Talk vor dem Führungskräfteforum
«Ich bin Unternehmerin, keine Unterlasserin»
Livenet führt ein Gespräch mit zwei Frauen, die seit Jahren in Führungspositionen tätig sind. Was bedeutet Verantwortung für sie? Was sagen sie zu sozialem Unternehmertum? Und wie prägt ihr Glaube den Umgang mit Geld und Einfluss?
Elisabeth Schirmer übernahm als junge Frau das Uhrenunternehmen ihres Vaters. Später gehörte sie zum Kader der Kantonalbank Baselland. Vor zwei Jahren geriet sie in eine heftige gesundheitliche Krise.
Die ehemalige Hochschuldozentin Christina Aus der Au ist seit Sommer 2022 Präsidentin der evangelisch-reformierten Kirche Thurgau und war im Vorstand der Alternativen Bank.
Die beiden Frauen gehören zu den Referentinnen des Forums christlicher Führungskräfte vom 2. September 2022 in der Parkarena Winterthur. Livenet ist Partner dieser Veranstaltung (weitere Infos & Anmeldemöglichkeit hier).
Unternehmerin oder Unterlasserin?
«Ich bin eine Unternehmerin, keine Unterlasserin», hält Elisabeth Schirmer fest. Gerade als sie ihr Studium beendet hatte, starb ihr Vater. Die 27-Jährige übernahm die Leitung der Firma, bei der auch ihr Mann arbeitete. Sie bekamen drei Söhne, daher zog sie sich bald aus der operativen Leitung der Uhrwerke zurück. Später übernahm sie verschiedene Mandate, wurde Präsidentin und gehörte zum Bankrat.
Krisenresistent
Angesprochen auf Krisen hält sie fest: «In der Uhrenindustrie und durch die Finanzkrise haben wir viele erlebt». Soziales Unternehmertum beinhalte die Verantwortung für Angestellte, aber auch Lieferanten und Kunden. In guten Zeiten hätten sie sich daher finanziell auf schlechte vorbereitet, so seien sie durchgekommen. Gleichzeitig gelte es, Gewinn zu erwirtschaften. «Wir müssen ja reinvestieren können». Eine Hilfe sei ihr dabei ihr Urvertrauen in Gott gewesen. «Wir haben uns immer von Gott führen lassen», betont Elisabeth Schirmer. «Und wir gingen davon aus, dass er führt. Das gab uns eine gewisse Sicherheit.» Dabei hätten sie immer mit der Geschäftsleitung zusammengearbeitet, seien als Team unterwegs gewesen. Ihr Konfirmationsspruch: «Freuet euch im Herrn allezeit», habe dieses Urvertrauen noch verstärkt, erzählt Schirmer. «Weiter steht da: «Gott ist nahe, sorgt euch nicht». Für sie bedeute das, die Freude kommt zuerst. «Ich bin nicht von den Umständen bestimmt, sondern bekomme Hilfe und Wegweisung.»
Mir geht es gut…
Christina Aus der Au hat nie heftige Krisen erlebt. Dennoch übernimmt auch sie mit ihrem Team Verantwortung. Ob in der Landeskirche, in der Christenheit oder in der Gesellschaft gelte es, gemeinsam anzupacken. Sie schätze daher die Vielfalt der Landeskirche. Herausfordernd finde sie jedoch Grenzsituationen in der Welt. «Wenn ich daran denke, dass Gott mit mir ist, frage ich mich, was er für die macht, die auf der Flucht sind…» Die Situation in der Welt mit ihrem Glauben zusammen zu bringen, sei immer wieder eine Herausforderung.
Querschnittlähmung?
Im Februar 2020 drückte eine Blutung in Elisabeth Schirmers Spinalkanal die Nerven ab. Ab der Taille hatte sie kein Gefühl mehr. Sie musste notfallmässig operiert werden- mit der Gefahr einer Querschnittslähmung. Davor betete sie mit den beiden Chirurginnen und vertraute sich Gottes Schutz an: «Was kommt, das nehme ich an.» Die Operation gelang, zwei Nerven wurden jedoch durchtrennt. In der Reha bekam sie Opiate gegen die heftigen Schmerzen. Als sie die Dosis wieder abbaute, konnte sie nicht mehr schlafen. Einmal las sie in der Bibel: «Alles ist möglich in Christus.» Diesen Hinweis nahm sie mit in ihre schlaflose Nacht. Um 2 Uhr nachts las sie die Kurznachricht einer befreundeten Ärztin aus Norddeutschland. Sie schrieb: «Alles ist möglich in Christus.» Solche Erlebnisse berühren Elisabeth Schirmer. «Ich habe viel Ermutigung bekommen und erlebt: die Wüste kann blühen.»
