort auf diese Frage tatsächlich auch 'Nein' lauten? Der Gedanke erschreckt mich, oder besser: schreckt mich auf. Ich will mich ihm aber nicht verweigern.» Wo sonst, bis auf die Universität, hören Menschen jemandem anderen eine halbe Stunde lang zu? Was würde fehlen, wenn man die Predigt im Gottesdienst weglassen würde? Oder liesse sie sich durch dialogische Formen ersetzen? Durch digitale Formate, die eine direkte Interaktion ermöglichen wie zum Beispiel bei Online-Veranstaltungen?

Kusmierz zitiert die evangelische Theologin Angela Rinn, die für Predigtformen ist, die mehr bieten als Inhaltsvermittlung: «Gemeint ist das, was besticht, was mich in Bewegung versetzt und anregt. Das, was mich unmittelbar betrifft.» Diese Relevanz bezeichnet sie als punctum. Ob es in Zukunft mehr Gesprächsformen im Gottesdienst gibt oder filmische Verkündigung, wird sich zeigen, doch «die grösste Herausforderung ist wohl die inhaltliche. Nämlich aufzuzeigen, wie das, was die biblischen Schriften zu erzählen haben, sich heute, in ganz konkreten Lebenssituationen und im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Herausforderungen als plausibel und relevant erweist.»

Kann man das ausprobieren?

Den meisten Überlegungen liegt nicht zugrunde, Predigten ersatzlos zu streichen. Es geht den Verantwortlichen eher darum, Formen zu finden, die auf eine zeitgemässe Art Gemeinschaft ermöglichen und Input vermitteln. Vielleicht ist es zur Orientierung sogar hilfreich, die altvertraute Predigt im Gottesdienst einmal wegzulassen. Vor Jahren ging es durch die kirchliche Presse, dass Matt Redman, Lobpreisleiter einer britischen Gemeinde, seiner Gemeinde Schweigen verordnete, weil ihre Haltung zum Lobpreis nicht mehr stimmte (Livenet berichtete). Anschliessend nahmen sie ihren Lobpreis wieder auf.

Könnte so etwas auch beim Predigen sinnvoll sein? Einmal auf die Pausentaste zu drücken und uns zu fragen, wie unser «Reden und Hören» (siehe Paulus) heute am besten Menschenherzen erreicht? Einmal auszusteigen aus dem Vertrauten, um zu etwas Neuem zu finden oder das Althergebrachte gern wieder fortzusetzen – aber dann nicht aus Gewohnheit, sondern aus Überzeugung.

Zum Thema:
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Datum: 02.10.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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