Konstanz
Christina Aus der Au nennt ein anderes Beispiel für inneren Frieden. Im See und Meer bleibe das Wasser an der tiefsten Schicht immer vier Grad kalt. Auch wenn es oben stürme oder zufriere – unten bleibt es vier Grad. Für sie sei das Vertrauen in Gott wie diese konstante Temperatur. Sie habe als Kind dieses Urvertrauen mitgekommen. «Ich kann nicht sagen, Gott hat alles im Griff», gesteht sie. Es sehe so aus, als ob das eine oder andere aus dem Ruder laufe. «Aber auch wenn das Schiff auf dem Meer kentert, es bleibt in den Händen, die es halten», ist Aus der Au überzeugt. «Letztendlich sind wir getragen.»
Veränderung ist nötig
Florian Wüthrich will von der Präsidentin wissen, was sie von der These hält, die Landeskirche werde untergehen. Sie bestätigt: «Wir wissen, dass die Mitgliederzahlen schrumpfen, das Bedürfnis bei Jungen nach der Landeskirche nimmt stetig ab.» Dies bedeute jedoch nicht, dass sie untergehe, sondern dass sie sich verändern müsse. «Wer will denn, dass sie gleich bleibt wie in den letzten 200 Jahren?» Fünf bis zehn Prozent aller Kirchenmitglieder seien aktiv engagiert in der Kirche: «Was machen wir mit und für diese?» Die Landeskirchen der Schweiz hätten immer noch mehr Mitglieder als alle Parteien zusammen. «Wir sollten uns nicht auf die Kerngemeinde beschränken, sondern uns öffnen», fordert sie auf. «Ich möchte eine Kirche, die frei ist. Wir haben nichts zu befürchten!»
Finanzen
Sowohl Christine Aus der Au wie auch Elisabeth Schirmer waren Vorstandsmitglieder in Banken. «Banken sind geprägt von einer Kultur», hält Aus der Au fest und fragt: «Wen zieht die Bank an? Ist es deren Boni-Kultur, eine finanzielle Anreiz-Kultur oder eine Werte-Kultur?» Die Lohnspanne bei der Alternativen Bank sei vom höchsten zum niedersten Einkommen das von 4:1. Aus der Au zitiert den Reformator Calvin: «Christus ist Herr über alle Lebensbereiche». Dazu gehörten auch die Finanzen.» Wir hätten hier Rechenschaft abzulegen: «Wo habe ich mein Geld angelegt? Was mache ich mit meiner Pensionskasse? Sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen? Wir leben in dieser Welt, der Schöpfung, mit Mitgeschöpfen. Da möchte ich mir als Christin überlegen, wie gehe ich damit um?»
Globale Wirkung
«In einem Industriebetrieb arbeitet man globalisiert», stellt Elisabeth Schirmer klar. «Wir sind abhängig von internationalen Lieferketten.» Der Markt übernehme keine soziale Verantwortung, doch an Christen werde oft dieser Anspruch gestellt. «Wir tragen die Verantwortung für die Mitarbeitenden vor Ort, aber auch für die Produktionsstätten in Asien – dass dort die Abwässer nicht ins Meer geleitet werden.» Da sei es oft nicht einfach, weise Entscheidungen zu treffen.
Für sie ist die Perspektive über den Tod hinaus eine Entlastung. Dies gebe ihr Kraft, sich hier und jetzt einzusetzen. «Es gibt aber auch Menschen, für die ist der Tod die Grenze,» kontert Aus der Au. «Trotzdem setzen sie sich vorher ein.» Einig sind sich die beiden in Bezug auf Ungerechtigkeit, die für viele Menschen Realität ist: «Gott ist gerecht und wird gnädig sein.»Sehen Sie sich hier den gesamten Livenet–Talk an:
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet-Talk
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